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Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für - BStU - Bund.de

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Aus <strong>de</strong>n zunehmen<strong>de</strong>n Differenzen zwischen <strong>de</strong>r SED und <strong>de</strong>r zuvor immer als Vorbild ge-<br />

priesenen sowjetischen Führung, jetzt unter Gorbatschow, resultierte zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verlust einer<br />

einheitlichen i<strong>de</strong>ologischen Linie, an die sich die <strong>Mitarbeiter</strong> im Zweifel hätten halten können.<br />

Mit <strong>de</strong>m Ausschei<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>s</strong> stellvertreten<strong>de</strong>n Ministers Generaloberst Markus Wolf 1986 und<br />

seiner darauf folgen<strong>de</strong>n öffentlichen Profilierung als gorbatschowistischer Schriftsteller personalisierten<br />

sich diese Differenzen sogar in <strong>de</strong>r MfS-Führung. 259 <strong>Die</strong> Berichterstattung aus <strong>de</strong>n<br />

Versammlungen <strong>de</strong>r Partei- und Grundorganisationen <strong>de</strong>r SED zeigt, daß die Bereitschaft, Kritik<br />

zu äußern, im Jahre 1989 trotz drohen<strong>de</strong>r Parteiverfahren recht groß war. So wur<strong>de</strong>n die<br />

Versorgungslage, die ungleichen Zugangsmöglichkeiten zu Devisen, die unrealistischen Berichte<br />

<strong>de</strong>r DDR-Medien u.ä. moniert und an einigen Punkten auch Ursachenforschung im<br />

DDR-System sowie "etwas mehr Umgestaltung" angemahnt. 260 In einer FDJ-Wahlversammlung<br />

an <strong>de</strong>r Hochschule <strong><strong>de</strong>s</strong> MfS machte sich das dortige "Lie<strong>de</strong>rtheater" unter "starkem Beifall"<br />

<strong>de</strong>r Versammlung über das - auch von Wolf in einem Interview <strong><strong>de</strong>s</strong> Westfernsehens kritisierte<br />

- Verbot <strong>de</strong>r sowjetischen Zeitschrift "Sputnik" in <strong>de</strong>r DDR lustig. 261<strong>Die</strong> latente Unruhe<br />

wur<strong>de</strong> manifest, als in <strong>de</strong>n Wochen nach <strong>de</strong>m 7. Oktober die Parteiführung vor einer<br />

gewaltsamen Nie<strong>de</strong>rschlagung von Demonstrationen und Protesten zurückschreckte und <strong>de</strong>r<br />

neue SED-Generalsekretär Egon Krenz eine Politik <strong><strong>de</strong>s</strong> "Dialogs" und <strong>de</strong>r "Wen<strong>de</strong>"<br />

proklamierte. <strong>Die</strong>ser Kurswechsel verurteilte das MfS zu zähneknirschen<strong>de</strong>r Passivität, außer<strong>de</strong>m<br />

gelang es <strong>de</strong>r SED unter <strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong>n Bürgerbewegung nicht mehr, eine<br />

gültige Parteilinie neu zu formulieren - schon gar nicht, was die Staatssicherheit betraf. Mit<br />

<strong>de</strong>m Verbot <strong><strong>de</strong>s</strong> Schußwaffengebrauchs gegen Demonstranten und <strong>de</strong>n ersten Anordnungen zur<br />

Vernichtung von dienstlichen Materialien wur<strong>de</strong>n die MfS-<strong>Mitarbeiter</strong> in eine Defensivposition<br />

gerückt, die in tiefem Gegensatz zu <strong>de</strong>r vom Minister zuvor verkün<strong>de</strong>ten tschekistischen<br />

Kampfbereitschaft stand. 262 In einem am 2. November verbreiteten Brief an alle <strong>Mitarbeiter</strong><br />

blieb Mielke nichts übrig, als ihnen in tiefer Ratlosigkeit <strong>für</strong> ihre "standhafte Haltung und verantwortungsvolle<br />

Pflichterfüllung in diesen schweren Tagen" und ihre Selbstbeherrschung angesichts<br />

von "ständig zunehmen<strong>de</strong>n Verleumdungen, Diskriminierungen und Beleidigungen bis<br />

hin zu Gewaltandrohungen gegen <strong>Die</strong>nststellen und Angehörige, gegen Euch, in Einzelfällen<br />

gegen Eure Familien und selbst gegen Eure Kin<strong>de</strong>r" zu danken. Er und alle MfS-<strong>Mitarbeiter</strong><br />

wür<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>n neuen Anfor<strong>de</strong>rungen aus <strong>de</strong>r "Politik <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>" stellen und die<br />

259 Ob die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> das Ausschei<strong>de</strong>n Wolfs tatsächlich in seinen politischen Differenzen bzw. Ambitionen<br />

lagen, kann hier nicht behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n; vgl. Markus Wolf: <strong>Die</strong> Troika, Berlin/Weimar 1989; <strong>de</strong>rs.: Im eigenen<br />

Auftrag, München 1991; vgl. Süß: Entmachtung, S. 30-32, beson<strong>de</strong>rs Anm. 99.<br />

260 Zur Auflösungsgeschichte <strong><strong>de</strong>s</strong> MfS vgl. die Darstellung bei Süß, auf die hier Bezug genommen wird; Süß:<br />

Entmachtung, hier S. 16-17. Zum DDR-Kontext vgl. Konrad Jarausch: <strong>Die</strong> unverhoffte Einheit 1989-1990,<br />

Frankfurt/M. 1995.<br />

261 <strong>Die</strong> Verantwortlichen wur<strong>de</strong>n da<strong>für</strong> ausdrücklich nicht gemaßregelt, son<strong>de</strong>rn sollten durch politisch-i<strong>de</strong>ologische<br />

"Stählung und Erziehung" von <strong>de</strong>r Verwerflichkeit ihres Tuns überzeugt wer<strong>de</strong>n; Parteikontrollkommission<br />

<strong>de</strong>r Parteiorganisation im MfS vom 28.12.1988, Bericht zum unparteilichen Verhalten von<br />

Parteimitglie<strong>de</strong>rn im Rahmen ihrer Tätigkeit in <strong>de</strong>r Singebewegung und im dritten Offiziersschülerlehrgang<br />

<strong>de</strong>r Hochschule <strong><strong>de</strong>s</strong> MfS; <strong>BStU</strong>, ZA, KL SED 493, unerschlossenes Material.<br />

262 Süß: Entmachtung, S. 8-10.

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