01.03.2013 Aufrufe

Eildienst 09/07 - Landkreistag NRW

Eildienst 09/07 - Landkreistag NRW

Eildienst 09/07 - Landkreistag NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

dieser Stelle aus (...) Stellung genommen<br />

werden kann.“ 21<br />

Ob und in welchem Maße diese sehr klare<br />

Aufgabenteilung zwischen Unterverband<br />

und Gesamtverband aus der starken Arbeitsbelastung<br />

vor Ort infolge der Besetzung resultierte,<br />

geht aus den Quellen nicht hervor.<br />

In der Nachbarprovinz Westfalen gab es, wie<br />

noch zu zeigen sein wird, ein gänzlich anderes<br />

Verständnis von der Arbeitsweise und den<br />

Kompetenzen einer provinziellen Landkreisversammlung.<br />

Von Reparationsleistungen<br />

und ,rücksichtsloser Wilderei'<br />

„Die Deutsche Regierung verpflichtet sich,<br />

den alliierten und assoziierten Truppen alle<br />

für sie erforderlichen militärischen Gebäude<br />

zur Verfügung zu stellen und sie in gutem<br />

Zustande zu erhalten; desgleichen die<br />

erforderlichen Einrichtungsgegenstände, Heizung<br />

und Beleuchtung (...). Unter diese<br />

Bestimmung fallen die Unterkunft für die<br />

Offiziere und Mannschaften, die Wachräume,<br />

die Kanzleien, die Verwaltungen, die<br />

Regimentsstäbe und Hauptquartiere, die<br />

Werkstätten,Vorratsräume und Hospitäler,<br />

Wäschereien, Regimentsschulen, Reitbahnen,<br />

Stallungen, Exerzierplätze, Infanterieund<br />

Artillerieschießplätze, Flugplätze, Weiden,<br />

Lebensmittellager und Manöverfelder<br />

sowie Grundstücke für die Theater und<br />

Lichtspielhäuser und Sport- und Erholungsplätze<br />

für die Truppen in genügender Zahl“,<br />

Rheinlandabkommen vom 28. Juni1919, §8.<br />

„Die Truppen (=Die Besatzungstruppen) trugen<br />

über sich selbst den höchsten Sieg davon,<br />

indem sie seit mehr als 12 Monaten<br />

der rheinischen Bevölkerung die Wohltaten<br />

der Ordnung, ihre Hilfe bei der Ernährung<br />

und das Beispiel ihrer Dienstzucht angedeihen<br />

ließen“, so der Aufruf der Interalliierten<br />

Rheinlandkommission an die Bevölkerung<br />

des besetzten Gebietes vom 10. Januar<br />

1920.<br />

Auch wenn der Tätigkeitsbereich des Verbandes<br />

in der Praxis schnell umfassender wurde<br />

als in der Gründungssatzung festgelegt,<br />

waren viele der von Adelmann benannten<br />

Aufgaben der ersten Monate Kriegsfolgen<br />

und/oder der besonderen Situation im besetzten<br />

Gebiet geschuldet: Dazu gehörte die<br />

Zwangsbewirtschaftung von Nahrungsmitteln<br />

und Kohle, ebenso der Mangel an Düngemitteln.<br />

Immer noch litten viele Menschen<br />

im Deutschen Reich an Hunger und<br />

Unterernährung; die inländische Nahrungsmittelproduktion<br />

brauchte mehrere Jahre,<br />

bis sie das Vorkriegsniveau wieder erreichte.<br />

Hinzu kamen Reparationen. Schon vor der<br />

ersten genauen Festlegung der Repara-<br />

Schwerpunkt: 60 Jahre <strong>Landkreistag</strong> <strong>NRW</strong> 1947 – 20<strong>07</strong><br />

