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Jakob Kindinger

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<strong>Kindinger</strong> bricht seinen Erholungsurlaub auf eigenen Wunsch ab und geht wieder arbeiten. Im weiteren<br />

legt er seine Gründe für den Abbruch dar und seine Absicht, den Resturlaub zu einem anderen<br />

Zeitpunkt nachzuholen. Aufgrund von Sonderzuteilungen, die das Erholungsheim, in dem <strong>Kindinger</strong><br />

seinen Urlaub verbrachte, bekam, welche aber wiederum zwecks der „allgemeinen Notlage“ in Wegfall<br />

kamen, lautet es in einem kritisierenden Schreibens <strong>Kindinger</strong>s an Treffert: „Es wurde mir nach einigen<br />

Tagen Dortseins klar, dass eine Erholung meines körperlichen Zustandes unter diesen Umständen<br />

unmöglich ist. Ich bin aufgrund dessen bei dem Leiter des Erholungsheims vorstellig geworden, der mir<br />

dann auch mitteilte, den jetzigen Verpflegungssatz aufgrund der Allgemeinen Notlage ebenfalls nicht<br />

aufrecht erhalten zu können.“<br />

Es erscheint aus heutiger Sicht reichlich seltsam, dass <strong>Kindinger</strong> seine Arbeit vorzeitig wieder aufnimmt<br />

und seinen Resturlaub nicht zu Hause verbringt. Sein gesundheitlicher Zustand ist immer noch schlecht.<br />

Diesen im Erholungsheim, in das er überwiesen wurde, zu verbessern, ist sein Hauptziel, hingegen der<br />

Abbruch des Heimaufenthalts eine logische Konsequenz, auf Grund der dortigen schlechten<br />

Bedingungen.<br />

Der Tonfall <strong>Kindinger</strong>s in seinem Brief lässt eine deutlich Missstimmung zwischen den beiden erkennen.<br />

<strong>Kindinger</strong> macht, noch bevor er auf seine eigentlichen Gründe eingeht, deutlich, dass er einen<br />

„Sonderfall“ darstelle: „Mir steht aufgrund meines gesundheitlichen Zustandes und in Folge meiner<br />

10jährigen Haft ein sechswöchentlicher Urlaub zu. Ich bin auf Grund meines Leidens bei der<br />

Betreuungsstelle für politisch- rassisch- und religiös Verfolgte in Darmstadt vorstellig geworden und<br />

habe um einen Teil des mir zustehenden Sonderurlaubs nachgesucht, der mir auch genehmigt<br />

wurde.“ 261 Wie Treffert den Vorfall letztendlich behandelt hat, war nicht mehr zu klären.<br />

Im folgenden Fall liegt der Anstoß der Auseinandersetzung zwischen <strong>Kindinger</strong> und Treffert darin, dass<br />

<strong>Kindinger</strong> die Interessen der ihm unterstellten Arbeiter vertrat und verlief wie folgt. Am 22. Juli 1947<br />

rügte Bürgermeister Treffert <strong>Kindinger</strong> schriftlich. Der Betreff seines Schreibens lautete: „Wie Ihnen<br />

schon mündlich mitgeteilt, müssen Sie das ihnen unterstellte Personal anweisen, die für die Stadt<br />

dringenden Arbeiten zu erledigen, auch wenn es mal über die Arbeitszeit hinaus geht.“ 262 Treffert listete<br />

im Verlauf seines Schreibens einige Beispiele auf, bei denen <strong>Kindinger</strong>s Arbeiter pünktlich Feierabend<br />

gemacht hätten, obwohl noch wichtige Arbeiten zu erledigen gewesen wären, die nur kurze Zeit<br />

gebraucht hätten. Bestimmte Tätigkeiten würden überhaupt nicht ausgeführt, weil dafür keine Zeit wäre.<br />

Bei der Kinderspeisung von Schulen beispielsweise hätten <strong>Kindinger</strong>s Unterstellte z.B. die<br />

Essensboxen immer im Hof abgestellt, anstatt sie ins Gebäude zu bringen. Treffert forderte <strong>Kindinger</strong><br />

noch einmal nachdrücklich dazu auf, dafür zu sorgen, dass sich diese Dinge ändern. Er müsse den<br />

Arbeitern klar machen, dass sie nicht zehn Minuten vor Feierabend ihre Arbeiten abzubrechen hätten,<br />

sondern im Gegenteil, wenn erforderlich, auch zehn Minuten über die Arbeitszeit hinaus diese zu<br />

erledigen hätten.<br />

Mit seiner abschließenden Bemerkung scheint er <strong>Kindinger</strong> mit seinen eigenen Waffen schlagen zu<br />

wollen. „Soviel Interesse muss man an der Stadtverwaltung schon haben, da ja die Stadtverwaltung<br />

kein kapitalistischer Betrieb ist, sondern alles, was bei der Stadtverwaltung an Schaden entsteht, die<br />

Allgemeinheit trifft.“ 263<br />

In einem weiteren Fall vertrat <strong>Kindinger</strong> die Interessen der Arbeiter in seiner Funktion als Betriebsrat.<br />

<strong>Kindinger</strong> machte am 22. Juli 1948 als Vorsitzender des Betriebsrates deutlich, dass der Betriebsrat<br />

jeden Stellenabbau grundsätzlich ablehne. Den Anweisungen des Bürgermeisters, also Trefferts, an alle<br />

Mitarbeiter, ihren Urlaub bald zu beantragen, um nach dem geplanten Stellenabbau den ungestörten<br />

Weiterbetrieb nicht zu gefährden, müsse nicht nachgekommen werden.<br />

Darüber hinaus forderte <strong>Kindinger</strong><br />

• Gehaltsnachzahlung für den Monat Juni<br />

• Lohnerhöhung für alle Arbeiter und Angestellte der Stadt Bensheim.<br />

261 Archiv der Stadt Bensheim, Personalakte <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong>.<br />

262 Ebd.<br />

263 Ebd.<br />

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