Eildienst 09/07 - Landkreistag NRW
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keinen Handlungsspielraum mehr. Dem psychischen<br />
Druck und der Drohung der Nationalsozialisten,<br />
die Verbände würden auch<br />
ohne Einwilligung aufgelöst, hielten die Verbandspolitiker<br />
nicht stand.<br />
Mit ihrer Unterschrift stimmten sie der Auflösung<br />
der Verbände zu:<br />
„Ich [...] habe davon Kenntnis erhalten, dass<br />
die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
künftig nur noch den 'Deutschen<br />
Gemeindetag' und seine Landesverbände als<br />
alleinige korporative Vertretung der deutschen<br />
Gemeinden und Gemeindeverbände<br />
anerkennen wird. Ich [...] verpflichte mich,<br />
unwiderruflich und bedingungslos für mich<br />
und den von mir geführten Verband in der<br />
vom Führer des 'Deutschen Gemeindetages'<br />
gewünschten Form unverzüglich alles<br />
zu veranlassen, um meinen Verband, sei es<br />
korporativ oder nach Auflösung desselben,<br />
dem „Deutschen Gemeindetag“ zu überführen.“<br />
Das formelle Ende des Deutschen und Preußischen<br />
<strong>Landkreistag</strong>es einschließlich seiner<br />
provinziellen Unterverbände folgte im<br />
Dezember 1933. Mit dem „Gesetz über den<br />
Deutschen Gemeindetag“ vom 15. Dezember<br />
1933 wurden der Deutsche <strong>Landkreistag</strong><br />
sowie alle anderen bestehenden Spitzenverbände<br />
einschließlich ihrer Unterverbände<br />
aufgelöst. Alleiniger Rechtsnachfolger wurde<br />
der neu gegründete Deutsche Gemeindetag,<br />
in dem zwangsweise alle Gemeinden<br />
und Gemeindeverbände des Reichs zusammengeschlossen<br />
wurden. 81<br />
Schluss<br />
Nach der Gründung des ersten provinziellen<br />
Unterverbandes des Preußischen <strong>Landkreistag</strong>s,<br />
des rheinischen Unterverbandes<br />
im November 1919, benötigten die rheinischen<br />
Landräte nur eineinhalb Jahre, um den<br />
Gesamtverband restlos von der Idee und positiven<br />
Bedeutung regionaler Unterverbände<br />
zu überzeugen.<br />
Im Herbst 1919 hatte der Vorstand des Gesamtverbandes<br />
der Gründung nur aufgrund<br />
der besonders schwierigen Lage im besetz-<br />
Schwerpunkt: 60 Jahre <strong>Landkreistag</strong> <strong>NRW</strong> 1947 – 20<strong>07</strong><br />
ten Rheinland zugestimmt. Soweit wie möglich<br />
wollte die Verbandsführung in Berlin am<br />
zentralistischen Aufbau und der unmittelbaren<br />
Mitgliedschaft aller Landkreise festhalten.<br />
Im Frühjahr 1921 war davon nicht mehr<br />
die Rede. Gesamtverbandsgeschäftsführer<br />
von Bredow betrachtete die provinziellen<br />
Unterverbände nun als Notwendigkeit vor<br />
Ort und wichtige Unterstützung der Arbeit<br />
des Gesamtverbandes:<br />
„dass es sich gezeigt habe, dass die Tätigkeit<br />
des Unterverbandes sich auch für den<br />
Hauptverband der preußischen Landkreise<br />
in Berlin nutzbringend erwiesen habe. (...)<br />
Auch die Entwicklung des Rheinischen Unterverbandes<br />
habe sehr günstig auf den<br />
Hauptverband eingewirkt, da sich gezeigt<br />
habe, dass durch den Rheinischen Unterverband<br />
