Jakob Kindinger
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Die politische Duldsamkeit endet dort, wo der Revolutionär versucht, seine Mitwelt zu vergewaltigen.<br />
Wer als Beamter, Angestellter oder Arbeiter sich an diesen umstürzlerischen Bestrebungen beteiligt,<br />
macht sich einer schweren Pflichtverletzung schuldig.<br />
Der Kläger ist nach seinen Angaben Mitglied der KPD, der VVN und der Vereinigung der Sowjetfreunde.<br />
Er trägt heute noch mit Stolz das Sowjetabzeichen. Die staatsfeindliche Tätigkeit der KPD wurde<br />
vorstehend in großen Zügen dargelegt. Die VVN und die Vereinigung der Sowjetfreunde gehören zu<br />
den kommunistischen Tarnorganisationen, deren Unterstützung mit den Dienstpflichten eines<br />
öffentlichen Bediensteten unvereinbar sind. […]<br />
Der Kläger ist nicht nur nominelles Mitglied dieser Organisationen, sondern ist in ihnen an führender<br />
Stelle aktiv tätig. Als städt. Angestellter ist er mehrmals in Versammlungen und Flugblättern, besonders<br />
in von ihm selbst einberufenen kommunistischen Versammlungen gegen die Stadtverwaltung und mich<br />
persönlich aufgetreten, in einer Weise, die die Achtung und das Vertrauen schwer erschütterten.<br />
[…] Inzwischen hat die KPD ihre Werbearbeit weiter betrieben und ihre Angriffe fortgesetzt. Die<br />
Friedenskundgebung, die auf Veranlassung der Bundesregierung vom 6.11.1949 stattfand, wurde durch<br />
das Verhalten des Klägers gesprengt. […]<br />
Der Kläger hat sich durch seine aktive Mitgliedschaft bei der KPD und zweier Tarnorganisationen einer<br />
groben Dienstverletzung schuldig gemacht und sein Verhalten gegenüber der Stadtverwaltung und mir,<br />
als seinem Dienstvorgesetzten, der Achtung und des Vertrauens unwürdig erwiesen. Herr <strong>Kindinger</strong><br />
droht immer damit, wir würden noch allerlei erleben, in 1-2 Jahren seien sie an der Macht." 242<br />
<strong>Kindinger</strong>s Prozessbevollmächtiger führte an, dass die Partei, der sein Mandant angehöre, nicht<br />
verboten und in den Parlamenten vertreten sei. Auch für die bevorstehende Landtagswahl 1952 seien<br />
ihr keinerlei Beschränkungen auferlegt worden. Die KPD habe die Hessische Verfassung mit gestalten<br />
helfen und bei der damaligen Volksabstimmung zur Bejahung aufgerufen. Man könne also nicht einfach<br />
davon ausgehen, die Zugehörigkeit <strong>Kindinger</strong>s zur KPD sei gleichbedeutend mit einer gegnerischen<br />
Einstellung zur Demokratie und aus diesem Grunde sei eine Entlassung aus wichtigem Grunde<br />
entsprechend dem Inhalt des §10 des Hessischen Betriebsrätegesetzes nicht gegeben. „Der Kläger<br />
gehört jahrelang dieser Partei an und bekleidet das Amt eines Stadtverordneten der Stadt Bensheim.<br />
Des weiteren ist er Vorsitzender des Betriebsrates der Stadt Bensheim und genießt als solcher den<br />
Kündigungsschutz nach § 29 des H.B.G." 243<br />
Heftige Proteste von ehemaligen Arbeitskollegen und Bürgern, nicht zuletzt aber der Beschluss bzw.<br />
Hinweis des Arbeitsgerichtes in Darmstadt trugen dazu bei, dass <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong> vier Monate später in<br />
seine Tätigkeit zurückzukehren konnte. 244 Diese Vorgänge spiegelten sich auch in der örtlichen<br />
Presseberichterstattung wieder:<br />
„Entlassung zurückgenommen.<br />
Bensheim. Straßenmeister und Betriebsratsvorsitzender <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong> und Flurschütz Georg<br />
Menges, die als Bedienstete der Stadt Bensheim wegen ihrer Zugehörigkeit zur KPD von Bürgermeister<br />
Treffert zum 1. November v.J. fristlos entlassen worden waren, haben am 12. Februar ihre Arbeit bei<br />
der Stadtverwaltung wieder aufgenommen, nachdem der Bürgermeister die Entlassung rückgängig<br />
gemacht hatte. Die Entlassungen, die Treffert letztes Jahr auf Anweisung der vorgesetzten Behörden<br />
ausgesprochen hatte, wurden s.Zt. auch vom Stadtrat gebilligt. In der Zwischenzeit hatten <strong>Kindinger</strong><br />
und Menges durch die Gewerkschaften Klage beim Arbeitsgericht erhoben. Die Verfahren wurden aber<br />
242 Archiv der Stadt Bensheim, Magistratsberichte.<br />
243 Archiv der Stadt Bensheim, Personalakte <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong>.<br />
244 In einem von Treffert als Vorsitzendem unterzeichneten Protokoll über die Sitzung der Verwaltungskonferenz vom 7.<br />
Februar 1951 wird die Sachlage wie folgt erläutert: „Das Ministerium habe aufgrund einer Rücksprache mit den<br />
Gewerkschaften seine Ansicht plötzlich geändert und vertrete jetzt die Auffassung, dass der Prozess für die Stadt Bensheim<br />
aussichtslos sei. […] Die Konferenz war einmütig der Auffassung, dass unter diesen Umständen ein gerichtlicher Austrag<br />
nicht erfolgen soll und <strong>Kindinger</strong> und Menges wieder einzustellen sind. […] Es wird beschlossen, K. bei seiner<br />
Wiedereinstellung eine andere geeignete Beschäftigung, evtl. beim Stadtbauamt, zuzuweisen.“ (Archiv der Stadt Bensheim,<br />
Magistratsberichte).<br />
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