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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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Vielfalt und Materialität. Eben mit <strong>der</strong> Aufgabe, Ordnung<br />

durchzusetzen und zu <strong>in</strong>stallieren, mündet die neuzeitliche<br />

Bestimmung von Selbsterhaltung und Selbstf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e gleichermaßen grundlegende Bestimmung von Arbeit.<br />

<strong>Die</strong> Ordnung zu errichten, for<strong>der</strong>t: die Mannigfaltigkeit<br />

des Gegebenen zu strukturieren, und zwar <strong>in</strong> wi<strong>der</strong>standsüberw<strong>in</strong>den<strong>der</strong><br />

Gestaltung ihrer Vielfalt und Materialität<br />

- Gestalt und Glie<strong>der</strong>ung also durch und <strong>in</strong> Arbeit durchzusetzen.<br />

Aus <strong>der</strong> Aufgabe bed<strong>in</strong>gt sich umgekehrt e<strong>in</strong>e<br />

fundamentale Bestimmung solcher Arbeit: Arbeit wird <strong>in</strong><br />

dem Zusammenhang bestimmt als Arbeit ursprünglichen<br />

und basalen Ordnens, wor<strong>in</strong> die Mannigfaltigkeit des Gegebenen<br />

human angemessen gegenwärtig wird. Mit <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit <strong>der</strong> Ordnungsleitung entfaltet diese Arbeit<br />

das anfängliche und maßgebende Verhältnis zur Welt. In<br />

dem Arbeitsverhältnis zur Welt f<strong>in</strong>det <strong>der</strong> Mensch zu sich:<br />

er verwirklicht, was er <strong>in</strong> jener Gesamtsituation zu se<strong>in</strong><br />

vermag. Nicht nur dies: durch die Arbeit solchen Ordnens,<br />

welche alles Wirkliche <strong>in</strong> genu<strong>in</strong> humanen Strukturen gestaltet,<br />

also “humanisiert”, vermag <strong>der</strong> Mensch - so die<br />

Zielvorstellung neuzeitlicher Philosophie - sich selbst als<br />

neuen Mittelpunkt zu gew<strong>in</strong>nen. Er verwirklicht sich <strong>in</strong><br />

jener Arbeit als Bezugszentrum aller ihm erreichbaren<br />

Wirklichkeit.<br />

Schluß<br />

Der knappe Rückblick auf Entstehungsvoraussetzungen<br />

<strong>der</strong> Gesamtbestimmungen sche<strong>in</strong>t aufschlußreich <strong>in</strong> mehrfachem<br />

S<strong>in</strong>ne. Der Rückblick läßt Bed<strong>in</strong>gungen und<br />

H<strong>in</strong>tergrun<strong>der</strong>fahrungen kenntlich werden, welche <strong>in</strong> jene<br />

Bestimmungen e<strong>in</strong>gegangen s<strong>in</strong>d, ihren Gehalt und ihre<br />

Bedeutung wesentlich prägen. Mit dem, was die drei Bestimmungen<br />

<strong>in</strong> sich tragen, wird zum weiteren deutlich,<br />

<strong>in</strong> welchem Grade Selbsterhaltung, Selbstgestaltung,<br />

Selbstverwirklichung als Arbeit zum Kernbestand des<br />

neuzeitlich humanen Selbst- und Weltverständnisses gehören.<br />

<strong>Die</strong> unabtrennbare Zugehörigkeit zur Entstehung<br />

<strong>der</strong> neuzeitlichen Welt begründet die Legitimität <strong>der</strong> Bestimmungen.<br />

Aus <strong>der</strong> Zugehörigkeit erwächst zugleich<br />

ihre andauernde, spezifische Gültigkeit gerade im Zeitalter<br />

fortschreiten<strong>der</strong> Automatisation. Geschieht diese Typik<br />

von Arbeit sche<strong>in</strong>bar unabhängig von menschlichen<br />

Akteuren <strong>in</strong> masch<strong>in</strong>aler Anonymität, fallweise verschleiert<br />