des Waffenstillstandsabkommens umfangreiche<br />

Sachlieferungen zu leisten. Abgegeben<br />

werden mussten 50 Prozent der Lastkraftwagen,<br />

rund 25 Prozent der Eisenbahnwagen<br />

und Lokomotiven, alle großen Schif-<br />

Soester Börde: Erntearbeit im Rübenfeld<br />

fe und nicht zuletzt hunderttausende von<br />

Nutztieren (jeweils Stand 1913). Diese Sachlieferungen<br />

wurden nicht auf die Reparationsforderungen<br />

der Alliierten angerechnet.<br />

Vor allem die „Viehablieferung an den Feind-<br />

Roggenernte in Vohswinkel: Aufstellen der<br />

Kornhocken<br />

bund“, wie diese Reparationsleistung von den<br />

Landräten genannt wurde, war ein vieldiskutiertes<br />

Thema. Mehr als 10.000 Rinder, fast<br />

3000 Schafe, 500 Ziegen, über 2000 Hühner<br />

und eine große Zahl an Pferden musste<br />

die Rheinprovinz abgeben. Für die Aufbringung<br />

der Tiere waren die Landkreise<br />

verantwortlich.Insbesondere im besetzten<br />

Gebiet gab es „unter den rheinischen Landwirten<br />

eine starke Missstimmung über die für<br />

die Viehablieferung vorgenommene Preisfestsetzung“<br />

durch das Reich. Die festgesetzten<br />

Preise, die als Entschädigung der Landwirte<br />

für die abzuliefernden Tiere gedacht<br />

waren, wurden einhellig für viel zu niedrig<br />

erachtet.<br />

Der Rheinische Landkreisverband setzte sich<br />

gemeinsam mit dem Rheinischen Oberpräsidenten<br />

auf Reichsebene für die Bewilligung<br />

höherer, der Marktlage entsprechender<br />

Preise ein. Die Landräte waren der Ansicht,<br />

dass die Abgabe der Tiere als Teil des Friedensvertrages<br />

von allen Teilen der Bevölkerung<br />

geschultert werden müsse und nicht<br />

finanziell zulasten der Landwirte und Landkreise<br />

gehen dürfe. Unterstützt wurde der<br />

Aufbringen und Abgabe von Pferden als<br />

Reparationsleistung<br />

Unterverband auch vom Preußischen Landkreisverband,<br />

der sich in dieser Angelegenheit<br />

an den Minister für Landwirtschaft, Domänen<br />

und Forsten wandte:<br />

„Die Verhältnisse der Tierhalter im besetzten<br />

Gebiet sind (...) in der Tat durch die<br />

Anforderungen der Besatzungsbehörden<br />

weit ungünstigere als die der im unbesetzten<br />

Deutschland ansässigen Landwirte. Muss<br />

schon aus diesem Grunde die Lage im Rheinland<br />

eine besondere Beurteilung erfahren,<br />

so führen weiterhin Erwägungen politischer<br />

Art dazu, der im besetzten Gebiet herrschenden<br />

Stimmung nach Möglichkeit Rechnung<br />

zu tragen.“<br />

Im Februar 1920 stellte sich der erste Erfolg<br />

ein: Die Reichsregierung bewilligte einen<br />

Aufschlag von 20 Prozent auf die alle Viehpreise,<br />

dazu einen besonderen Aufschlag von<br />

zehn Prozent für die besetzten Gebiete. Dem<br />

Unterverband war das noch zu wenig. Er<br />

kämpfte weiter, empfahl den Landkreisen<br />

als ultima ratio die Klage beim Reichswirtschaftsgericht<br />

und entwarf ein Musterformular<br />

für die Klagen. 22<br />

Neben derartig wichtigen Themen mussten<br />

sich die Verbandspolitiker mit den alltäglichen<br />

Widrigkeiten im besetzten Gebiet auseinandersetzen.<br />

Dazu gehörte die Bedrohung<br />

des Wildviehbestandes durch „rücksichtsloses<br />

Wildern der Offiziere und Soldaten“<br />

der Entente, das auch nach Inkrafttreten des<br />

21 Protokoll der Mitgliederversammlung des Rheinischen<br />

Unterverbandes vom 29.<strong>07</strong>.1921, in:<br />

Aktenbestand LKT <strong>NRW</strong>.<br />

22 Rundschreiben des Oberpräsidenten der Rheinprovinz<br />

zur Abgabe von Tieren zur Erfüllung<br />

des Friedensvertrages vom 24.12.1919, Schreiben<br />

des Geschäftsführers des Preußischen<br />

Landkreisverbandes, von Bredow an den Minister<br />

für Landwirtschaft, Domänen und Forsten<br />

vom 21.01.1920 (Zitate ebd.) und Protokoll<br />

der Mitgliederversammlung des Rheinischen<br />

Unterverbandes vom 25.02.1920, in: Aktenbestand<br />

LKT <strong>NRW</strong>. Henning, Friedrich-Wilhelm,<br />

Das industrialisierte Deutschland 1914-1990,<br />

1991, S. 54f., 72ff.<br />

295

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!