Jakob Kindinger
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Nach der Revolution im November 1918 und dem damit verbundenen Untergang der Monarchie in<br />
Deutschland kam die Frage auf, wer nun die Macht in Deutschland übernehmen sollte. Während die<br />
USPD innerhalb der Arbeiterschaft teilweise auf große Zustimmung traf, konnte sich die SPD bei den<br />
durch die Revolution entstandenen Arbeiter- und Soldatenräten durchsetzen. Am 9. November 1918<br />
verkündete Prinz Max von Baden die Abdankung des Kaisers und übertrug die Amtsbefugnisse des<br />
Reichskanzlers auf Friedrich Ebert, den Parteivorsitzenden der MSPD. Philipp Scheidemann rief<br />
schließlich die parlamentarische Republik aus, kurz bevor Karl Liebknecht die Gründung einer<br />
sozialistischen Räte-Republik verkünden konnte. Der am Rätesystem orientierte Flügel der USPD<br />
schloss sich am 12. Oktober 1920 der am 1. Januar 1919 gegründeten Kommunistischen Partei<br />
Deutschlands (KPD) an. Die Mehrheit der USPD trat 1922 wieder der SPD bei.<br />
Die KPD strebte die Gründung einer Sowjetrepublik in Deutschland an. Als Karl Liebknecht und Rosa<br />
Luxemburg, zwei Vertreter des früheren Spartakus-Bundes, die Forderung stellten eine Alleinherrschaft<br />
der Proletarier und völlig Besitzlosen einzuführen, spitzte sich der Konflikt zwischen Kommunisten und<br />
Sozialdemokraten weiter zu. Liebknecht und Luxemburg riefen zum Aufstand gegen Ebert und<br />
Scheidemann auf. Ebert beauftragte den Volksbeauftragten Gustav Noske, mit Freiwilligen-Verbänden<br />
wieder für Ruhe und Ordnung in Berlin zu sorgen. Noske gab den Befehl, auf alle revoltierenden<br />
Arbeiter zu schießen. Die Soldaten schlugen schließlich hart zu. Der ganze Vorfall endete damit, dass<br />
Liebknecht und Luxemburg am 15. Januar 1919 ermordet wurden. Diese Vorgänge vertieften die<br />
Feindschaft zwischen SPD und KPD und vergrößerten die Kluft zwischen beiden Parteien.<br />
Der grundlegende Konflikt zwischen KPD und SPD ist letztendlich auf die Frage zurückzuführen,<br />
welches politische System man in Deutschland nach Ende des Ersten Weltkrieges durchsetzen solle.<br />
Wie bereits erwähnt, strebte die KPD eine sozialistische Republik an, während die SPD eine<br />
parlamentarische Demokratie durchsetzen wollte. 40<br />
2.1. Politische Erfahrungen <strong>Kindinger</strong>s vor 1933<br />
Im Jahre 1921 erlebte <strong>Kindinger</strong> den ersten Streik in seinem Beruf, der einen tiefen Eindruck bei ihm<br />
hinterließ. 1923 trat er dann der hessischen Schutzpolizei bei, die „zuverlässige Demokraten“ suchte.<br />
Nach zwei Jahren schied <strong>Kindinger</strong> jedoch freiwillig wieder aus und entschied sich auf Wanderschaft zu<br />
gehen und neue Erfahrungen in seinem Beruf zu sammeln, und das an verschiedenen Stationen im<br />
gesamten Reich. Diese „Erfahrungssuche“ dauerte bis ins Jahr 1929 an. In Oberfranken kam <strong>Kindinger</strong><br />
dabei erstmals in Kontakt mit gewerkschaftlich aktiven, marxistischen Kollegen. Durch deren ihm<br />
sympathische Grundeinstellung entstand in dem damals 24jährigen ein Klassenbewusstsein, welches<br />
<strong>Kindinger</strong> dazu bewegte, selbst in den Gewerkschaften tätig zu werden. <strong>Kindinger</strong> übte von nun an eine<br />
starke Aktivität im „Reichsbanner“ aus, auch zur Abwehr des Hitlerismus. Das Reichsbanner war ein<br />
politisches Bündnis bürgerlicher Parteien während der Weimarer Republik, das mit dem Ziel gegründet<br />
wurde, die „Demokratie“ der damaligen Zeit vor rechts- aber auch linksextremen Einflüssen zu<br />
schützen. Als Reaktion auf die rechten Putschversuche 1923 gründete es sich 1924, um zukünftige<br />
Kundgebungen der republikanischen Kräfte zu schützen und um Rechtsextremisten abzuschrecken.<br />
Offiziell stellte das Reichsbanner zwar eine überparteiliche Organisation dar, tatsächlich waren jedoch<br />
90% Anhänger der SPD. In Bensheim gab es das Reichsbanner seit 1925. 41<br />
Auch wenn das Reichsbanner insgesamt dazu neigte, die antidemokratischen Kräfte von rechter Seite<br />
zu unter- und die von linker Seite zu überschätzen, lag das Hauptaugenmerk nach den Wahlerfolgen<br />
40 Geschichte und Geschehen - Band 2, Oberstufe, Ausgabe A/B. Stuttgart, Düsseldorf, Berlin, Leipzig 1995, S. 246 – 250.<br />
Vgl. Rohe, Karl: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur der politischen<br />
Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik. Düsseldorf 1966.<br />
41 Wilhelm Ritz, von Beginn an Fahnenträger, konnte sich erinnern, dass nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 die<br />
Reichsbannerfahne beim Büro der Bensheimer SA abgeliefert werden musste. Gemeinsam mit anderen Fahnen und<br />
„anderem marxistischen Kram“ wurde sie am Abend des 6. März 1933 auf dem Bensheimer Marktplatz nach einem<br />
Fackelzug der SA „dem Feuer übergeben“ als „Zeichen des nationalsozialistischen Sieges über die Marxisten“. Eine fast<br />
vergessene Tradition. Wilhelm Ritz erinnert sich an die Bensheimer SPD der Weimarer Republik. In: Bergsträßer Anzeiger<br />
vom 19. März 1984.<br />
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