<strong>in</strong> ihren ökonomischen Antrieben, so bewahren die<br />

Gesamtbestimmungen die Er<strong>in</strong>nerung daran, daß auch<br />

diese Arbeit im letzten e<strong>in</strong> menschliches Unternehmen ist,<br />

veranlaßt von spezifischen Absichten und Zwecken. Zugleich<br />

halten die Bestimmungen das Gedächtnis dafür<br />

ORIGINALARBEITEN<br />

offen, was den Untergrund <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Welt bildet: das<br />

Untergrundmassiv an menschlicher Lebenszeit, an Mühe<br />

und Last, natürlicher S<strong>in</strong>nlichkeit, humaner Lebendigkeit,<br />

aufgebracht und verzehrt im Gang <strong>der</strong> faktischen Arbeitsgeschichte,<br />

e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t und verbraucht im Anspruch neuzeitlich<br />

bestimmter Arbeit. Automatisation, knapp werdende<br />

Arbeit, gefährdete Natur markieren <strong>in</strong>dessen auch<br />

die Grenze, woran die Gültigkeit <strong>der</strong> Gesamtbestimmung<br />

endet. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Rücksicht auf das arbeitsorientierende<br />

Verständnis unseres Selbstse<strong>in</strong>s stellt sich die Frage:<br />

Müssen Bewährung und Entfaltung humanen Selbtse<strong>in</strong>s<br />

e<strong>in</strong>zig <strong>in</strong> umformen<strong>der</strong> und humanisieren<strong>der</strong> Struktur geschehen<br />

- Angleichung und Aneignung, welche am Ende<br />

die s<strong>in</strong>nliche Faktizität des Wirklichen <strong>in</strong> pure Information<br />

umarbeitet und aufgehen läßt <strong>in</strong> virtuellen Realitäten?<br />

Gegenüber dem Ordnungs- und Umformungszugriff<br />

solchen Selbstse<strong>in</strong>s wäre zu bedenken, ob humanes<br />

Selbstse<strong>in</strong> nicht auch und zudem <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>nlichkeit<br />

entfaltet werden könnte, geöffnet für e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Erfahrung<br />

s<strong>in</strong>nlicher Faktizität <strong>in</strong> dessen eigener Zeit und dessen<br />

eigenen Strukturen? Gleichermaßen wäre zu erwägen,<br />

ob das humane Selbst, jenseits <strong>der</strong> Leistung konstruktiver<br />

Entwürfe, sich nicht dem neu öffnen sollte, was Phantasie<br />

ist und <strong>in</strong> sich birgt? Öffnungen, welche am Ende den<br />

Blick auch dafür erschließen, wie Arbeit neben ihren<br />

waltenden Formen an<strong>der</strong>s entdeckt und gestaltet werden<br />

kann.<br />

Literatur<br />

Conze W., Riedel M. (1972): Arbeit. In: O. Brunner: Geschichtliche<br />

Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen<br />

Sprache <strong>in</strong> Deutschland. Stuttgart, Bd. 1, 54-<br />

215.<br />

Müller S. (1985): Arbeit (Philosophie). In: Staatslexikon. Hrgb.<br />

v. d. Görresgesellschaft. Freiburg/Basel/Wien, Bd. 1, S.<br />

198-204.<br />

Müller S. (1992): Phänomenologie und philosophische Theorie<br />

<strong>der</strong> Arbeit. Bd. I: Lebenswelt - Natur - S<strong>in</strong>nlichkeit.<br />

Freiburg/München, Verlag Karl Alber.<br />

Müller S. (1994): Phänomenologie und philosophische Theorie<br />

<strong>der</strong> Arbeit. Bd. II: Rationalität - Welt - Vernunft. Freiburg/München,<br />

Verlag Karl Alber.<br />

Scheler M. (1960): Arbeit und Ethik. In: Frühe Schriften. Bern/<br />

München.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Prof. Dr. Sever<strong>in</strong> Müller<br />

Hauptstraße 49<br />

D - 83244 Unterwössen<br />

EXISTENZANALYSE 2/97 11

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