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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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26 EXISTENZANALYSE 2/97<br />

FALLBERICHT<br />

Darf ich me<strong>in</strong>en Job kündigen, um an<br />

mir selbst zu “arbeiten”?<br />

Der folgende Spot beschreibt den Therapieverlauf<br />

e<strong>in</strong>er Patient<strong>in</strong> mit hysterischer Neurose.<br />

Zunächst wird die anfängliche Lebenssituation<br />

<strong>der</strong> Klient<strong>in</strong> und danach kurz ihre<br />

Biografie geschil<strong>der</strong>t, wobei anzumerken ist,<br />

daß sich die biografische Analyse über weite<br />

Strecken <strong>der</strong> Therapie zog und nur <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>fachheit halber <strong>in</strong> komprimierter From<br />

wie<strong>der</strong>gegeben wird. Sodann erfolgt e<strong>in</strong>e<br />

Aufblendung jener Passagen <strong>der</strong> Therapie,<br />

wo die Grunddynamik <strong>der</strong> histrionischen<br />

Störung über die Themen Arbeit und Leistung<br />

<strong>in</strong> Angriff genommen wurde.<br />

Anna, e<strong>in</strong>e 25jährige Patient<strong>in</strong>, von Beruf Krankenschwester,<br />

kam vor ca. 3 ½ a zum Erstgespräch. Auf Anraten ihres<br />

Hausarztes, den sie die Monate zuvor wie<strong>der</strong>holt um<br />

Krankenstände wegen, wie sie es nannte “allgeme<strong>in</strong>er Ermüdung,<br />

e<strong>in</strong>fach Mattigkeit” gebeten hatte, wollte sie sich nun<br />

<strong>in</strong> Psychotherapie begeben. Für Existenzanalyse hatte sie<br />

sich schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit als Lehrschwester <strong>in</strong>teressiert; e<strong>in</strong><br />

Spitalspatient empfahl ihr damals Bücher von Viktor Frankl.<br />

Sie wollte sich selber f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong> o<strong>der</strong> durch die Psychotherapie,<br />

wollte leben lernen, so wie sie es selber <strong>in</strong>sgeheim<br />

für richtig befand.<br />

Auffallend war zum Zeitpunkt des Therapiebeg<strong>in</strong>ns das<br />

äußere Ersche<strong>in</strong>ungsbild <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>. Von mittlerer Größe<br />

und eher zierlichem Körperbau, wirkten die Bewegungen von<br />

Anna unrund und zaghaft, die Gestik war reichlich übertrieben.<br />

Im Grunde war Anna sehr hübsch, lächelte aber permanent,<br />

was den grellroten Lippenstift <strong>in</strong> dem sonst ungeschm<strong>in</strong>kten<br />

Gesicht noch deutlicher hervortreten ließ. Ihr<br />

Lächeln erreichte nicht die Augen. Ihre Kleidung war topmodisch,<br />

was noch von entsprechendem Schmuck unterstrichen<br />

wurde. Im Gegensatz dazu, daß sie über andauernde<br />

Müdigkeit klagte, wirkte sie be<strong>in</strong>ahe quirlig.<br />

Anna sprudelte auch sofort los. “Me<strong>in</strong> Job br<strong>in</strong>gt mich<br />

um, dabei b<strong>in</strong> ich aber gerne Krankenschwester. Da werde<br />

ich gebraucht, und die Patienten mögen mich alle. Vor den<br />

<strong>Die</strong>nsten geht´s mir nie gut, die Nächte s<strong>in</strong>d kaum durchzustehen,<br />

mir geht e<strong>in</strong>fach die Energie aus. Dann freue ich mich<br />

immer auf das Nachhausekommen, halte es aber alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Patricia Freitag<br />

me<strong>in</strong>er Wohnung gar nicht aus. Ich gehe dann mit allen<br />

möglichen Leuten fort, obwohl ich müde b<strong>in</strong>, und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wohnung bleibt alles liegen. Ich habe me<strong>in</strong> Leben nicht<br />

wirklich im Griff. Ich traue mich gar nicht richtig erzählen,<br />

wovon ich träume. Und dann immer nur arbeiten. Dabei geht<br />

es mir eigentlich gut, ich habe ja alles - Anna me<strong>in</strong>te damit<br />

ihr materielle Situation - und trotzdem b<strong>in</strong> ich unglücklich.<br />

