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Mein Jahr 1945 - Coswig

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1933 bis <strong>1945</strong>: NSDAP<br />

50<br />

nach <strong>1945</strong>: parteilos, (Kulturbund, FDGB,<br />

das war aber erst später)<br />

(Diese Fragen und das damit verbundene Kainsmal sollten ihn fortan begleiten. Und auch ich wurde von der<br />

Schulzeit an durch mein ganzes Berufsleben immer wieder nicht nur nach meiner, sondern auch nach der<br />

politischen Vergangenheit meines Vaters gefragt.)<br />

Der Angestellte musterte den Fragebogen: "Ingenieur bist Du. In dem Beruf kriegst Du keine Arbeit. Du musst<br />

erst 'mal deine Ehre wieder herstellen." Was er darunter verstand, war unklar. Aber der Oberbürgermeister von<br />

Dresden, Max Seydewitz, sprach das ganz klar aus: "Eh' wir einen ehemaligen Nazi einstellen, wurschteln wir so<br />

lange weiter, bis wir unsere eigenen Leute haben." Man hat spät, aber schließlich doch gemerkt, dass die<br />

Bevölkerung nicht so lange bei schlechter Nahrung und Bekleidung in Ruinen leben kann. Außerdem drängten<br />

ehemalige Nazis in KPD und SPD, um rehabilitiert zu werden und um Vorteile für ihre Karriere zu haben. Die<br />

alten Kommunisten nannten sie "Maikatzen", weil ihre offizielle Lebensgeschichte erst ab dem 9. Mai bekannt<br />

war. Sie lehnten sie im stillen ab, aber tolerierten sie, da sie von ihnen Repressalien fürchteten. Nicht wenige alte<br />

Kommunisten sind von diesen Seilschaften aus der Partei gedrängt worden. Unser Vater hatte von den Nazis<br />

nicht viel gehalten. Er war anlässlich einer Belegschaftsfeier zum 1. Mai als "Auszeichnung" für gute Arbeit ohne<br />

vorangehendes Aufnahmegespräch in die Nazi-Partei in aller Öffentlichkeit "aufgenommen" worden. Man hatte<br />

ihn in eine Situation gestellt, bei der ein "Nein" für ihn tödlich sein konnte. Aber diese "Neukommunisten" lehnte<br />

er als Gesinnungslumpen ab. Mit denen wollte er nicht "in einen Sack gesteckt werden".<br />

Unserem Vater wurde Arbeit auf dem Güterbahnhof in <strong>Coswig</strong> zugewiesen - nachts Kohlenwaggons entladen.<br />

Etwas später stellte ihn die <strong>Coswig</strong>er Baufirma Bernd als Bauhilfsarbeiter ein. Er kam in einen Bautrupp, der die<br />

Stahlkonstruktion der Eisenbahnbrücke - deren Sprengung wir miterlebt hatten - wieder in die Auflager heben<br />

sollte. Das geschah mit Handwinden und durch Unterbauen von Eisenbahnschwellen. Die Arbeit war hart, aber<br />

das hat er nie gesagt. An seinem ersten Arbeitstage habe ich ihn abgeholt. Wir gingen, das erzgebirgische<br />

Feierabendlied singend, am Bahndamm entlang nach Hause.<br />

Der Unternehmer Bernd hatte bald erkannte, dass er unter den Hilfsarbeitern einen Mann hat, der mehr kann. Er<br />

nahm unseren Vater in sein Konstruktionsbüro, bezahlte ihn aber weiter als Bauhilfsarbeiter. Angeblich durfte er<br />

nicht mehr zahlen. Herr Bernd besaß ein großes, komfortables Mehrfamilienhaus in Dresden am Neustädter<br />

Bahnhof. Das war beim Angriff ausgebrannt. Vater machte ihm vom Aufmaß der Ruine bis zum fertigen Projekt<br />

und der Genehmigung des Projektes durch die Staatliche Bauaufsicht für den Wiederaufbau alles fertig. Der Bau

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