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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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häufiger auftritt als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Durchschnittsbevölkerung (ähnliche<br />

Ergebnisse auch bei Bämayr & Feuerle<strong>in</strong> 1984). Dabei<br />

darf allerd<strong>in</strong>gs nicht übersehen werden, daß <strong>der</strong> Selbstmord<br />

bei Frauen (und auch Ärzt<strong>in</strong>nen) generell viel seltener<br />

ist als bei Männern.<br />

Karazman (1994) wies nach, daß die wöchentliche Arbeitszeit<br />

bei Ärzten sich vor allem auf die emotionale Erschöpfung<br />

nie<strong>der</strong>schlägt. <strong>Die</strong> Leistungsfähigkeit wird durch<br />

die Stundenzahl weniger betroffen, und die<br />

Depersonalisation zeigt ke<strong>in</strong>en signifikanten Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> geleisteten Arbeitsstunden.<br />

Grobe Schätzungen mit Hilfe des MBI (Maslach<br />

Burnout Inventory) <strong>in</strong> den USA geben e<strong>in</strong>e Prävalenzrate<br />

von 10 bis 25 Prozent bei sozialen Berufen an (Schaab et<br />

al. 1993, 47). Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die Normkategorien nicht<br />

kl<strong>in</strong>isch validiert, so daß bei solchen Angaben Vorsicht<br />

geboten ist bezüglich Aussagen über die Prävalenz.<br />

<strong>Die</strong> Stadien-E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong> Entwicklung des Burnout wird<br />

unterschiedlich gehandhabt. Während Freudenberger anfangs<br />

nur zwei Stadien unterschied (e<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dendes und<br />

danach e<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dungsloses - vgl. Burisch 1989, 19) beschreibt<br />

er 1992 bereits 12 Stadien:<br />

Stadium 1: Der Zwang sich zu beweisen<br />

Stadium 2: Verstärkter E<strong>in</strong>satz<br />

Stadium 3: Subtile Vernachlässigungen eigener Bedürfnisse<br />

Stadium 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen<br />

Stadium 5: Umdeutung von Werten<br />

Stadium 6: Verstärkte Verleugnung <strong>der</strong> aufgetretenen Probleme<br />

Stadium 7: Rückzug<br />

Stadium 8: Beobachtbare Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />

Stadium 9: Depersonalisation / Verlust des Gefühls für<br />

die eigene Persönlichkeit<br />

Stadium 10: Innere Leere<br />

Stadium 11: Depression<br />

Stadium 12: Völlige Burnout-Erschöpfung<br />

(Freudenberger 1992, 122-156)<br />

Maslach teilt die Stadien zumeist <strong>in</strong> vier Abschnitte e<strong>in</strong><br />

(vgl. auch Karazman 1994, Burisch 1989, 19):<br />

1. Idealismus und Überfor<strong>der</strong>ung<br />

2. Emotionale und physische Erschöpfung<br />

3. Dehumanisierung als Gegenmittel<br />

4. Term<strong>in</strong>ales Stadium: Wi<strong>der</strong>willensyndrom (gegen sich -<br />

gegen an<strong>der</strong>e - schließlich gegen alles) und Zusammenbruch<br />

(Kündigung, Krankheit).<br />

Ätiologisch werden drei e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ergänzende Erklärungsmodelle<br />

unterschieden (vgl. Schaab et al. 1993, 46):<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong>dividuell-psychologischen Erklärungen betonen<br />

die Diskrepanz zwischen dem zu hohen Erwartungshorizont<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die Arbeit und <strong>der</strong> Wirklichkeit des Alltags.<br />

<strong>Die</strong> sozial-psychologischen Erklärungen sehen im belastenden<br />

Umgang mit an<strong>der</strong>en Menschen die Ursache (z.B.<br />

bei Maslach).<br />

<strong>Die</strong> organisatorisch-psychologischen Erklärungen se-<br />

ORIGINALARBEITEN<br />

hen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation die Ursache des Burnouts (z.B.<br />