Ich weiß eigentlich nicht wirklich, was ich will. Ausweg sehe<br />

ich auch ke<strong>in</strong>en.”<br />

Anna lebte zu diesem Zeitpunkt alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer eigenen<br />

kle<strong>in</strong>en Wohnung <strong>in</strong> Wien und verspürte große Angst vor<br />

E<strong>in</strong>samkeit. Sie arbeitete auf e<strong>in</strong>er Intensivstation und sprach<br />

über ihre Tätigkeit, als ob es sich um Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Privatsanatorium<br />

für gehobene Klientel mit momentanem Ruhebedürfnis<br />

handeln würde. Ihre Überfor<strong>der</strong>ung war ihr unerklärlich.<br />

<strong>Die</strong> Beziehungen zu ihren Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />

waren gespannt, ihr wurde vorgeworfen, sie sei launisch<br />

und unberechenbar, e<strong>in</strong>mal schmeichelweich und dann wie<strong>der</strong><br />

aus heiterem Himmel kratzbürstig. Überhaupt nehme sie<br />

alles zu persönlich, ständig müsse sich alles um sie und ihre<br />

diversen Wehwehchen und Problemchen drehen. Von allen<br />

erwarte sie Anteilnahme und Rücksicht. Auch ihre Arbeitsleistung<br />

wurde ihr vorgeworfen, denn da galt sie als äußerst<br />

ehrgeizig und streberisch, bemüht, <strong>der</strong> Obrigkeit zu gefallen.<br />

Sie selbst konnte dazu kaum Stellung nehmen, me<strong>in</strong>te<br />

nur, ke<strong>in</strong>er verstehe sie o<strong>der</strong> möge sie wirklich.<br />

Privat hatte sie e<strong>in</strong>en großen Bekanntenkreis, konnte<br />

aber nicht sagen, ob sie eigentlich auch ihr nahestehende<br />

Freunde hätte. Nach ihrer eigenen Aussage ließ sie niemanden<br />

so richtig nahe an sich heran, weil sie sich für ihre bäuerliche<br />

Herkunft und altmodische Erziehung schämte. So<br />

erzählte sie kaum von sich, beobachtete meist nur wie sie auf<br />

an<strong>der</strong>e wirkte, was wie<strong>der</strong>um zur Folge hatte, daß das persönliche<br />

Interesse an<strong>der</strong>er an ihr meist sehr schnell abnahm.<br />

Ihr Zusammense<strong>in</strong> mit an<strong>der</strong>en beschränkte sich auf diverse<br />

Aktivitäten wie Clubb<strong>in</strong>gs und Discotouren, wobei, wie sie<br />

betonte, dabei ja ke<strong>in</strong>e Zeit zum Reden sei. Nebenbei hatte<br />

sie allerlei Kurse besucht, e<strong>in</strong>en Englischkurs, e<strong>in</strong>en Malkurs,<br />

e<strong>in</strong>en Schreibkurs, <strong>der</strong> versprach, die Teilnehmer <strong>in</strong> die<br />

Kunst des Bücher Verfassens e<strong>in</strong>zuführen, diverse Esoterikwochenenden.<br />

Sie besuchte auch regelmäßig Schweigeexerzitien,<br />

weil ihr e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> dort anwesenden Priester gefiel.<br />

Anna litt unter ihren wechselnden Interessen, hatte das<br />

Gefühl, sich dar<strong>in</strong> zu verlieren.<br />

An den freien Wochenenden fuhr sie regelmäßig auf den

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