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Die Adventszeit kam und mit ihr die Vorfreude auf die Weihnacht. Wie schon alle <strong>Jahr</strong>e vorher wurden am<br />
Sonnabend vor dem ersten Adventssonntag die "Weihnachtsherrlichkeiten" aufgebaut: die Krippe mit den Figuren,<br />
die mein Vater ausgesägt hatte als ich im Vorschulalter war, den Adventsleuchter, den Lichterbergmann. Dann<br />
ging es ans Weihnachtsgeschenke basteln. Bei einem Besuch bei der Großmutter, Onkel Horst und Tante Friedel<br />
in Stetzsch hatte mir Onkel Horst Wandplatten geschenkt, die er irgendwo aus den Trümmern geborgen hatte. Zu<br />
Hause machte ich sie erst einmal sauber und meiselte die Mörtelreste auf der Rückseite ab. Was kann man mit<br />
so wenigen Platten machen? Ich legte sie auf der Werkbank nebeneinander - ein Tablett für Muttel! Ich fügte<br />
Brettchen zusammen für die Grundplatte - hobelte die Leiste zurecht, aus der die Umrandung gemacht wurde -<br />
schnitt die Gehrungen zurecht und fügte die Umrandung zusammen. Das Aufkitten der Platten machte mir der<br />
Papa. Als Geschenk für die Oma bemalte ich eine Spanschachtel. Die Schachtel war noch aus der Vorkriegszeit<br />
da. Ursprünglich waren einmal Datteln drin gewesen. Bemalt hatte sie ein ganz hübsches Aussehen. - Für den<br />
Papa hatte ich in einem Laden Goethes Faust entdeckt. Ich kannte seine Bibliothek und wusste, dass der den<br />
nicht hatte. - Natürlich hatten die Eltern auch Heimlichkeiten vor mir. Einmal sah ich die Muttel aus einem rotweiß<br />
gemusterten Stoff etwas nähen. "Was wird denn das?" - "Für Elke ein Röckchen." - Da ich von<br />
Geschenkevorbereitungen für mich noch gar nichts bemerkt hatte, war ich ein bisschen eifersüchtig auf Elke.<br />
Weihnachten kam rasch näher. Von einem Weihnachtsbaumverkauf war aber noch nichts zu sehen. Da ich oft im<br />
Walde war, auch viele ganz unverhohlen Holz stahlen, war es für Papa und mich ein fester Beschluss: Wir holen<br />
uns einen Weihnachtsbaum aus dem Wald! Am Sonnabend vor Weihnachten, mein Vater war etwas früher von<br />
der Arbeit gekommen, packten wir das Beil und die Säge in den Rucksack und gingen los. Es hatte geschneit.<br />
Der Wald sah aus wie im Märchen. Nicht weit, da stand eine wunderschöne Fichte genau in der richtigen Größe<br />
am Wegesrand. Rucksack ab, Säge heraus - noch einmal ansehen. Nein - die sieht hier so schön aus, die<br />
können wir nicht fällen. Der nächste Baum, der stand nicht so exponiert. Aber als wir ihn uns näher ansahen,<br />
gefiel er uns nicht mehr, und wir ließen ihn stehen. Und so schauten wir uns noch mehrere Bäume an.<br />
Schließlich gingen wir ohne Baum nach Hause und waren glücklich, keinen Forstfrevel begangen zu haben.<br />
Zwei Tage vor dem Heiligen Abend erfuhr ich, dass in Kötitz Weihnachtsbäume verkauft werden. Ich lief schnell<br />
hin und bekam eine schöne Fichte zu kaufen. Kerzen für den Weihnachtsbaum gab es aber keine im Handel. Da<br />
haben meine Eltern dann heimlich - für mich als Überraschung - aus Wachsresten Kerzen gegossen.<br />
Das Aufstellen des Weihnachtsbaumes glich bei uns einem Ritual. Anspitzen des Stammes, Einfügen in den<br />
Ständer, Ausputzen von überflüssigen Ästen, eventuell einen Ast einfügen ... . Die Arbeiten wurden im<br />
Waschhaus gemacht. Dann wurde der Baum samt Ständer in das Wohnzimer getragen. Nun kam das Anputzen,