Jakob Kindinger
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Das „Kleine Lager“ (Baracken) 187<br />
Im „Buchenwald-Report“ befindet sich ein Bericht, der zwar <strong>Jakob</strong> Rudniger, Worms zugeschrieben<br />
wird, aber höchstwahrscheinlich von <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong> stammt:<br />
„So sah es im Kleinen Lager aus.<br />
Ich bekam am 11.3.1944 den Auftrag, den Block 53 im Kleinen Lager zu übernehmen, da ein Transport<br />
Polen aus Auschwitz angekündigt worden war. Ich möchte erwähnen, daß die Blöcke im Kleinen Lager<br />
keine Wohnblöcke für Menschen waren, sondern Pferdeställe ohne Fenster. Ein Platz im Block, um die<br />
menschliche Notdurft zu verrichten, war nicht da. Die Anfangsbelegschaft betrug 450 Kameraden, die<br />
sich später auf 1000, 1400, ja 1800 Kameraden steigerte. Wasserleitung, Entwässerung sowie Bänke<br />
und Tische waren nicht vorhanden und wurden erst später in beschränktem Maße zugeteilt. In der Mitte<br />
des kleinen Lagers, das eine Ausdehnung von 15 Blöcken hatte, war ein Waschraum und ein Raum, um<br />
die Notdurft zu verrichten. Wenn wir bei Tag oder Nacht austreten wollten, mußten wir mitunter 300 m<br />
die aufgeweichten Plätze passieren.<br />
Wir machten der SS verschiedene Male den Vorschlag, daß es dringend notwendig sei, Wasserleitung,<br />
Entwässerung sowie einen Raum zu schaffen, in dem wir unsere Notdurft verrichten können. Die SS-<br />
Lagerführung lehnte aber unser Ersuchen jedesmal ab. Decken für die Kameraden, Handtücher und<br />
Seife gab es zu Anfang nur sehr beschränkt, später überhaupt nicht mehr. Wenn wir einmal 50 oder 100<br />
Decken bekamen, so nur unter Mithilfe unserer Kameraden auf der Gerätekammer. Da die SS-<br />
Lagerführung es abgelehnt hatte, Wasserleitung, Entwässerung sowie einen Raum zur Verrichtung der<br />
Notdurft zu schaffen, traten wir mit unseren Kameraden von der DAW (Deutsche Ausrüstungswerke,<br />
d.Verf.) und der Entwässerung in Verbindung. Das Material für oben genannte Einrichtungen wurde bei<br />
den Deutschen Ausrüstungswerken gestohlen, was bei Ertapptwerden immer mit Lebensgefahr<br />
verbunden war.<br />
Die Bekleidung war derart mangelhaft, daß man bei vielen Kameraden bloße Körperteile sehen konnte.<br />
Am Anfang bekamen wir noch jede Woche frische Wäsche, im letzten Jahre nur noch alle 3 bis 4<br />
Wochen, dann nur noch ein schlechtes Hemd. Unterhosen und Strümpfe gab es überhaupt nicht mehr,<br />
auch im Winter nicht. Der größte Teil der Kameraden hatte keinen Mantel, schlechte Schuhe, wo das<br />
Wasser überall Zutritt hatte, keine Handtücher, keine Seife.<br />
Jeder Mensch kann sich vorstellen, daß unter diesen Zuständen Krankheiten aller Art sowie Ungeziefer<br />
- Wanzen, Läuse und Flöhe - in großen Mengen auftraten. Das Ungeziefer trat manchmal so stark auf,<br />
daß die meisten zerfressen waren. Nur durch die Initiative aller anständigen Kameraden war es<br />
möglich, daß die Zustände nicht noch schlechter wurden.<br />
Das Kleine Lager hatte keine feste Belegschaft, es war das sogenannte Durchgangslager. Die<br />
Kameraden blieben ungefähr 14 Tage bis 3 Wochen auf den Blöcken, wurden untersucht und gingen<br />
187 Ebd., S. 31.<br />
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