Wie plural ist normal? - Landesjugendring NRW e.V.

Um einer nötigen Vorsicht oder gar Kritik gegenüber „Modethemen“ gerecht zu werden,
ist es m.E. jedoch wichtig zu fragen, ob die interkulturelle Öffnung sozialer Dienste
überhaupt zurecht immer häufiger in den Focus der Öffentlichkeit gerät und inzwischen
sogar als neues Zauberwort gehandelt wird. Meine These ist hingegen, dass die
Jugendverbandsarbeit nicht nur eine interkulturelle, sondern vor allem eine soziale
Öffnung, d.h. eine soziale Öffnung für Jugendliche der Unterschicht benötigt.
Um diese These zu entfalten, sei zunächst ein Blick auf die Entwicklung moderner
Gesellschaften, die Bedeutung von Lebenslagen und Lebensstilen, die konkreten Lebenslagen
und Lebensstile Jugendlicher und anschließend auf die Einbettung der Jugendverbandsarbeit
in das gesellschaftliche Gefüge gestattet.
Die Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften
Die Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften meint, dass sich innerhalb des
Schichtengefüges moderner Gesellschaften immer neue Bereiche und Facetten
ausbilden, d.h. das Schichtengefüge wird feingliedriger. Man spricht nicht mehr
nur von der Ober-, Mittel- und der Unterschicht, sondern innerhalb der einzelnen
Schichten finden wir Nuancen und Ausdifferenzierungen. Die Ergebnisse der
Sozialstrukturforschung, deren Funktion u.a. darin besteht, die Entwicklung des
Schichtengefüges zu analysieren, verdeutlichen zudem, dass die soziale Mobilität
der Menschen zugenommen hat (vgl. Geißler 2006, auf europäischer Ebene: Mau/
Verwiebe 2009). Die Zunahme der Mobilität gilt zudem nicht nur für das Schichtengefüge,
sondern auch für das Milieugefüge. Auch hier bilden sich innerhalb
der sozialen Milieus neue Facetten heraus, das Milieugefüge wird ebenfalls feingliedriger
und differenzierter. Resümierend betrachtet, gibt es sowohl innerhalb
des Schichten- als auch innerhalb des Milieugefüges mehr Durchlässigkeit und
Wechselmöglichkeiten.
Die Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften ist eine Folge zunehmender Globalisierung,
Individualisierung und Pluralisierung. Die Globalisierung kann man unterteilen
in einen:
• ökonomischen Bereich, der gekennzeichnet ist durch die Zirkulation von Waren
und Dienstleistungen, neue Währungen, Rationalisierung von Produktionsprozessen
und Verlagerung von Arbeitsplätzen etc.,
• einen politischen Aspekt, der sich durch neue Grenzziehungen der Europäischen Union
oder durch neue Körperschaften wie die UNO, die OECD etc. verdeutlicht,
• einen kulturellen Bereich, der vor allem die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien
beinhaltet, und
• einen sozialen Aspekt, der die neuen Beziehungsformen, die von der Nachbarschaft
bis hin zu globalen Internetkontakten reichen, einschließt.
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