Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für - BStU - Bund.de
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8. Motivation<br />
65<br />
Eine Rekonstruktion <strong>de</strong>r Motivationslagen von <strong>Mitarbeiter</strong>n <strong>de</strong>r Staatssicherheit ist schwierig,<br />
zumal Motive innere Geisteshaltungen sind, die sich kaum objektivierbar festhalten o<strong>de</strong>r gar in<br />
<strong>de</strong>r rückblicken<strong>de</strong>n Betrachtung rekonstruieren lassen. Noch dazu ist die Forschung fast aus-<br />
schließlich auf Erinnerungen <strong>de</strong>r <strong>Mitarbeiter</strong> angewiesen, die naturgemäß <strong>de</strong>r bewußten und<br />
unbewußten Umwertung zurückliegen<strong>de</strong>r Vorgänge unterliegen. An<strong>de</strong>re Quellen wie zum Beispiel<br />
MfS-interne zeitgenössische Untersuchungen bieten ein gewisses Korrektiv, sind aber<br />
selber hochgradig i<strong>de</strong>ologisch <strong>de</strong>terminiert und verstärken zuweilen noch das Verzerrungspotential,<br />
etwa hinsichtlich <strong>de</strong>r Betonung "hoher I<strong>de</strong>ale" gegenüber privaten, pragmatischen<br />
Handlungsantrieben. <strong>Die</strong>se Vorbehalte sind bei <strong>de</strong>r Skizzierung <strong>de</strong>r Motivlage <strong>de</strong>r <strong>Mitarbeiter</strong><br />
<strong>für</strong> ihren <strong>Die</strong>nst bei <strong>de</strong>r Staatssicherheit nicht außer acht zu lassen.<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung, als hauptamtlicher <strong>Mitarbeiter</strong> in <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nst <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Ministeriums</strong> <strong>für</strong> Staatssicherheit<br />
zu treten, implizierte eine in <strong>de</strong>r Regel lebenslange Bindung an das "Organ". Den<br />
Motiven bei dieser Berufswahl, aber auch <strong>de</strong>r Motivation im späteren <strong>Die</strong>nst kam daher zentrale<br />
Be<strong>de</strong>utung zu. Wie bei je<strong>de</strong>r zentralen Lebensentscheidung war es ein Bün<strong>de</strong>l unterschiedlicher<br />
Faktoren, das <strong>de</strong>n Ausschlag zum Eintritt in die Reihen <strong><strong>de</strong>s</strong> MfS gab: Interessen, Gefühle,<br />
Einstellungen, darunter im gesellschaftlichen Leben hoch angesehene Motive, aber auch<br />
ganz private. <strong>Die</strong> Theoretiker <strong>de</strong>r Juristischen Hochschule folgerten:<br />
"Bei <strong>de</strong>r Feststellung und Beurteilung von Motiven operativ-interessanter Verhaltensweisen<br />
ist immer <strong>de</strong>r Komplexcharakter (Motivationsgefüge, 'Motivationsbün<strong>de</strong>l', Motivkomplexe)<br />
zu beachten, <strong>de</strong>r im Verflochtensein und gleichzeitigem Aufeinan<strong>de</strong>rwirken<br />
verschie<strong>de</strong>ner, z.T. gegensätzlicher Motive im Prozeß <strong>de</strong>r Entstehung einer Handlung<br />
besteht. Das Entwickeln und Festigen gesellschaftlich be<strong>de</strong>utsamer und <strong>de</strong>r Lösung politisch-operativer<br />
Aufgaben dienen<strong>de</strong>r Motive ist ständiger Bestandteil <strong>de</strong>r klassenmäßigen<br />
Erziehung <strong>de</strong>r Angehörigen <strong><strong>de</strong>s</strong> MfS." 193<br />
Im Zentrum dieser Erziehung, die schon mit <strong>de</strong>r Auswahl und Anwerbung von Kandidaten <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n <strong>hauptamtlichen</strong> <strong>Die</strong>nst einsetzte, stand die Herausbildung <strong><strong>de</strong>s</strong> "sozialistischen Wehrmotivs",<br />
also <strong>de</strong>r "Gesamtheit <strong>de</strong>r politisch-moralischen Beweggrün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Willens <strong>de</strong>r Bürger <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
sozialistischen Staates, ihren persönlichen Beitrag zur Vervollkommnung <strong>de</strong>r Lan<strong><strong>de</strong>s</strong>verteidigung<br />
zu leisten [...]". Es beinhaltete verschie<strong>de</strong>ne Elemente wie die Überzeugung von <strong>de</strong>r<br />
Verteidigungswürdigkeit und historischen Überlegenheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Sozialismus, <strong>de</strong>r Gesetzmäßigkeit<br />
seines Sieges, <strong>de</strong>r Freundschaft mit <strong>de</strong>r Sowjetunion und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren sozialistischen Län<strong>de</strong>rn,<br />
aber auch <strong>de</strong>m "Haß auf die Fein<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Sozialismus". 194<br />
193 JHS: Wörterbuch <strong>für</strong> die politisch-operative Arbeit, Potsdam 1969; <strong>BStU</strong>, ZA, JHS GVS 300/69, S. 178-179.<br />
In <strong>de</strong>r vom <strong>BStU</strong> veröffentlichten zweiten Auflage ist das Stichwort nicht mehr enthalten.<br />
194 Kleines Politisches Wörterbuch, 3. überarb. Aufl. Berlin [Ost] 1978, S. 839.