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Mein Jahr 1945 - Coswig

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hob sich zwei Äpfel auf und ging wieder. Er hatte sie nicht bemerkt. (Eigentlich sollten Posten illegale<br />

Grenzgänger verhaften. Vielleicht hatten sie auch Schießbefehl!?)<br />

Nach diesem zweiten Erlebnis mit der Sowjetarmee hielten sie es nicht mehr aus und liefen in der stockdunklen<br />

Nacht unter einem prächtige Sternenhimmel los - sich an den Sternen orientierend immer nach Osten. Beim<br />

Morgengrauen erreichten sie eine Ortschaft mit Bahnanschluss. - Weiter also mit der Eisenbahn, der<br />

Entlassungsschein galt auch im Osten als Fahrschein bis zum Entlassungsrot. Am Abend erreichten sie Leipzig.<br />

Hier trennten sie sich. Sie kannten weder ihre Namen, noch wussten sie ihre Heimatorte. Das war für beide<br />

sicherer.<br />

Der nächste Zug nach Dresden fuhr erst am anderen Tage. Alle, die im Bahnhof übernachten mussten, wurden<br />

von Rot-Kreuz-Schwestern eingesammelt und in einen Aufenthaltsraum gebracht. Es waren fast ausnahmslos<br />

Heimkehrer. Sie trugen ihre Uniformen, nur die Rang- und die Hoheitsabzeichen hatten sie abgetrennt. In dem<br />

Aufenthaltsraum standen Doppelstockbetten, aber nur die Bettgestelle ohne Einlegeböden. Dort mussten sie sich -<br />

jeweils sechs - hinein stellen. Die Schwestern riefen: "Hineinsteigen, alle hinein, antreten habt Ihr ja gelernt!" Der<br />

Nachsatz sollte auch noch Spaß sein. Und so mussten sie stehend die Nacht verbringen.<br />

Am Morgen mussten sie den Raum verlassen. Unser Vater ging durch die von den angloamerikanischen<br />

Luftangriffen stark beschädigte Bahnhofshalle zu den Bahnsteigen. Da sprachen ihn zwei russische Offiziere an:<br />

"Rucksack absetzen! Mitkommen!" Unser Vater sagte sich, nun ist schon alles egal und warf seinen Rucksack in<br />

eine Ecke. Die Russen führten ihn zu einem Bahnsteige. Dort standen zwei Koffer. Der eine wies darauf:<br />

"Nehmen! Mitkommen!" Sie führten ihn zu einem anderen Bahnsteig, dort musste er die Koffer abstellen. Die<br />

Russen bedankten sich, und der eine drückte ihm fünf Mark in die Hand. Unser Vater war so verblüfft, dass er<br />

dachte, der Russe kenne nicht einmal Geld. So hatte er sein erstes Geld in der Heimat verdient. Und sein<br />

Rucksack stand auch noch dort, wo er ihn abgesetzt hatte. - Die Eisenbahnfahrt nach <strong>Coswig</strong> ging langsam, aber<br />

ohne besondere Erlebnisse.<br />

*<br />

Unser Vater war mit großem Elan nach Hause gekommen. Von der Zerstörung der Städte hatte auch das Militär<br />

erfahren. Schon in Gefangenschaft hatte er sich als Ingenieur in Gedanken Pläne über den Wiederaufbau<br />

gemacht. Und nun suchte er Arbeit. Auf dem Arbeitsamt wurde er weniger nach seinem Können als nach seiner<br />

politischen Vergangenheit gefragt. Und mein Vater füllte den Fragebogen gewissenhaft aus. Etwa so:<br />

Mitgliedschaft in Parteien und Organisationen<br />

vor 1933: parteilos, Metallarbeiterverband,<br />

Technische Nothilfe.<br />

in d. Zeit von

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