Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Manchmal ist diese Bedürftigkeit lange nicht sichtbar, wie z.B. bei<br />
den von Maslach beschriebenen idealistischen Helfern, die sich aus<br />
Überzeugung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tätigkeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geben. Wenn e<strong>in</strong> Arzt während<br />
e<strong>in</strong>er Grippeepidemie Burnout-Symptome entwickelt, so muß<br />
das nicht mit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>itialen Bedürftigkeit se<strong>in</strong>erseits zusammenhängen,<br />
son<strong>der</strong>n wird mit <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung durch die offensichtliche<br />
Not zusammenhängen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er se<strong>in</strong> Letztes gibt. Gibt er es<br />
mit se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>verständnis und aus <strong>in</strong>nerer Überzeugung, so wird<br />
er zwar erschöpft se<strong>in</strong>, aber an<strong>der</strong>e, typische Burnout-Symptome<br />
werden ausbleiben wie Zynismus, Schuldgefühle, Leeregefühle,<br />
Erfolglosigkeitsgefühle, Leiden an fehlen<strong>der</strong> Anerkennung.<br />
Zur Ausbildung des echten Burnouts bedarf es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>itialen Bedürftigkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die krankmachende Lebenshaltung<br />
psychisch verankert ist. Typischerweise tritt Burnout ja<br />
nicht <strong>in</strong> äußeren Notzeiten auf, son<strong>der</strong>n beg<strong>in</strong>nt schleichend während<br />
<strong>der</strong> täglichen Arbeit.<br />
Es gibt auch Fälle, <strong>der</strong>en idealistische Lebenshaltung nicht<br />
den H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es subjektiven Defizits haben, son<strong>der</strong>n von<br />
an<strong>der</strong>en übernommen wurden o<strong>der</strong> aus Überzeugungen bzw.<br />
Glaubenshaltungen abgeleitet s<strong>in</strong>d. Wenn sich <strong>der</strong> Mensch aber<br />
nicht rechtzeitig auf die entstehenden Mangelzustände h<strong>in</strong> zu adaptieren<br />
vermag o<strong>der</strong> sich Burnouts gar wie<strong>der</strong>holen, so stellt sich<br />
auch hier wie<strong>der</strong> die Frage, ob nicht psychische Störungen bzw.<br />
Bedürftigkeiten <strong>der</strong> Grund für die Fixierung des Verhaltens s<strong>in</strong>d.<br />
5. Ätiologie unter existentiellen Gesichtspunkten<br />
Formal wird die Entstehung des Burnout oft mit e<strong>in</strong>er<br />
Überlastung o<strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung erklärt. Sie führt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Folge zu e<strong>in</strong>er emotionalen Erschöpfung, zur Versachlichung<br />
<strong>der</strong> Beziehung und zum Verlust des Selbstvertrauens,<br />
<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er Leistungse<strong>in</strong>buße verbunden ist (Karazman<br />
1994). Existenzanalytisch fragen wir uns natürlich nach <strong>der</strong><br />
spezifischen Haltung dem Leben gegenüber, die sich dah<strong>in</strong>ter<br />
f<strong>in</strong>det. Sie kann bewußt o<strong>der</strong> unbewußt se<strong>in</strong>, spiegelt<br />
aber auf jeden Fall die subjektive Auffassung des Lebenswichtigen<br />
wi<strong>der</strong> (dessen, worauf es im Leben ankommt).<br />
<strong>Die</strong> Überfor<strong>der</strong>ung geschieht also nicht von ungefähr,<br />
son<strong>der</strong>n aufgrund des Existenzverständnisses o<strong>der</strong> des<br />
existentielle Haltung zum Leben (Existenzverständnis,<br />
Lebensentwurf)<br />
<br />
Verkennung <strong>der</strong> existentiellen Wirklichkeit und <strong>der</strong><br />
realen Elemente gel<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Existenz<br />
<br />
Defizienzsymptome: somatisch, psychisch, noetisch<br />
<br />
Burnout-Symptome als Schutz vor weiterer<br />
Schädigung<br />
Tab. 4: <strong>Die</strong> Ätiologie des Burnouts aus existenzanaly-tischer<br />
Sicht hat ihren Ursprung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nichtexistentiellen<br />
Haltung (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em “Existenz-fremdem”<br />
