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Jakob Kindinger

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Schwarz-Rot-Gold“ gegründet. Vorsitzender wurde Johannes <strong>Kindinger</strong> III., der ältere Bruder von <strong>Jakob</strong><br />

<strong>Kindinger</strong>. Dieser rief alle Republikaner auf, sich gegen das „rechte Verbrechertum“ zu wehren und den<br />

so genannten vaterländischen Verbänden ein Ende zu bereiten. Das Lautertaler Reichsbanner konnte<br />

allerdings den Naziterror nur befristet verhindern. Am 14. Dezember 1929 wurde im Gasthaus „Zur<br />

Traube“ der „Stützpunkt Reichenbach“ der NSDAP gegründet, „laut Protokoll zumindest zeitweise in<br />

Anwesenheit eines Polizeibeamten“. 21 Zu Zusammenstößen und Schlägereien vor dem Gasthaus „Zum<br />

Felsberg“ kam es am 17. Mai 1931. Der „Nazisturm des Modautals“ fiel „schon morgens mit Pfeifen und<br />

Trommelklang in unser friedliches Modautal ein“. „Als dann die „Wölfe im Schafspelz, Frömmigkeit<br />

heuchelnd, geschlossen unter Mitnahme ihrer blutbefleckten Hakenkreuzfahne, selbstverständlich mit<br />

Schlag- und Mordwerkzeugen ausgerüstet, an dem Morgengottesdienst in der Kirche teilnahmen“<br />

eskalierte die Lage. 22 1932 kam es erneut zu Ausschreitungen mit den rechtsgerichteten<br />

„Stahlhelmtruppen“. Die Bereitschaft der Bevölkerung sowie der Arbeiterbewegung die Weimarer<br />

Republik und ihre Einrichtungen zu verteidigen, sank zunehmend. Faktoren hierfür waren die<br />

Wirtschaftskrise, die Unfähigkeit der Politiker und vor allem der öffentliche nationalsozialistische Terror<br />

in den Straßen, wie auch am Arbeitsplatz. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 und der<br />

nachfolgenden Machtergreifung der Nationalsozialisten brach der letzte offene Widerstand in<br />

Reichenbach zunehmend auseinander. Am 22. Juni 1933 wurde die SPD verboten. Antifaschisten wie<br />

der Bruder von <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong>, Johannes <strong>Kindinger</strong>, wurden am 11. Oktober 1933 wegen<br />

Vorbereitung zum Hochverrat zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. 23 Harald Hirsch weist nach,<br />

dass „Sonderrichter“ „unter Ansehen der Person urteilten“ und deutlich unterschieden zwischen<br />

Personen, die dem kommunistischen Umfeld anzugehören schienen und solchen, die nicht diesen<br />

Eindruck erweckten. 24<br />

1.2.2 Demografische und soziale Aspekte zu Reichenbach<br />

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl,<br />

infolge der Industrialisierung und des Aufschwungs der Steinindustrie in der Region, in Reichenbach<br />

von 1100 bis auf knapp 1600 Einwohner und die Häuserzahl verdoppelte sich fast von 114 auf 215<br />

Häuser. Bis zum Jahre 1910 stieg die Einwohnerzahl auf 1843 Einwohner und änderte sich dann bis<br />

zum Zweiten Weltkrieg kaum noch. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Einwohnerzahl trotz der<br />

Kriegsverluste an, da etwa 700 Flüchtlinge, deren Häuser zerbombt wurden, in Reichenbach Zuflucht<br />

fanden. Deshalb überstieg die Einwohnerzahl von 1946 die von 1936 um 600 Einwohner. Zwischen<br />

1910 und 1925 standen 286 Wohnhäuser in Reichenbach, in denen 410 Familien lebten. Ab 1946 stieg<br />

die Anzahl der Wohnhäuser im Vergleich zu den Einwohnerzahlen um einiges deutlicher an, was auf die<br />

wachsende Lebensqualität nach Kriegsende hinweist. Die überwiegende Mehrheit der Reichenbacher<br />

im 20. Jahrhundert gehörte der christlichen Religion an. Zwischen dem Jahre 1910 und 1933 lebten<br />

etwa 40 Juden in Reichenbach, deren Zahl sich in der NS-Zeit aber drastisch verringerte. 1939 lebten<br />

nur noch 10 Juden in Reichenbach, nach Kriegsende lebten keine Juden mehr in Reichenbach. 25<br />

1.2.3 Die Steinindustrie<br />

Bis 1800 war die Landwirtschaft der vorherrschende Erwerbszweig in Reichenbach. Die Wald- und<br />

Bergweiden des Felsberges boten genügend Nahrung, so dass die Bauern ihre Nutztiere dort weiden<br />

21 Eichhorn, Heinz: Als die Hitlerbuben marschierten. In: Bergsträßer Anzeiger vom 17. August 2004.<br />

22 „Der Hessische Volksfreund“, zit. n. Eichhorn, Heinz: Als die Hitlerbuben marschierten. In: Bergsträßer Anzeiger vom 17.<br />

August 2004.<br />

23 Angaben nach: Eichhorn, Heinz: Die Roure vum Eck. Lautertal i. Odw. 1994.<br />

24 So führt er u.a. ein frühes „Waffenverfahren“ mit mehreren Angeklagten an und zitiert die Begründung der<br />

Strafzumessung: „Johannes <strong>Kindinger</strong> erhielt eine Gefängnisstrafe von vier Monaten, weil ihm in keiner Weise nachzuweisen<br />

ist, dass er die Waffen gegen die nationale Regierung oder gegen nationale Verbände führen wollte.“ (Hirsch, Harald: Die<br />

Sondergerichte Darmstadt und Frankfurt/M. im Rahmen der politischen NS-Strafjustiz 1933-1934. In: Politische NS-Justiz in<br />

Hessen. Herausgegeben von Wolfgang Form und Theo Schiller. Bd. 2. Marburg 2005, S. 992).<br />

25 Matthes, Richard: Reichenbacher Heimatbuch, Band 2. 2. Auflage 1987, Herausgegeben von der Sparkasse Bensheim,<br />

S. 260.<br />

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