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zu kommen. "Geschäftstüchtige" haben sich damit sogar etwas Geld verdient; ich bin heute noch nicht<br />
geschäftstüchtig! - Interessanter waren aber auch die umgesprengten Bäume im Walde. Darin ließ sich herrlich<br />
klettern und wippen. - Wir liefen eines Tages durch das Wäldchen am Wettinstift und standen plötzlich an der<br />
Spitzgrundstraße vor einem MG-Nest. Es war offensichtlich, hier sollten die Russen, die vom Ameisenhügel aus in<br />
die Stadt vordringen wollten, aufgehalten werden. Das MG geladen, dahinter 2 sehr junge Soldaten, schussbereit;<br />
dazu mehrere Kisten Munition. "Sie erwarten wohl den Iwan?" war meine unpassende Frage. Die beiden<br />
schauten mich nur ernst an. Wir ständerten neugierig um das Loch herum, in dem sie hockten. "Ist in der<br />
Flasche Schnaps?" "Nein, Wasser". Die beiden waren uns zu einsilbig. Wir liefen weiter, quer durch das<br />
Schussfeld zum Gabelweg. Dort, wo der Gabelbach den Gabelweg kreuzt, begannen die umgesprengten Bäume.<br />
Hier war es schon interessanter: Einige Hitlerjungen ballerten mit einer Pistole gegen die Buchen, dass die<br />
Abpraller nur so wegpfiffen. Sie hatten auch eine Panzerfaust dabei. Wir kletterten durch die umgesprengten<br />
Bäume zur Frontseite der Befestigung. Vor dem Großen Hohenstein endete diese wilde Sperre, und dort<br />
entdeckten wir einen aus Baumstämmen gefügten Bunker. Da er leer war, eroberten wir ihn sofort für uns. Einige<br />
packten ihre Zigaretten aus. Es wurde ganz gemütlich. -<br />
Wir gingen ziemlich spät heim. Zwar hatten wir gehört, dass am Stadtrand von Meißen ein russischer Spähtrupp<br />
gesichtet worden war, dass aber die Russen schon Moritzburg eingenommen hatten und sich in der Nähe vom<br />
Forsthaus Kreyern lagerten, wussten wir nicht. So war das damals! - Wenn ich heute darüber nachdenke, wird<br />
mir bewusst, wir waren zwischen den Fronten und hätten in dem Bunker eine Zielscheibe geboten.<br />
Wenn wir abends zusammen saßen - Muttel, Oma, Tante Liesel und ich - kreisten unsere Gedanken und unsere<br />
Gespräche nur um die ungewisse Zukunft. Als die Stimmung einmal ganz tief gesunken war, sagte Tante Liesel:<br />
"Martin hat mir eine Pistole dagelassen. Fünf Schuss sind drin. Die reichen gerade für uns". <strong>Mein</strong>e Mutter:<br />
"Liesel, woran denkst du?! Wer sollte denn das machen?" "Na, unser Werwolf," antwortete sie ernst, dabei auf<br />
mich zeigend. Da muss ich wohl ganz blass geworden sein, weil ich den Spott nicht gleich verstand. Zum Glück<br />
brach meine Mutter sofort die Spitze ab: "Unsinn!" - Aus Angst vor den Russen haben nicht wenige auch in<br />
<strong>Coswig</strong> Selbstmord begangen: In einem Einfamilienhaus am Waldrand in der Spitzgrundstraße fand man ein<br />
Ehepaar mit seiner 8jährigen Tochter - tot. Sie hatten sich die Pulsadern aufgeschnitten. Das Mädchen hatte<br />
noch im Tode die Rasierklinge in der Hand.<br />
Eines Abends hörten wir entfernte Hornsignale und dann eine Detonation - War es die Sprengung der<br />
Niederwarthaer Brücke? Und dann wieder Hornsignale und eine Detonation, diesmal näher, die Sprengung einer<br />
Eisenbahnbrücke der Berliner Bahnlinie über die Strecke Dresden - Leipzig.<br />
Frau Grafe, unsere Mieterin, hatte plötzlich eine Untermieterin, eine attraktive, junge Frau in dunkelgrauem