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Eildienst 09/07 - Landkreistag NRW

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Nach dem Wechsel des Vorsitzenden wurde<br />

im Frühjahr 1928 ein Vorstand gebildet.<br />

An der mächtigen Stellung des Vorsitzenden<br />

änderte das nichts. Der neue Vorsitzende,<br />

Kurt von Borries (Landkreis Lübbecke),<br />

wollte der Schaffung des Vorstands die Außenwirkung<br />

des Verbandes verbessern. Ziel<br />

war es,„in dringenden Fragen“ zwischen den<br />

Vollversammlungen der Landräte Erklärungen<br />

mit „einer stärkere Autorität als der des<br />

Vorsitzenden allein“ abgeben zu können.<br />

Keinesfalls wollte von Borries ein Zwischenglied<br />

zwischen Vorsitzenden und Vollversammlungen<br />

installieren, dass den„Gang der<br />

Geschäfte ohne zwingenden Anlass übermäßig<br />

erschwert.“<br />

Die Landräte folgten ihrem Vorsitzenden<br />

und beschlossen, dass die gewählten Funktionäre<br />

des Preußischen <strong>Landkreistag</strong>es aus<br />

Westfalen den Vorstand der Westfälischen<br />

Landkreisvereinigung bilden. „Dessen Heranziehung<br />

zu den Geschäften der Vereinigung“<br />

wurde „dem Ermessen des Vorsitzenden<br />

überlassen“ 28 .<br />

Fachlicher Austausch,<br />

Protest & Geselligkeit:<br />

Die Verbandsarbeit<br />

in Westfalen<br />

„Sämtliche Kreisausschuss-Vorsitzende der<br />

Provinz Westfalen erklären es für notwendig,<br />

dass den Gemeinden und Gemeindeverbänden<br />

alsbald zur Aufrechterhaltung<br />

der kommunalen Wirtschaft Vorschüsse auf<br />

die ihnen zustehenden garantierten Anteile<br />

an der Reichseinkommenssteuer ausgezahlt<br />

werden“, so die Entschließung der westfälischen<br />

Landräte an den Preußischen Minister<br />

des Innern vom Mai 192029 .<br />

Nicht nur in der Organisationsform, auch in<br />

der praktischen Arbeit gab es große Unterschiede<br />

zwischen dem Rheinischen Unterverband<br />

und den westfälischen Landratskonferenzen.<br />

Deutlich mehr als im Rheinland waren die<br />

westfälischen Landratskonferenzen auch<br />

gesellige Zusammenkünfte, bei denen die<br />

Herren gemeinsam in schönem Ambiente –<br />

häufig auch mit Damen – speisten und Sehenswürdigkeiten<br />

der Provinz besichtigt<br />

wurden. Im Herbst 1920 lud beispielsweise<br />

der gastgebende Landrat von Altena, Dr.<br />

Thomée die Kollegen zu sich nach Hause<br />

ein:<br />

„Gegen 2 Uhr gemeinsames Mittagessen<br />

auf der Burg Altena. Nach dem Essen, Besichtigung<br />

der Burg. Sollten die Herren an<br />

einer Besichtigung meiner Kunstsammlung<br />

Interesse haben, so würden meine Frau und<br />

ich uns freuen, sie zu einer Tasse Kaffee in<br />

meinem Hause begrüßen zu dürfen“. 30<br />

Schwerpunkt: 60 Jahre <strong>Landkreistag</strong> <strong>NRW</strong> 1947 – 20<strong>07</strong><br />

