Jakob Kindinger
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einem Besuch in seinem Block war er gerade bei der Briefzensur und las mir einen Brief vor, von einem<br />
Belgier oder Franzosen, der mal eine hohe Funktion in einem Ministerium gehabt haben sollte. In<br />
diesem Brief entwickelte er eine `Theorie´, wie man Häftlinge, besonders Ausländer, über die neutrale<br />
Schweiz austauschen könnte, mit allen Einzelheiten usw. Es war konfuses Geschreibsel, das nur auf<br />
Geisteskrankheit hindeutete. <strong>Jakob</strong> sagte zu mir: `So ein Vollidiot, wenn ich das weiterleite, bestellen<br />
sie ihn ins Revier und geben ihm eine Spritze.´ Er holte diesen Häftling herbei und sagte ihm alles, was<br />
dazu zu sagen war. Sagte ihm auch, `wenn ich den Brief weiterleite, dann bist Du schnell ausgetauscht,<br />
aber gegen einen Toten, hier hast Du einen anderen Brief, diesen zerreiße ich.´ Der Häftling wehrte sich<br />
und wollte den Brief weitergehen lassen. <strong>Jakob</strong> zerriß ihn, gab ihm einen anderen und sagte: `Wenn Du<br />
wieder so einen Unsinn schreibst, bekommst Du keinen mehr.´ <strong>Jakob</strong> neigte zur Theatralik.“ 224<br />
In den uns vorliegenden Dokumenten ist dies die einzige kritische Äußerung zu <strong>Kindinger</strong>, sieht man<br />
von der oben erläuterten Charakterisierung als „Hundeschlächter“ ab.<br />
5.4 <strong>Kindinger</strong>s Rückblick auf die Lager Altenburg und Buchenwald<br />
<strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong> kann nur kurze Zeit in Altenburg, einem Außenlager von Buchenwald, inhaftiert<br />
gewesen sein, weil er verschiedentlich zur Endphase in Buchenwald als unmittelbar Beteiligter Stellung<br />
bezieht.<br />
Das Außenkommando Hasag (Hugo Schneider AG 225) in Altenburg 226<br />
„[…] Im Januar 1945 kam ich nach Altenburg, einem Nebenlager des KZ Buchenwald. Von den<br />
insgesamt 2500 Insassen waren 800 jüdische Frauen und Mädchen, 1000 Polinnen, 500 weibliche<br />
Angehörige fast aller europäischen Nationen und 200 männliche Häftlinge, vorwiegend Juden, dort.<br />
In den großen Fabrikhallen, welche der Firma Hasag (Hugo Schneider AG) gehörten, waren 8-<br />
10000 sogenannte Zivilarbeiter beschäftigt. Das waren zwangsweise zur Arbeit rekrutierte<br />
Angehörige der von Deutschland okkupierten Länder. Erzeugt wurden am Fließband<br />
Patronenhülsen. Die Unterkünfte waren in jeder Beziehung unzureichend, die Verpflegung bestand<br />
aus 225 g Brot und 3/4 Liter Wassersuppe täglich.<br />
Von den Arbeitsverhältnissen ist zu sagen, daß sie bei dieser kärglichen Verpflegung sehr schwer<br />
waren. Gearbeitet wurde in zwei Schichten zu je 12 Stunden, mit je einer halben Stunde Pause.<br />
Lagerführer war der berüchtigte SS-Oberscharführer Frötsch, welcher gemeinsam mit dem<br />
Unterscharführer Ludwig Alexander für die Verhältnisse in diesem Lager verantwortlich war. Zu<br />
erwähnen ist die Rolle, welche die drei SS-Oberaufseherinnen Rupert, Thiemel und besonders die<br />
Aufseherin Bassala, eine Rheinländerin, die auf Lagerführer Frötsch einen besonders unheilvollen<br />
und für die Häftlinge schädlichen Einfluß ausübte, spielten.<br />
Als Leiterin des Sanitätsdienstes hat sie jede nur mögliche Gelegenheit ergriffen, um den<br />
Häftlingen Schaden zuzufügen. Vom Lagerführer Frötsch möchte ich besonders hervorheben,<br />
daß er durch seine Bestialität, seine Erpressungen und Vergewaltigungen der weiblichen Häftlinge<br />
ein Schrecken des Lagers war. In der Geschichte des Lagers Altenburg muß die Rolle des SS-Wirtschaftsführers<br />
Scharführer Erich Klaus besonders hervorgehoben werden. Von den geringen<br />
lebenslänglicher Haft nach Sibirien verbracht, 1955 Rückkehr, 1956 Rehabilitierung, Major der Volkspolizei der DDR.<br />
(Carlebach/Schmidt/Schneider, Buchenwald. Ein Konzentrationslager, a.a.O., S. 103.).<br />
224 Gedenkstätte Buchenwald, Archiv: 52.11.125.<br />
225 Die HASAG war eine führende deutsche Rüstungsfirma, die Gefangene aus Konzentrationslagern einsetzte. Sie wurde<br />
1863 in Leipzig gegründet. Ab 1933 lieferte das Unternehmen Munition für die Wehrmacht. 1939 stieg die HASAG offiziell<br />
zum Rüstungsbetrieb auf. Während des Krieges betrieb die HASAG-Werke in Deutschland und in Polen. Allgemein verfolgte<br />
man die Politik der „Vernichtung durch Arbeit". Altenburg (Thüringen) war ein Außenkommandos des KZ Buchenwald. Es<br />
bestand nur vom 1.9.1944 bis zum 12.4.1945. Am 31.1.1945 betrug der Bestand 396 männliche Juden, 2616 weibliche<br />
jüdische und nichtjüdische Häftlinge, die in erster Linie Panzerfäuste herstellten. Ursprünglich war Altenburg ein<br />
Außenkommando des KZ Ravensbrück.<br />
226 Buchenwald. Mahnung und Verpflichtung. Dokumente und Berichte. Herausgegeben von der Nationalen Mahn- und<br />
Gedenkstätte Buchenwald in Zusammenarbeit mit der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora beim Komitee der<br />
Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR. (1959) 4., völlig neu bearbeitete Auflage Berlin/DDR 1983, S. 710:<br />
Außenkommandos des KZ Buchenwald.<br />
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