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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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Das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und Forschung<br />

veröffentlichte 1994 e<strong>in</strong>e Arbeit mit dem Titel “Zum Stand<br />

<strong>der</strong> wissenschaftlichen Psychotherapie <strong>in</strong> Österreich”, welche<br />

e<strong>in</strong>en Überblick über die Studien <strong>der</strong> letzten 20 Jahre<br />

darstellt. Dar<strong>in</strong> wird im Zusammenhang mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung,<br />

“daß die Forschungsmethoden, die für e<strong>in</strong> bestimmtes sozialwissenschaftliches<br />

Untersuchungsprojekt herangezogen<br />

werden, den Zielen <strong>der</strong> Forschung bzw. den Zielen <strong>der</strong><br />

untersuchten Aktivität angemessen se<strong>in</strong> müssen”, kritisch<br />

bemerkt, daß “dies mit <strong>der</strong> bisherigen vorwiegend quantitativen<br />

Psychotherapieforschung nicht ausreichend gelungen”<br />

sei.<br />

<strong>Die</strong> Psychotherapieforschung folgt somit dem aktuellen<br />

Trend zu mehr qualitativem Denken, <strong>der</strong> sich zuerst <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozialforschung ausbreitete, mittlerweile aber <strong>in</strong> den<br />

unterschiedlichsten Forschungsbereichen zu f<strong>in</strong>den ist.<br />

Gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychotherapieforschung, wo die<br />

Subjektorientierung im Vor<strong>der</strong>grund steht, ist es notwendig,<br />

die Grenzen <strong>der</strong> quantitativen Methoden zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Standardisierte Meß<strong>in</strong>strumente, Skalen, Tests und Fragebögen<br />

beschränken die Aussagen des Subjekts auf vorgegebene<br />

Antwortmöglichkeiten. Dadurch geht nicht nur verbales,<br />

son<strong>der</strong>n auch nonverbales Datenmaterial verloren. In<br />

<strong>der</strong> qualitativen Forschung kommt das Subjekt mehr zur<br />

Sprache, und es wird möglichst offen an den<br />

Untersuchungsgegenstand herangegangen. Neben dem Pr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> Offenheit und <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Subjekte gibt es allgeme<strong>in</strong><br />

noch folgende Pr<strong>in</strong>zipien qualitativer Forschung: Der<br />

Verzicht auf e<strong>in</strong>e Hypothesenbildung (a priori) besagt, daß<br />

ke<strong>in</strong>e bereits bestehenden Kategorien aus an<strong>der</strong>en Studien<br />

übernommen (und falsifiziert) werden, son<strong>der</strong>n die<br />

Kategorien(systeme) aus dem Material selbst heraus gearbeitet<br />

werden. <strong>Die</strong>s bietet die Möglichkeit zur Grundlagenforschung<br />

(Hypothesengenerierung). Unter dem Prozeßcharakter<br />

<strong>der</strong> Forschung versteht man, daß die Theoriebildung<br />

als Prozeß betrachtet wird, <strong>in</strong> dem auch <strong>der</strong> Wechselbeziehung<br />

des Forschers mit se<strong>in</strong>en Daten Bedeutung<br />

beigemessen wird. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Explikation und Begründung<br />

ergibt sich durch das Fehlen von “Objektivität”<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> quantitativen Forschung. Daher ist es notwendig,<br />

völlige Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Arbeitsprozesses<br />

zu gewährleisten. <strong>Die</strong>s erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e sorgfältige<br />

Dokumentation des gesamten Arbeitsprozesses.<br />

Dazu gehört neben <strong>der</strong> Offenlegung <strong>der</strong> Analyseschritte<br />

auch die Aufzeichnung von H<strong>in</strong>tergrundannahmen. Dadurch<br />

soll <strong>der</strong> weite Weg vom Datenmaterial zum Forschungser-<br />

58 EXISTENZANALYSE 2/97<br />

BUCHBESPRECHUNGEN<br />

HERMANN FALLER, JÖRG FROMMER (HG.)<br />

Qualitative Psychotherapieforschung<br />

Grundlagen und Methoden<br />

Heidelberg: Roland Asanger Verlag, 1994<br />

gebnis überschaubar bleiben. Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach<br />

Flexibilität sollen sich die e<strong>in</strong>zelnen Schritte im Laufe <strong>der</strong><br />

Analyse selbst herausbilden und Än<strong>der</strong>ungen erfolgen können.<br />

In dem o.a. Buch geht es aber nicht um e<strong>in</strong>en<br />

Methodenstreit bzw. um die Beweisführung, daß qualitative<br />

Forschung besser ist als quantitative, vielmehr zeigt es<br />

die Notwendigkeit, beide Forschungstraditionen zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />

Auch quantitative Verfahren enthalten qualitative<br />

Aspekte, z.B. beim Interpretationsprozeß, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite schließen qualitative Verfahren e<strong>in</strong>e anschließende<br />

Quantifizierung <strong>der</strong> gewonnenen Daten nicht aus. So f<strong>in</strong>det<br />

<strong>der</strong> Leser neben Beispielen für “qualitativ-<strong>in</strong>duktive”<br />

Untersuchungen auch solche für “qualitativ-quantifizierende”.<br />

Wesentlich dabei ist, nicht den Gegenstand <strong>der</strong> Methode,<br />

son<strong>der</strong>n vielmehr die Methode <strong>der</strong> jeweiligen Eigenart<br />

des Gegenstandes anzupassen. D.h. es hängt von <strong>der</strong> Fragestellung<br />

ab, welcher Zugang <strong>der</strong> angemessenere ist. Und<br />

genau dar<strong>in</strong> besteht die große Schwierigkeit, herauszuf<strong>in</strong>den,<br />

welche Methode bzw. welche Komb<strong>in</strong>ation von Methoden<br />

(oft werden jeweils nur Elemente entnommen) für<br />

die Untersuchung geeignet s<strong>in</strong>d.<br />

Wer nun vor dieser Aufgabe steht und sich von dem<br />

o.a. Buch e<strong>in</strong> Methodenhandbuch erwartet, denn dazu verleitet<br />

<strong>der</strong> Titel, wird zunächst enttäuscht se<strong>in</strong>. Es setzt sich<br />

zusammen aus Beiträgen von Forschern, die sich im Rahmen<br />

von zwei Tagungen zum Thema “Subjektives Erleben<br />

und Qualitative Forschung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychotherapie” über ihre<br />

Methoden und <strong>der</strong>en Möglichkeiten und Begrenzungen austauschten.<br />

<strong>Die</strong> Aufsätze, welche sowohl <strong>in</strong> methodischer als<br />

auch thematischer H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e große Vielfalt aufweisen,<br />

be<strong>in</strong>halten theoretische Aspekte, stellen die angewandten<br />

Methoden exemplarisch vor und diskutieren methodologische<br />

Probleme.<br />

Das Buch bietet daher e<strong>in</strong>en guten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den aktuellen<br />

Stand des relativ jungen Forschungszweiges <strong>der</strong><br />

qualitativen Psychotherapieforschung. Überdies wird dem<br />

Leser vermittelt, welche Vielfalt an Möglichkeiten die qualitative<br />

Forschung bietet, und er kann e<strong>in</strong> Gespür dafür bekommen,<br />

was unter “Gegenstandsangemessenheit <strong>der</strong> Forschungsmethoden”<br />

zu verstehen ist und wie e<strong>in</strong>e solche<br />

Auswahl aus <strong>der</strong> Methodenvielfalt im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Fragestellung<br />

erfolgen kann.<br />

Claudia Docsek

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