Lebensentwurf) und führt so zur Erschöpfung<br />
16 EXISTENZANALYSE 2/97<br />
ORIGINALARBEITEN<br />
Lebensentwurfes, <strong>der</strong> handlungsanleitend ist. <strong>Die</strong>se existentielle<br />
Haltung ist von <strong>der</strong> Art, daß sie die realen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
und Elemente gel<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> menschlicher Existenz verkennt,<br />
was dann zu e<strong>in</strong>er Defizitsymptomatik auf somatischer,<br />
psychischer und noetischer Ebene führt. <strong>Die</strong> Entwicklung<br />
des Burnouts im letzten Stadium (Inhibition <strong>der</strong><br />
Aktivität) wird daher als Schutz vor weiterer Schädigung<br />
verstanden und stellt e<strong>in</strong>en ganzmenschlichen Anstoß zur<br />
Reflexion <strong>der</strong> Lebenshaltung dar, <strong>der</strong> durch den krankheitsbed<strong>in</strong>gten<br />
Ausfall e<strong>in</strong>geleitet wird.<br />
Betrachten wir die Schritte im e<strong>in</strong>zelnen. Wie schon weiter<br />
oben festgestellt, verbrennt sich <strong>der</strong> Mensch für e<strong>in</strong><br />
aufgabenfremdes, selbstgestecktes Ziel. Er strebt nicht die<br />
“Sache” als Eigenwert an, son<strong>der</strong>n die Verwirklichung se<strong>in</strong>er<br />
Ziele “vermittels” <strong>der</strong> Aufgaben. <strong>Die</strong> Tätigkeit wird<br />
Mittel zum Zweck schon lange vor <strong>der</strong> Ausbildung von<br />
Burnout-Symptomen. Das “Ausbrennen” beg<strong>in</strong>nt daher mit<br />
e<strong>in</strong>er Verfremdung <strong>der</strong> Arbeit. <strong>Die</strong>se verliert ihren Eigenwert<br />
(“Freude an <strong>der</strong> Sache”) und wird zum Nutzwert<br />
(“Mittel zum Zweck”). Es herrscht e<strong>in</strong>e Ziel-Gerichtetheit<br />
vor statt e<strong>in</strong>er Wert-Orientierung. <strong>Die</strong>se Zielgerichtetheit ist<br />
Ausdruck <strong>der</strong> Lebenshaltung, also dessen, was dieser<br />
Mensch me<strong>in</strong>t, worauf es im Leben ankomme, damit se<strong>in</strong><br />
Leben e<strong>in</strong> wertvolles, lebenswertes Leben sei. Da diese<br />
Lebenshaltung sich aber nicht an den realen Gegebenheiten<br />
<strong>der</strong> Welt und an den wirklichen Bedürfnissen erfüllen<strong>der</strong><br />
Existenz orientiert, geht sie am Leben vorbei. Sie führt<br />
nicht zum Erleben von Inhalten, son<strong>der</strong>n zum Erreichen von<br />
gesteckten Zielen, die durch den Mangel an <strong>in</strong>nerer Beziehung<br />
aber ohne Leben s<strong>in</strong>d. So verliert das eigene Leben<br />
an Lebenswert. Bildlich gesprochen könnte man sagen:<br />
Durch die Verwendung <strong>der</strong> vom Leben angebotenen Aufgaben<br />
und Inhalte zu eigenen Zwecken werden diese “verheizt”<br />
- und <strong>in</strong> ihrer Asche beg<strong>in</strong>nt das Leben zu erkalten.<br />
O<strong>der</strong> noch knapper: Erst wird die Sache verheizt, dann<br />
verbrennt man sich selbst zu kalter Asche.<br />
These 4: Im Burnout zeigt sich e<strong>in</strong>e utilitaristische<br />
(= zweckgerichtete) Lebenshaltung mit<br />
konsekutivem Verlust des Lebensgefühls<br />
<strong>Die</strong> Verkennung <strong>der</strong> existentiellen Wirklichkeit besteht <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er doppelten Mißachtung -<br />
- <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mißachtung des Eigenwertes von an<strong>der</strong>en Menschen,<br />
D<strong>in</strong>gen und von Aufgaben, was zu e<strong>in</strong>er Versachlichung<br />
<strong>der</strong> Weltbezüge führt<br />
- <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mißachtung des Wertes des eigenen Lebens, das<br />
genauso als Mittel zum Zweck ver-wendet wird wie die<br />
D<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Welt und die Menschen. Gefühle, Körper,<br />
Bedürfnisse und das Gespür für das Richtige werden beiseite<br />
geschoben, was zu e<strong>in</strong>em Beziehungsverlust zu sich<br />
selbst führt. <strong>Die</strong> Folge ist e<strong>in</strong> emotionales Kaltstellen<br />
se<strong>in</strong>er selbst und e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Dis-Kordanz mit sich<br />
selbst (“cor” = Herz - das Herz ist nicht dabei).