das Interesse der Kreise an dem<br />
Hauptverband gestärkt worden sei; der Verband<br />
der Preußischen Landkreise habe gegen<br />
die Gründung von Unterverbänden auch in<br />
anderen Provinzen nichts einzuwenden.“ 82<br />
In der Tat haben beide Unterverbände – der<br />
Rheinische <strong>Landkreistag</strong> und die Westfälische<br />
Landkreisvereinigung – die Arbeit des<br />
Gesamtverbands stark beeinflusst, beispielsweise<br />
in der Frage der Beteiligung ehrenamtlicher<br />
Kommunalpolitiker oder der Entscheidung<br />
für die Kompetenz-Kompetenz<br />
der Landkreise.<br />
Die ländlichen Kommunalverbände des Freistaats<br />
Lippe engagierten sich – sofort nach<br />
dessen Gründung – im Deutschen <strong>Landkreistag</strong>;<br />
eine wirklich einflussreiche Mitarbeit<br />
wurde allerdings durch die mehrfachen<br />
Verwaltungsreformen im Freistaat, die auch<br />
die personelle Kontinuität beeinträchtigten,<br />
erschwert.<br />
Auch vor Ort gab es viel zu tun, viele Herausforderungen<br />
zu meistern: Kriegsfolgen<br />
wie das Aufbringen von Reparationsleistun-<br />
gen, die Besetzung des Rheinlandes und des<br />
Ruhrgebiets, Inflation, kommunale Neugliederung,<br />
Weltwirtschaftskrise und eine Reihe<br />
weiterer Aufgaben mehr.<br />
Die Arbeitsweise in Westfalen, in der Rheinprovinz<br />
und in Lippe war sehr unterschiedlich,<br />
gemeinsam aber war allen Verbandspolitikern<br />
der Wunsch nach gemeinsamer<br />
Interessenvertretung und das große Engagement<br />
für „ihre Landkreise und die kreisansässige<br />
Bevölkerung“.<br />
Verzeichnis der unveröffentlichten,<br />
ungedruckten Quellen:<br />
Bundesarchiv, Berlin (BArch)<br />
NSDAP Ortskartei (3200)<br />
Geheimes Staatsarchiv Preußischer<br />
Kulturbesitz, Berlin (GStA PK)<br />
Preußisches Innenministerium<br />
(I. HA , Rep. 77)<br />
Preußisches Staatsministerium<br />
(I. HA , Rep. 90)<br />
Historisches Archiv der<br />
Stadt Köln (HAStK)<br />
Kommunalpolitische Vereinigung der<br />
deutschen Zentrumspartei (Best. 1111)<br />
Kommunalarchiv Minden (KommA Minden)<br />
Kreisausschuss Lübbecke:<br />
Preußischer <strong>Landkreistag</strong><br />
Landesarchiv Berlin (LAB)<br />
Deutscher und Preußischer<br />
Landgemeindetag (B Rep. 142-05)<br />
Landeshauptarchiv Koblenz<br />
(LHA Koblenz)<br />
Landratsamt Simmern (Best. 491)<br />
Nordrhein-Westfälisches<br />
Hauptstaatsarchiv, Düsseldorf (HStAD)<br />
RW 15, A 1<br />
<strong>Landkreistag</strong> Nordrhein-Westfalen<br />
(LKT <strong>NRW</strong>)<br />
Aktenbestand des Rheinischen<br />
Unterverbandes<br />
Über die Autorin:<br />
Susanne Kitschun, geboren am 12.08.1968, studierte Geschichte im Rheinland, promovierte<br />
über den Deutschen und Preußischen <strong>Landkreistag</strong> und die Interessenvertretung<br />
der Landkreise zwischen Erstem Weltkrieg und Drittem Reich, sie arbeitet als freie Historikerin<br />
und Politologin und ist seit Dezember 2006 Mitglied des Abgeordnetenhauses<br />
von Berlin.<br />
EILDIENST LKT <strong>NRW</strong><br />
Nr. 9/September 20<strong>07</strong> 00.10.01<br />
3<strong>09</strong>