Cherniss 1980: zu wenig Autonomie, Rollenkonflikte, zu<br />

wenig Unterstützung und Feedback von <strong>der</strong> Leitung, zu<br />

hohe Erwartungen an die Mitarbeiter usw.).<br />

Im folgenden wird nun versucht, das Burnout existenzanalytisch<br />

zu beschreiben. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>dividuell-psychologisches Erklärungsmodell. Dabei wird<br />

auch <strong>der</strong> Versuch gemacht, auf die Dynamik <strong>der</strong> Entstehung<br />

des Burnouts e<strong>in</strong>zugehen und die existentielle Haltung, die<br />

zum Burnout führt, zu beschreiben. E<strong>in</strong>ige Überlegungen<br />

zur Prävention werden angestellt.<br />

2. <strong>Die</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Burnout-Symptome<br />

unter existenzanalytischen Gesichtspunkten<br />

Unter Burnout verstehen wir e<strong>in</strong>en arbeitsbed<strong>in</strong>gten anhaltenden<br />

Erschöpfungszustand. <strong>Die</strong>s ist das Leitsymptom und<br />

durchgängige Charakteristikum des Burnouts, von dem alle<br />

an<strong>der</strong>en Symptome abgeleitet werden können. Der Erschöpfungszustand<br />

betrifft zunächst das Bef<strong>in</strong>den und bee<strong>in</strong>flußt<br />

<strong>in</strong> unmittelbarer Folge das Erleben, später dann auch Entscheidungen,<br />

E<strong>in</strong>stellungen, Haltungen und Handlungen.<br />

<strong>Die</strong> Erschöpfung umfaßt das Bef<strong>in</strong>den <strong>in</strong> allen drei Dimensionen<br />

des Menschse<strong>in</strong>s, wie sie Frankl (1959) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Anthropologie beschrieben hat:<br />

Somatische Dimension: körperliche Schwäche, funktionelle<br />

Störungen (z.B. Schlaflosigkeit)<br />

bis zu Krankheitsanfälligkeiten.<br />

Psychische Dimension: Lustlosigkeit, Freudlosigkeit,<br />

emotionale Erschöpfung, Reizbarkeit.<br />

Noetische Dimension: Rückzug von Anfor<strong>der</strong>ungen und<br />

Beziehungen, entwertende Haltungen<br />

zu sich und zur „Welt“.<br />

E<strong>in</strong>e solche anhaltende Störung des Bef<strong>in</strong>dens ist e<strong>in</strong> Erlebensh<strong>in</strong>tergrund,<br />

<strong>der</strong> alle weiteren Erfahrungen massiv<br />

e<strong>in</strong>färbt. Das Erleben von sich selbst und <strong>der</strong> Welt ist durch<br />

das anhaltende Ausbleiben <strong>der</strong> somato-psychischen Kraft<br />

von e<strong>in</strong>em Gefühl <strong>der</strong> Leere gekennzeichnet, das mit e<strong>in</strong>er<br />

zunehmenden geistigen Orientierungslosigkeit e<strong>in</strong>hergeht.<br />

Zur Leere gesellt sich daher früher o<strong>der</strong> später e<strong>in</strong><br />

S<strong>in</strong>nlosigkeitsgefühl, das sich auf immer mehr Aspekte des<br />

Lebens ausweitet (von <strong>der</strong> Arbeit auf die Freizeit und das<br />

Privatleben) und schließlich das ganze Leben erfassen<br />

kann.<br />

3. Burnout als Son<strong>der</strong>form des existentiellen<br />

Vakuums<br />

Frankl def<strong>in</strong>iert das existentielle Vakuum anhand von zwei Defiziten:<br />

dem Verlust des Interesses, was zur Langeweile führe,<br />

und dem Mangel an Initiative, was zur Apathie führe. Als Folge<br />

von Interessensverlust und Initiativeverlust trete e<strong>in</strong> abgründiges<br />

S<strong>in</strong>nlosigkeitsgefühl auf (Frankl 1983, 10, 140 ff.).<br />

EXISTENZANALYSE 2/97 13

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