Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
lassen, es war Faschings-Dienstag. -<br />
9<br />
Der Bomberpilot hatte befehlsgemäß eine Bombe, die er nach dem Bombardement auf die brennende Stadt noch<br />
in seinem Bombenschacht hatte, über einem Wohngebiet ausgeklinkt. So einfach war das! Ein Kolalateralschaden<br />
im angloamerikanischen Luftterror. ... -<br />
Am nächsten Tage wurden die Toten der Außenbezirke von einem Kommando mit einem LKW abgeholt und nach<br />
dem Heidefriedhof gebracht. <strong>Mein</strong>e Mutter fuhr mit mir zum Heidefriedhof. Wir mussten von der Stadtgrenze durch<br />
ein Waldstück laufen; es war ein ruhiger, sonniger und milder Februartag. In der Friedhofsverwaltung empfing uns<br />
eine junge Frau, freundlich, aber bestimmt: "Nein, eine Einzelbeisetzung ist nicht möglich, alle kommen in<br />
Reihengräber. Sie werden von uns erfasst und nummeriert. Ich sage Ihnen die Nummern ihrer Verwandten. Wir<br />
markieren die Stellen, an denen sie beigesetzt sind, so dass Sie wissen werden, wo Ihre Toten liegen. Nein, jetzt<br />
dürfen Sie nicht hin, wann, das kann ich Ihnen noch nicht sagen." Wir ahnten nicht, wie viele Leichentransporte<br />
ständig aus der Stadt ankamen. Das schrecklichste waren die Panje-Wagen, kleine, offene Kastenwagen mit<br />
einer Gabeldeichsel, in die ein leichtes Pferd eingespannt war. Die Wagen waren in der SS-Kaserne am Wilden<br />
Mann stationiert. SS-Leute machten auch die Transporte. Die Wagen waren bis zum Rand mit Leichnamen<br />
beladen; sie fuhren im Konvoi von 30 bis 40 Wagen über die Großenhainer Straße zum Heidefriedhof.<br />
- Vom Zaun des Friedhofes hatten wir ein vorbereitetes Reihengrab gesehen: ein Graben so breit wie ein<br />
Mensch hoch, vielleicht 20 m lang und 2 m tief. Am Rande saßen uniformierte Männer. Sicher warteten sie auf<br />
den nächsten Transport. Der Zaun war mit Planen verhängt, aber durch die Lücken zwischen den Planen konnten<br />
wir hindurch sehen.<br />
Einfügung am 17.11.2010 Anfang:<br />
So hatte ich das aufgeschrieben. Nachdenklich machte mich daran, dass dieses vorbereitete Massengrab weit<br />
außerhalb der Begräbnisfläche für die Opfer des Angriffes lag. Viel später gab ich das Manuskript meinem Freund<br />
Bürgel, der sich intensiver mit dem Angriff auf Dresden und seinen Folgen befasst hat. Er sagte, was ihr da<br />
gesehen habt, war die Vorbereitung einer Erschießung. Auf dem Heidefriedhof sind Plünderer erschossen worden.<br />
Nun glaube ich mich auch an Einzelheiten zu erinnern: Muttel drängte, rasch fortzugehen. Wir waren noch nicht<br />
weit gekommen, da krachte eine Salve, dann fielen einzelne Schüsse. Muttel ahnte, was dort geschehen war.<br />
Aber ich konnte das Schreckliche nicht glauben und hatte es gänzlich verdrängt. Wer waren diese Menschen?<br />
Weshalb wurden sie getötet? Kurt Vonnegut erzählt, wie sie als kriegsgefangene amerikanische Soldaten nach<br />
der Zerstörung Dresdens zum Leichenbergen eingesetzt worden sind. Einer seiner Kameraden hatte zwischen den<br />
Trümmern einen Teekessel gefunden und mitgenommen. Er ist als Plünderer erschossen worden.(Kurt Vonnegutt: