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Mein Jahr 1945 - Coswig

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lassen, es war Faschings-Dienstag. -<br />

9<br />

Der Bomberpilot hatte befehlsgemäß eine Bombe, die er nach dem Bombardement auf die brennende Stadt noch<br />

in seinem Bombenschacht hatte, über einem Wohngebiet ausgeklinkt. So einfach war das! Ein Kolalateralschaden<br />

im angloamerikanischen Luftterror. ... -<br />

Am nächsten Tage wurden die Toten der Außenbezirke von einem Kommando mit einem LKW abgeholt und nach<br />

dem Heidefriedhof gebracht. <strong>Mein</strong>e Mutter fuhr mit mir zum Heidefriedhof. Wir mussten von der Stadtgrenze durch<br />

ein Waldstück laufen; es war ein ruhiger, sonniger und milder Februartag. In der Friedhofsverwaltung empfing uns<br />

eine junge Frau, freundlich, aber bestimmt: "Nein, eine Einzelbeisetzung ist nicht möglich, alle kommen in<br />

Reihengräber. Sie werden von uns erfasst und nummeriert. Ich sage Ihnen die Nummern ihrer Verwandten. Wir<br />

markieren die Stellen, an denen sie beigesetzt sind, so dass Sie wissen werden, wo Ihre Toten liegen. Nein, jetzt<br />

dürfen Sie nicht hin, wann, das kann ich Ihnen noch nicht sagen." Wir ahnten nicht, wie viele Leichentransporte<br />

ständig aus der Stadt ankamen. Das schrecklichste waren die Panje-Wagen, kleine, offene Kastenwagen mit<br />

einer Gabeldeichsel, in die ein leichtes Pferd eingespannt war. Die Wagen waren in der SS-Kaserne am Wilden<br />

Mann stationiert. SS-Leute machten auch die Transporte. Die Wagen waren bis zum Rand mit Leichnamen<br />

beladen; sie fuhren im Konvoi von 30 bis 40 Wagen über die Großenhainer Straße zum Heidefriedhof.<br />

- Vom Zaun des Friedhofes hatten wir ein vorbereitetes Reihengrab gesehen: ein Graben so breit wie ein<br />

Mensch hoch, vielleicht 20 m lang und 2 m tief. Am Rande saßen uniformierte Männer. Sicher warteten sie auf<br />

den nächsten Transport. Der Zaun war mit Planen verhängt, aber durch die Lücken zwischen den Planen konnten<br />

wir hindurch sehen.<br />

Einfügung am 17.11.2010 Anfang:<br />

So hatte ich das aufgeschrieben. Nachdenklich machte mich daran, dass dieses vorbereitete Massengrab weit<br />

außerhalb der Begräbnisfläche für die Opfer des Angriffes lag. Viel später gab ich das Manuskript meinem Freund<br />

Bürgel, der sich intensiver mit dem Angriff auf Dresden und seinen Folgen befasst hat. Er sagte, was ihr da<br />

gesehen habt, war die Vorbereitung einer Erschießung. Auf dem Heidefriedhof sind Plünderer erschossen worden.<br />

Nun glaube ich mich auch an Einzelheiten zu erinnern: Muttel drängte, rasch fortzugehen. Wir waren noch nicht<br />

weit gekommen, da krachte eine Salve, dann fielen einzelne Schüsse. Muttel ahnte, was dort geschehen war.<br />

Aber ich konnte das Schreckliche nicht glauben und hatte es gänzlich verdrängt. Wer waren diese Menschen?<br />

Weshalb wurden sie getötet? Kurt Vonnegut erzählt, wie sie als kriegsgefangene amerikanische Soldaten nach<br />

der Zerstörung Dresdens zum Leichenbergen eingesetzt worden sind. Einer seiner Kameraden hatte zwischen den<br />

Trümmern einen Teekessel gefunden und mitgenommen. Er ist als Plünderer erschossen worden.(Kurt Vonnegutt:

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