Download als PDF - Sozialplattform Oberösterreich
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Generationen und Armut – Oder: Älter werden ist natürlich, Armut<br />
auch?<br />
26<br />
Besonders wichtig ist mir, dass unser Bild von Armut für die Schlussfolgerungen, die wir<br />
daraus ziehen, entscheidend ist. Ich versuche das zuzuspitzen und will behaupten, Armut<br />
existiert gar nicht. Jedenfalls nicht ohne eine normative Vorstellung von sozialem Zusammenhalt.<br />
Nichts anderes hat Georg Simmel in seiner soziologischen Definition von Armut<br />
gemeint, <strong>als</strong> dass der Arme erst dann zum Armen wird, wenn man ihm Unterstützung zubilligt.<br />
Armut bzw. die Anerkennung von Bedürftigkeit ist deshalb auch in einem positiven<br />
Sinne ein Spiegel von Solidarität. Ich darf daran erinnern, dass der Begriff der Armut weder<br />
beim ehem. deutschen Bundeskanzler Kohl noch bei Margret Thatcher oder Ronald Reagan<br />
gebraucht wurde. Problemleugnung ist die effektivste Art der Armutsbekämpfung. Im Übrigen<br />
ist Armutsbekämpfung ein Begriff, den ich vehement ablehne.<br />
Matthias Till - bis 2001 Studium am Institut<br />
für Soziologie der Universität Wien<br />
und dort Lehrbeauftragter. Seit 1998 in<br />
der nationalen und europäischen Armuts-<br />
und Sozialberichterstattung tätig. Insbesondere<br />
war er bereits an der Durchführung<br />
des Europäischen Haushaltspanels<br />
(ECHP 1995-2001) in Österreich beteiligt<br />
und ist heute bei Statistik Austria Projektleiter<br />
für EU-SILC. Seit Herbst 2008<br />
leitet er den Analysebereich der Direktion<br />
Bevölkerung. Ausgewählte Publikationen<br />
zum Thema:<br />
Armut und soziale Eingliederung in Österreich,<br />
Sozialbericht 2008, BMSK, erschienen<br />
2008.<br />
Armutslagen in Wien, Institut für Soziologie,<br />
Universität Wien, 2006 (<strong>als</strong> Herausgeber).<br />
Einkommen, Armut und soziale Ausgrenzung:<br />
Zweiter Bericht, Eurostat, 2002<br />
Mag. Matthias Till<br />
Bild und Begriff der Armut sind im Wandel<br />
Mittelalter<br />
Armut trifft Alte und Schwache<br />
Neuzeit<br />
Armut trifft auch Kinder<br />
Armut betrifft alle !<br />
22.10.2008 3<br />
S T A T I S T I K A U S T R I A<br />
arbeitslos - krank - alt - drei Wege in die Armut Enquete des Armutsnetzwerks OÖ, 22. 10. 2008<br />
n i c h t<br />
a r m u t s g e f ä h r d e t<br />
1 3 %<br />
a r m u t s g e f ä h r d e t<br />
Das Bild der Armut war im Mittelalter geprägt vom Klischee<br />
des armen und alten Mannes, der in der Gestalt des Pauperitas<br />
personifiziert wurde. Massenarmut trat im Zuge von Hungersnöten,<br />
Kriegen und schließlich in Folge der Unberechenbarkeit<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung in der Industrialisierung in<br />
das Bewusstsein der Menschen. Es waren dabei immer wieder<br />
die Kinder, die in den Mittelpunkt des Interesses von Wohltätigkeitsorganisationen<br />
rückten. Das Bild von Siechtum und<br />
schwerer Altersarmut und hungernden Kindern ist heute in<br />
Europa selten geworden.