Auch die Arbeitsweise und das Selbstverständnis<br />

der Westfälischen Landratsvereinigung<br />

unterschieden sich wesentlich von<br />

der des Rheinischen Unterverbandes: Die<br />

rheinischen Verbandspolitiker beschränkten<br />

sich wie dargestellt auf die Interessenvertre -<br />

tung im besetzten Gebiet und richteten bei<br />

landes- und reichspolitischen Themen Anregungen<br />

an den Gesamtverband in Berlin.<br />

Ganz anders ihre westfälischen Kollegen.<br />

Nahezu auf jeder Landratskonferenz wurde<br />

eine Entschließung oder Resolution zu<br />

einem landes- oder reichspolitischen Thema<br />

verabschiedet, die sich direkt an einen<br />

preußischen Minister richtete. Zuweilen –<br />

keineswegs immer – wurden diese Resolutionen<br />

der Geschäftsstelle des Preußischen<br />

Landkreisverbandes zur Kenntnis gegeben.<br />

Eine Arbeitsweise, die eindeutig im Widerspruch<br />

zur Satzung des Gesamtverbandes<br />

stand.In der Satzung desVerbandes der Preußischen<br />

Landkreise wurden die provinziellen<br />

Unterverbände seit der großen Satzungsreform<br />

von 1922 zwar erwähnt, gleichzeitig<br />

wurde ihnen aber ein klar begrenztes Aufgabengebiet<br />

zugewiesen:<br />

„Die Unterverbände vertreten im Rahmen<br />

der vom Verband der Preußischen Landkreise<br />

verfolgten Bestrebungen ihre besonderen<br />

Interessen bei den Provinzialbehörden<br />

und der Provinzialverwaltung selbständig.Anregungen<br />

und Anträge, welche den<br />

Gesamtverband oder die Angelegenheiten<br />

der Kreise im allgemeinen betreffen, besonders,<br />

wenn sie den Zentralbehörden vorzulegen<br />

sind, werden an die Geschäftsstelle<br />

des Verbandes der Preußischen Landkreise<br />

geleitet“. 31<br />

Die meisten Resolutionen der westfälischen<br />

Landräte richteten sich nicht nur an Zentralbehörden,<br />

sie betrafen auch Problemlagen,<br />

die für alle preußischen Kreise von zentraler<br />

Bedeutung waren. Ob die Berliner Verbandsführung<br />

versucht hat, die westfälischen<br />

Landräte zu mehr Zurückhaltung und engerer<br />

Zusammenarbeit zu bewegen, geht<br />

aus den überlieferten Quellen nicht hervor.<br />

Ein wichtiges Thema auf den Vollversammlungen<br />

der westfälischen Landräte war die<br />

schwierige finanzielle Situation der Landkreise.<br />

Die Erzbergersche Finanzreform hatte<br />

die Einnahmesituation des Reiches auf<br />

Kosten der Länder und Kommunen gestärkt.<br />

Die Kommunen wurden in ihren Finanzquellen<br />

stark beschränkt und abhängiger<br />

vom Staat. Sie verloren ihr Recht zur<br />

selbständigen Erhebung von Zuschlägen zur<br />

Einkommenssteuer. Stattdessen wurden ihnen<br />

vom Staat Anteile an der Einkommensund<br />

Körperschafts- und Umsatzsteuer zugewiesen,<br />

die die Finanzprobleme der Kommunen<br />

aber nicht beheben konnten. Der<br />

Anteil der Kommunen an den Staatseinnah-<br />

men sank infolge der Finanzreform von 40<br />

auf 38 Prozent, der des Reiches stieg von<br />

30 auf 39 Prozent.<br />

Die kommunalen Haushalte waren aufgrund<br />

der Zuständigkeit für die Fürsorge von der<br />

Verarmung weiter Teile der Bevölkerung<br />

durch Krieg und Inflation besonders betroffen.<br />

Erschwerend kam hinzu, dass das neue<br />

Steuersystem in der Weimarer Republik ein<br />

Provisorium blieb. Zeitweilig klafften riesige<br />

Lücken zwischen den Finanzzuweisungen<br />

und den wachsenden Ausgaben der Kommunen.<br />

Und auch bei der Auszahlung der<br />

garantierten Zuweisungen haperte es. 32<br />

„Trotzdem das Rechnungsjahr 1920 bereits<br />

längst abgelaufen ist, und die Kreise<br />

und Gemeinden sich infolge der steigenden<br />

Mehraufwendungen auf allen Gebieten<br />

des öffentlichen Lebens in einer drückenden<br />

finanziellen Notlage befinden, ist<br />

bisher erst ein Viertel des gewährleisteten<br />

Betrages zur Auszahlung gelangt.“<br />

Das bemängelten die westfälischen Landräte<br />

bei einer Vollversammlung im Mai 1921<br />

und forderten in einer Resolution gleich zwei<br />

Preußische Minister, den Innen- und den Fi -<br />

nanzminister, zur sofortigen Auszahlung der<br />

restlichen Gelder auf. Der Oberpräsident<br />

und die Regierungspräsidenten in Westfalen<br />

wurden auch in Kenntnis gesetzt und<br />

gebeten, alles für eine schnelle Weiterleitung<br />

der Gelder vorzubereiten. Die Resolution<br />

schloss mit einem Appell an die Verantwortung<br />

des Staates:<br />

„Es ist die Pflicht des Staates, die nachgeordneten<br />

Kommunalverbände lebensfähig<br />

zu erhalten und ihnen zu diesem Zwecke<br />

eine ordnungsmäßige Finanzgebahrung zu<br />

ermöglichen.“ 33<br />

28 Protokoll der Vollversammlung der Kreisausschussvorsitzenden<br />

vom 27.03.1928, in: KommA<br />

Minden, Kreisausschuss Lübbecke, 2551.<br />

29 Protokoll der Landratskonferenz vom 28.05.<br />

1920, in: KommA Minden, Kreisausschuss Lübbecke,<br />

2618.<br />

30 Schreiben von Landrat Thomée an die westfälischen<br />

Landräte vom 24.<strong>09</strong>.1920, in: KommA<br />

Minden, Kreisausschuss Lübbecke, 2618.<br />

31 § 17.1 der Satzung des Verbandes der Preußischen<br />

Landkreise, in: LAB B, Rep. 142-04, 749.<br />

32 Saldern, Adelheid von, Rückblicke, zur Geschichte<br />

der kommunalen Selbstverwaltung in<br />

Deutschland, in: Wollmann, Hellmut/Roth, Roland<br />

(Hg.), Kommunalpolitik,1998, S.33; Winkler,<br />

Heinrich August, Weimar 1918-1933, 1994,<br />

1<strong>09</strong>f.; Henning, Das industrialisierte Deutschland,<br />

S. 62f.; Leidinger, Adalbert, Die Finanzwirtschaft<br />

der Kreise, in: Hundert Jahre Kreisordnung<br />

in Nordrhein-Westfalen, hg. vom <strong>Landkreistag</strong><br />

Nordrhein-Westfalen, 1988, S. 221ff.<br />

33 Protokoll der Landratskonferenz vom 19.5.<br />

1921, in: KommA Minden, Kreisausschuss Lübbecke,<br />

2618.<br />

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