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Mein Jahr 1945 - Coswig

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<strong>Mein</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>1945</strong><br />

Wenn ich heute - als 70jähriger - über mein Leben nachdenke, wird mir bewusst, dass ich viel Glück hatte.<br />

Unzählige Menschen haben <strong>1945</strong> ihre Existenz verloren, ihre Lebensgrundlage, ihre Gesundheit, ihre Eltern, ihr<br />

Zuhause, ihre Heimat. Alle diese Dramen habe ich in meinem Umfeld erlebt, war aber zum Glück nicht<br />

unmittelbar, oder besser, nicht direkt persönlich davon betroffen.<br />

<strong>Mein</strong>e Erzählung beginnt in der Weihnachtszeit 1944, und sie klingt aus in der Vorweihnachtszeit 1946. Ich will<br />

aufzeichnen, wie ich diese Zeit erlebt habe - als Kind an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Alles, was ich<br />

darstelle, habe ich so erlebt oder damals so gehört; die Reihenfolge der Ereignisse mag an einigen Stellen nicht<br />

stimmen. Einiges habe ich erst jetzt erfahren oder auch erst jetzt verstanden, da ich mich mit den Ereignissen<br />

befasse. Im Text mache ich das erkennbar. Die Erinnerung speichert nur besondere Vorkommnisse. Sie werden<br />

als Episoden aneinander gereiht. Vieles verdrängt auch unser Erinnerungsvermögen. Es soll eine schlichte,<br />

ehrliche Darstellung meines Lebens während dieser Zeit werden. Ich will versuchen, mich in meine damalige<br />

Sprache und Gedankenwelt zu versetzen.<br />

*<br />

Ich hatte mir vorgenommen, diese Aufzeichnungen ganz unpersönlich zu schreiben. Doch als ich damit begann,<br />

habe ich gemerkt, dass ich das nicht kann, und so muss ich am Anfang mein Umfeld und meine Familie<br />

vorstellen. Ich war ein sensibles Kind, <strong>1945</strong> wurde ich 12 <strong>Jahr</strong>e alt. Wir wohnten in unserem Einfamilienhaus in<br />

<strong>Coswig</strong>, Lachenweg 8. Von den 6 Räumen unseres Hauses bewohnten wir 4. Im Obergeschoss waren 2 Räume<br />

vermietet an Frau Grafe, eine schlichte Frau mit einem behinderten Kleinkind. - <strong>Mein</strong> Vater war im Krieg. Als<br />

Ingenieur war er Zivilangestellter der Luftwaffe und zur Organisation Todt eingezogen worden. Er hatte in Sizilien,<br />

Sardinien und Mittelitalien Flugplätze gebaut und war danach verantwortlich für die ständige Befahrbarkeit der<br />

Stilfser-Joch-Straße in Norditalien. Seinen Vorgänger in dieser Funktion hatten die Partisanen getötet; er war, nur<br />

mit der Unterhose bekleidet, auf dem Gletscher gefunden worden. - <strong>Mein</strong>e Mutter konnte wegen ihrer schwachen<br />

Gesundheit (einem Herzleiden) nicht mehr arbeiten gehen. Sie besorgte mit Fleiß den Haushalt, bestellte den<br />

Garten und nähte für sich und mich Kleidungsstücke. Bei Reparatur-Arbeiten am Hause verhandelte sie mit den<br />

Handwerkern.<br />

Unsere gesamte Verwandtschaft wohnte in Dresden. <strong>Mein</strong>e Mutter hatte drei Brüder: Fritz, Hans und Viktor und<br />

eine Schwester: Liesel. Fritz hatte einen erwachsenen Sohn aus 1. Ehe und mit seiner jungen Frau Elsa die<br />

Kinder Wolfgang und Renate, später noch Frank und Joachim. - Hans war verheiratet mit seiner Gretel, beide<br />

hatten die Tochter Ursel. - Viktor war verheiratet mit Betty, und ihr Sohn war der Jürgen. - Liesel war mit Martin<br />

verheiratet, und ihre Tochter Elke war am 1. April 1944 geboren worden. - Die Mutter dieser Sippe war für mich

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