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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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Selbstf<strong>in</strong>dung<br />

ARBEITSLOS:<br />

Das bedeutet nicht nur Verlust von<br />

Arbeit und E<strong>in</strong>kommen. Abgestempelt<br />

als “Sozialschmarotzer” bedeutet es<br />

oft auch Verlust des Selbstwertgefühls,<br />

Schuldgefühle und e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong><br />

Macht- und Hilflosigkeit, wo <strong>der</strong> Betroffene<br />

ganz beson<strong>der</strong>s Verständnis<br />

und Mitgefühl bräuchte.<br />

TAGEBUCHNOTIZEN:<br />

- Endlich die Kündigung - Gefühl<br />

<strong>der</strong> Erleichterung, die Ungewißheit<br />

und <strong>der</strong> Druck s<strong>in</strong>d vorbei. Ich b<strong>in</strong><br />

frei und genieße den “Son<strong>der</strong>urlaub”,<br />

den ich mir redlich verdient<br />

habe.<br />

- Voll Elan stürze ich mich <strong>in</strong> die<br />

Jobsuche. Auf 8-10 Seiten kaum<br />

Stellenangebote ohne Altersbeschränkung<br />

(max. 35 Jahre - ich<br />

b<strong>in</strong> 50). Bewerbe mich trotzdem,<br />

lasse mich noch nicht entmutigen.<br />

Schließlich habe ich e<strong>in</strong>iges zu bieten<br />

und will / muß arbeiten.<br />

- Vom AMS (Arbeitsmarktservice)<br />

ke<strong>in</strong>e Unterstützung. We<strong>der</strong> Verständnis<br />

noch Vermittlungsversuche,<br />

nur regelmäßig Stempel <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>e Grüne Karte. Fühle mich total<br />

im Stich gelassen.<br />

- Drei Monate vergebliche Jobsuche.<br />

B<strong>in</strong> zu alt und / o<strong>der</strong> überqualifiziert.<br />

Kontostand und Selbstwertgefühl<br />

schmelzen dah<strong>in</strong>. Habe<br />

ke<strong>in</strong>e Lust mehr, mir täglich sagen<br />

zu lassen, daß ich nichts wert b<strong>in</strong>,<br />

daß man mich nicht braucht. Es<br />

gibt ke<strong>in</strong>e Arbeit für mich.<br />

WORKSHOPBERICHTE<br />

Erfahrungen e<strong>in</strong>er sechsjährigen<br />

Arbeitslosigkeit<br />

Workshop mit Roswitha Miller und Christ<strong>in</strong>e Orgler<br />

R. Miller stellte <strong>in</strong> diesem Workshop ihre Erfahrungen als Arbeitslose zur Verfügung,<br />

um so die Bedeutung <strong>der</strong> Arbeit für den E<strong>in</strong>zelnen erlebbar zu machen.<br />

R. Miller schöpfte dabei aus ihren Tagebuchnotizen, wobei es ihr hauptsächlich<br />

darum g<strong>in</strong>g, die Gefühle <strong>der</strong> Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit und des Ausgeliefertse<strong>in</strong>s<br />

zu vermitteln.<br />

- Sechs Monate arbeitslos. Lese<br />

zwar noch regelmäßig Inserate,<br />

spare mir aber s<strong>in</strong>nlose Bewerbungen.<br />

Höre von allen Seiten, daß es<br />

nur an mir liegen kann. “Wer arbeiten<br />

will, f<strong>in</strong>det Arbeit.” <strong>Die</strong>sen<br />

Satz kann ich schon nicht mehr<br />

hören. <strong>Die</strong> Leute haben nicht die<br />

ger<strong>in</strong>gste Ahnung, was los ist, wollen<br />

es auch gar nicht wissen.<br />

- B<strong>in</strong> <strong>in</strong>zwischen Notstandshilfeempfänger.<br />

Das bedeutet noch weniger<br />

Geld und weniger Chancen.<br />

Wer länger als sechs Monate arbeitslos<br />

ist, wird von vielen Firmen<br />

sofort abgelehnt. Das AMS kann<br />

zwar nichts vermitteln, weil es<br />

nichts gibt, übt aber immer mehr<br />

Druck aus und droht mit Unterstützungsentzug.<br />

Fühle mich hilflos<br />

und total ausgeliefert. Bekomme<br />

Me<strong>in</strong> Traumberuf!?<br />

Depressionen und verkrieche mich<br />

<strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Wohnung. Das <strong>in</strong>teressiert<br />

aber niemanden. B<strong>in</strong> ja selber<br />

schuld. Fange an, das zu glauben.<br />

- Me<strong>in</strong>e sozialen Kontakte werden<br />

immer spärlicher. Niemand hat Zeit.<br />

Alle haben so viel zu tun. Selbst bei<br />

verständnisvollen Freunden fühle<br />

ich mich oft ausgeschlossen. Kann<br />

nicht mehr mitreden. Daß ich 26<br />

Jahre “dabei” war, zählt nicht mehr.<br />

- Habe aufgehört, Inserate zu lesen<br />

und Bewerbungen zu schreiben.<br />

Kriege Panikanfälle und vermeide<br />

es daher, überhaupt noch h<strong>in</strong>auszugehen.<br />

<strong>Die</strong> Pflichtterm<strong>in</strong>e beim<br />

AMS werden zur Qual. Me<strong>in</strong> ganzes<br />

Leben ist s<strong>in</strong>nlos, ich b<strong>in</strong> völlig<br />

überflüssig. Jegliches Selbstbewußtse<strong>in</strong><br />

ist mir abhanden gekommen.<br />

Das Gefühl <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>wertigkeit<br />

bekommt täglich neue Nahrung.<br />

- Ich verkrieche mich daheim und falle<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> großes schwarzes Loch.<br />

- Habe mich entschlossen: So kann es<br />

nicht weitergehen. Nehme therapeutische<br />

Hilfe <strong>in</strong> Anspruch. Schaffe<br />

es, mich mit den Tatsachen abzuf<strong>in</strong>den<br />

und den Absturz für e<strong>in</strong>en neuen<br />

Anfang zu nutzen. Mache endlich<br />

die vielen D<strong>in</strong>ge, für die ich<br />

früher nie Zeit hatte, habe Erfolg<br />

damit und genieße es. Es geht wie<strong>der</strong><br />

aufwärts.<br />

Anschrift <strong>der</strong> Verfasser<strong>in</strong>:<br />

Roswitha Miller<br />

Johannagasse 15-17<br />

A-1050 Wien<br />

Nachlese zum Workshop mit Christian Firus und Anke<br />

Böttcher-Pötsch<br />

Im Mittelpunkt des Werkkreises stand<br />

die eigene Stellungnahme zur gegenwärtigen<br />

(vorhandenen o<strong>der</strong> nicht vorhandenen)<br />

Arbeitssituation, die den<br />

Teilnehmern oft unbewußt war. Durch<br />

e<strong>in</strong>e körperorientierte Übung wurde<br />

diese Stellungnahme erlebbar gemacht.<br />

Dann g<strong>in</strong>g es um das Prüfen, ob<br />

diese Stellungnahme adäquat ist und<br />

sie gegebenenfalls zu verän<strong>der</strong>n, - auch<br />

dies über e<strong>in</strong>en körperorientierten Zugang.<br />

EXISTENZANALYSE 2/97 45

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