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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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Märkten ist überlebensnotwendig, denn e<strong>in</strong>es ist klar: autonom<br />

im S<strong>in</strong>ne von “auf sich ganz alle<strong>in</strong> gestellt” ist niemand,<br />

und das wäre auch nicht s<strong>in</strong>nvoll. <strong>Die</strong> Märkte s<strong>in</strong>d<br />

absolut wichtig. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>formell. <strong>Die</strong> Gefahr, die besteht,<br />

ist die Vermarktung <strong>der</strong> Märkte. E<strong>in</strong> großes Anliegen <strong>der</strong><br />

Entwicklungshilfe im neueren S<strong>in</strong>ne müßte se<strong>in</strong>, diesen<br />

Menschen die Möglichkeit zu geben, daß sie das, was sie<br />

<strong>in</strong>formell im Dorf austauschen, auch <strong>in</strong> größeren Gebieten<br />

austauschen können.<br />

Weiters zeigt dieses Bild auf e<strong>in</strong>drückliche Art, mit<br />

welch e<strong>in</strong>fachen und bescheidenen Mitteln diese Frau das<br />

Überleben ihrer Familie sichern kann. Alles, was sie zum<br />

Erhalt <strong>der</strong> Familie braucht, steht ihr zur Verfügung; für alle<br />

notwendigen Fähigkeiten hat sie das Können. Aus dieser<br />

Tatsache und dieser Erfahrung heraus entsteht Gelassenheit,<br />

auf die ich später noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>gehen möchte.<br />

Subsistenz heißt: das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von Feldfrüchten, die <strong>der</strong><br />

Natur abgerungen werden. <strong>Die</strong> Frau auf diesem Bild sieht sich<br />

selbst nicht als Bäuer<strong>in</strong>, sie sieht ihre Tätigkeit auf dem Feld<br />

auch nicht als Arbeit, son<strong>der</strong>n sie bezeichnet sie als “nchito”,<br />

das heißt “gestalten”. Als Arbeit könnte sie es bezeichnen,<br />

wenn sie <strong>in</strong> die Stadt g<strong>in</strong>ge und für jemanden an<strong>der</strong>en arbeitete<br />

für e<strong>in</strong>en Preis, e<strong>in</strong>e Gegenleistung. <strong>Die</strong>se Frau lebt im<br />

Modus <strong>der</strong> Bescheidenheit. Bescheidenheit heißt: zur E<strong>in</strong>sicht<br />

kommen. <strong>Die</strong> Frau hat wahrsche<strong>in</strong>lich diese e<strong>in</strong>zige Kleidung.<br />

Sie würde sich deshalb nie als arm bezeichnen. Arm wird sie<br />

von außen gemacht, <strong>in</strong>dem ihr vorgezeigt wird, was sie alles<br />

haben könnte, wenn sie ihr Können vermarkten, wenn sie es<br />

umsetzen würde. Durch diesen Druck von außen wird die<br />

Bescheidenheit zur Armut: zum Müssen, zu etwas, das ich als<br />

solches nicht annehmen kann, weil ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wunschhaltung<br />

nach an<strong>der</strong>em, nach mehr b<strong>in</strong>.<br />

Afrika ist heute, vom Boden her, wirklich im<br />

Grenzertragsbereich, das heißt, die wenigsten Böden s<strong>in</strong>d noch<br />

fruchtbar, es braucht wirklich alle Anstrengung, diesen Böden,<br />

die zum Teil durch falsche Maßnahmen und durch Kriege und<br />

Katastrophen zerstört s<strong>in</strong>d, immer wie<strong>der</strong> neue Erträge abzur<strong>in</strong>gen.<br />

<strong>Die</strong>s gel<strong>in</strong>gt aber nur <strong>in</strong> dieser Bescheidenheit, nämlich:<br />

nicht nach außen zu denken, daran, was mir von außen<br />

ERFAHRUNGSBERICHT<br />

geholfen werden kann, son<strong>der</strong>n: was ist mir möglich.<br />

Das Bild <strong>der</strong> afrikanischen Subsistenzbäuer<strong>in</strong> veranschaulicht<br />

die Beziehung dieser Menschen zur Natur und <strong>der</strong><br />

ihr eigenen Zeit. Der Mensch hat se<strong>in</strong>e persönliche o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e<br />

erlebte Zeit, das Kairos. <strong>Die</strong> afrikanische Tradition ist geprägt<br />

von dieser erlebten Zeit. Zeit ist dann, wenn die D<strong>in</strong>ge<br />

stattf<strong>in</strong>den. Häufig stimmt diese erlebte Zeit überhaupt nicht<br />

übere<strong>in</strong> mit dem Kronos, <strong>der</strong> strukturierten Zeit, die für uns<br />

Europäer so wichtig und dom<strong>in</strong>ierend geworden ist.<br />

<strong>Die</strong> <strong>der</strong> Natur eigene Zeit ist geprägt vom Aion, dem immer<br />

Wie<strong>der</strong>kehrenden. Aion ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Antike eigentlich die<br />

unendliche Zeit.<br />

In diesem Spannungsfeld zwischen <strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur <strong>in</strong>newohnenden<br />

Zeit und <strong>der</strong> erlebten Zeit des Menschen steht <strong>der</strong><br />

afrikanische Mensch: die Spannung, etwas wachsen lassen zu<br />

können, das Feld zu bestellen, das Saatbeet zu bestellen, Saatgut<br />

zu erhalten, anzubauen, auf den Regen zu warten, warten,<br />

bis die Saat aufgeht. Das braucht Geduld. In <strong>der</strong><br />

Subsistenz ist die Haltung des Menschen e<strong>in</strong>e sorgende: die<br />

sorgende Haltung zu sich, zur Familie, zur Natur. E<strong>in</strong> weiterer<br />

wesentlicher Aspekt <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Natur<br />

und <strong>der</strong> ihr eigenen Zeit ist das Lernen: Niemand baut<br />

dasselbe Saatgut zweimal gleich an, son<strong>der</strong>n es ist dieser<br />

Tätigkeit, dem subsistenten Denken immanent zu verbessern,<br />

zu probieren und zu verän<strong>der</strong>n. Und hier<strong>in</strong> sehe ich im Grunde<br />

den S<strong>in</strong>n und den Wert dieser Arbeit. <strong>Die</strong> D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

abgestimmt. So, wie die Menschen zusammenarbeiten,<br />

so gilt auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

Synergien, <strong>der</strong> immer aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten Wirkungsweisen,<br />

die sich entfalten.<br />

Der Kern <strong>der</strong> Subsistenz ist auch, sich immer wie<strong>der</strong> auf<br />

etwas Neues e<strong>in</strong>zulassen, sich auszutauschen und nie auf dem<br />

Alten, das zur Erfahrung wurde, stehen zu bleiben. Das Über-<br />

Leben liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vielfalt, im Mischen und Komb<strong>in</strong>ieren, im<br />

Aufnehmen von Neuem, um es zum Eigenen umzuwandeln,<br />

im stets neuen Schaffen von Beziehungen und Konstellationen.<br />

Afrikas Potential besteht im E<strong>in</strong>beziehen, Vernetzen, neu<br />

und an<strong>der</strong>s Knüpfen und e<strong>in</strong>em nachbarschaftlichen<br />

Ehrfurchtsverhalten gegenüber Mensch und Natur.<br />

EXISTENZANALYSE 2/97 33

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