Jakob Kindinger
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„Bensheim - Stadt der Blüten, des Weines und des Wohnungselends“ - das ist der Titel eines<br />
Flugblattes von <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong>, in dem er soziale Probleme der Stadt anprangert und mit der Politik<br />
der Bundesregierung und der KPD-Ideologie verbindet.<br />
Das Flugblatt umfasst zwei Seiten und ist mit zahlreichen Bildern illustriert. Bereits der Titel ist<br />
provozierend, spricht damit aber die gesamte Bevölkerung an:<br />
„Bensheim - Stadt der Blüten und des Weines“ ist bis heute ein verwendeter „Werbeslogan“ der Stadt,<br />
sowohl für die eigene Bevölkerung als auch für den Tourismus. Das „Bürgerbuch“ von 1995/96 hat den<br />
Slogan auf der Titelseite.<br />
<strong>Kindinger</strong> macht mit seinem Blatt die Bevölkerung darauf aufmerksam, dass es in Bensheim neben<br />
Blüten und Wein auch erhebliche soziale Probleme gebe, die nicht in die „schöne Welt“ des<br />
Werbespruchs passen und die kein Tourist zu Augen bekomme. Bensheim werde von allen Seiten als<br />
„Stadt der Blüten und des Weines“ bezeichnet, dulde aber, versteckt für das fremde Auge, diverse<br />
Schandflecken. Im Besonderen nennt er als solchen Schandfleck das so genannte „Marokko-Viertel“<br />
(Rheinstraße, Elbestraße). Dort wohnten die Leute in ausrangierten Viehwagen und baufälligen<br />
Baracken, mehrere Familien in kleinen Behausungen zusammen, ohne jede Wohnkultur, kurz: unter<br />
menschenunwürdigen Verhältnissen. Dies wird durch zahlreiche Fotos dokumentiert.<br />
<strong>Kindinger</strong> erhebt weiter den Vorwurf, diese Elendssiedlung bestehe schon seit mehr als dreißig Jahren.<br />
Daran sei aber immer noch nichts geändert worden und es bestehe auch weiterhin von Seiten der<br />
Verantwortlichen keine Absicht, die Situation zu verbessern. Die Siedlung sei bereits vor dem Zweiten<br />
Weltkrieg errichtet worden, die Weimarer Republik habe nichts geändert, das Dritte Reich schließlich<br />
das Geld für Waffen, Krieg und Vernichtung ausgegeben und dass genau dies jetzt auch wieder der Fall<br />
sei. In gewissen Kreisen sei die Erzeugung von Mordwaffen und die Tötung von Leben noch immer<br />
wichtiger als die Erhaltung des Lebens in menschenwürdiger Lebensqualität. Und hier springt <strong>Kindinger</strong><br />
aus der kommunalen Politik in die Politik der Bundesregierung und greift diese aus Sicht der KPD an.<br />
Das Flugblatt ist nicht datiert, müsste aber dem Inhalt nach in die Zeit der Wiederbewaffnungsdebatte,<br />
der Westintegration und des Nato-Beitritts der Bundesrepublik fallen. Auch das folgende Plakat greift<br />
die geschilderte Thematik auf:<br />
329 Archiv der Stadt Bensheim, Plakatsammlung.<br />
329<br />
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