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worden. Die Fläche war ungenutzt. Nur einmal während des Krieges waren dort anlässlich des "Tages der<br />
Wehrmacht" Beute-Kanonen aufgestellt worden. Wir Kinder durften daran spielen. Ein Wunder, dass sich keiner<br />
die Finger abgeklemmt hat! Dann hatte an dieser Stelle auch einmal ein Wanderzirkus seine Manege eingerichtet.<br />
- Jetzt begruben die Russen dort ihre Toten. Es mögen etwa zwanzig Gräber gewesen sein. Auf jedem Grab ein<br />
kleiner Obelisk als Grabmal. In der Mitte des Platzes ein großer Obelisk als Gedenkstein. Die Fläche war<br />
umgrenzt mit einem roten Holzzaun. Im Oktober 1947 wurden die Toten exhumiert und - wie es hieß - am<br />
Sowjetischen Ehrenmahl in Treptow beigesetzt. Für die Exhumierung wurden ehemalige Nazis verpflichtet. Danach<br />
erinnerte nichts mehr an den Russenfriedhof.<br />
*<br />
Tante Liesel wohnte mit der kleinen Elke noch bei uns. Elke war ein ganz munteres Krabbelkind geworden und<br />
machte wacker Gehversuche. In der Kinderkleidung, die von mir noch da war, sah sie ganz niedlich aus, obwohl<br />
die Sachen ursprünglich für einen Jungen gedacht waren. - Der Garten wurde frisch bestellt, wir fuhren mit dem<br />
Rollfix zum Gärtner, Pflanzen holen. Elke fuhr begeistert auf dem Rollwagen mit. Wir pflanzten, Elke schaute zu;<br />
man merkte, sie möchte mitmachen.<br />
<strong>Mein</strong>e Mutter kochte die Mahlzeiten. Oma und Tante Liesel machten den Haushalt mit. Jede der Frauen hatte<br />
noch "Vorräte" aus der Kriegszeit. <strong>Mein</strong>e Mutter u.a. ein Säckchen Reis. Gab's die Frage: "Was kochen wir?"<br />
War die Antwort: "Reis," und so schmolz ihr Vorrat rasch dahin. Als wieder einmal Reis gekocht werden sollte,<br />
sagte mein Mutter: "Liesel, da musst Du mir aber einen Ausgleich von Deinem Teigwaren-Vorrat geben." Das<br />
empörte Liesel, ein Wort gab das andere; und der Wortwechsel gipfelte in Tante Liesels Ausspruch: "Erst fress'<br />
'mer Dein's, dann fress' 'mer mein's." <strong>Mein</strong>e Mutter wollte aber, dass alle gemeinsam zu den Mahlzeiten<br />
beitragen. Da packte Tante Liesel schmollend ihre Vorratskoffer und fuhr nach Hause. Elkchen ließ sie noch bei<br />
uns. Da wir das Mädchen lieb hatten - und noch haben - fanden wir das normal. Den Rest ihrer Sachen holte<br />
Tante Liesel nach und nach, und zuletzt auch Elke. Dass Tante Liesel wieder in ihre Wohnung zog, fand ich<br />
normal. Als "Zerwürfnis" sah ich das nicht.<br />
*<br />
Die Kommunalpolitik wurde von der sowjetischen Kommandantur übernommen. In den Ämtern wurden die<br />
bisherigen Angestellten durch neue ersetzt, die zum Teil ihren Funktionen noch nicht gewachsen waren. Als<br />
Bürgermeister setzten die Russen Herrn Max Schubert ein. Ihm hatten in der bisherigen Stadtverwaltung als<br />
Oberinspektor die Finanzen der Stadt unterstanden. Aus Verantwortungsbewusstsein hatte er beim Einmarsch der