Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
E<strong>in</strong> Leben unter Mißachtung des Eigenwertes des an<strong>der</strong>en<br />
und des eigenen Lebens br<strong>in</strong>gt Streß mit sich. Beschreibt<br />
man Streß erlebnisbezogen, so entsteht er aus e<strong>in</strong>er fehlenden<br />
Wertberührung: das, was man tut, wird nicht als wertvoll<br />
empfunden und gefühlt, wie e<strong>in</strong>gangs erwähnt. Beschreibt<br />
man Streß existentiell, so liegt ihm allemal e<strong>in</strong><br />
fehlendes E<strong>in</strong>verständnis mit <strong>der</strong> unmittelbaren Tätigkeit zu<br />
Grunde. <strong>Die</strong>s ist existenzanalytisch die tiefste Wurzel von<br />
Streß: etwas zu tun, ohne es wirklich zu wollen und mit<br />
dem Herzen dabei zu se<strong>in</strong> (“dis-kordantes Leben”).<br />
Hier läßt sich nun das Problem des Burnouts existenzanalytisch<br />
auf den Punkt br<strong>in</strong>gen und das, was weiter oben<br />
unter logotherapeutischen und motivationstheoretischen<br />
Gesichtspunkten beschrieben wurde, zusammenfassen. <strong>Die</strong><br />
Entleerung, das Erfüllungsdefizit, die psychische Bedürftigkeit<br />
und <strong>der</strong> Verlust des Lebensgefühls haben existenzanalytisch<br />
gesehen e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Ursprung. Sie entstehen<br />
letztlich, weil ohne <strong>in</strong>nere Zustimmung zum Inhalt<br />
<strong>der</strong> realen Tätigkeit gelebt wird.<br />
These 5: Burnout und Streß entstehen durch e<strong>in</strong><br />
Leben ohne <strong>in</strong>nere Zustimmung zum Inhalt <strong>der</strong><br />
Tätigkeit.<br />
Wenn <strong>der</strong> Mensch über längere Zeit e<strong>in</strong>er Tätigkeit (etwa<br />
e<strong>in</strong>em Beruf) nachgeht und Zeit dafür aufwendet, ohne e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>nere Beziehung dazu zu haben, also den Eigenwert <strong>der</strong><br />
Aufgabe nicht sieht, ihrem Inhalt deshalb (o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en<br />
Gründen) nicht zustimmen kann, sich ihm daher nicht<br />
wirklich h<strong>in</strong>geben kann, dann muß sich zwangsläufig e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>nere Entleerung, e<strong>in</strong>e Art „Vor-Depression“ e<strong>in</strong>stellen,<br />
weil ja ke<strong>in</strong> (dialogischer) Austausch stattf<strong>in</strong>det, <strong>in</strong> welchem<br />
<strong>der</strong> Mensch nicht nur gibt, son<strong>der</strong>n auch erhält. So<br />
kommt es zu <strong>der</strong> beschriebenen Divergenz zwischen Intention<br />
und Intentionalität, Bedürftigkeit und Bedarf, Erfüllen<br />
und Erfüllung, Ziel und Wert.<br />
<strong>Die</strong> zielorientierte, nicht existentielle Lebenshaltung,<br />
<strong>der</strong> die Tätigkeiten untergeordnet werden, stellt e<strong>in</strong> Leben<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er distanten Position dar. Man hält sich fern, geht eigentlich<br />
ke<strong>in</strong>e Beziehungen e<strong>in</strong>, wenn man die <strong>in</strong>nere Zustimmung<br />
zur Sache nicht gibt,wodurch e<strong>in</strong>e Art “emotionaler<br />
Tod” e<strong>in</strong>tritt: die Arbeit wird unlebendig, “tödlich”,<br />
wird nur “erledigt”, um sie weg zu haben, o<strong>der</strong> ist leerer<br />
Ersatz für die fehlende Nähe und das ausbleibende<br />
Berührtse<strong>in</strong>, wie es sonst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er affirmativen Offenheit <strong>der</strong><br />
Fall ist; <strong>der</strong> Mensch selbst wird leblos, leer. Man könnte<br />
auch sagen: Wer viel erledigt, <strong>der</strong> ist bald selbst erledigt.<br />
<strong>Die</strong> Beziehungslosigkeit ist <strong>der</strong> eigentliche Schaden, den<br />
die <strong>Person</strong> mit ihrer Haltung sich selbst und <strong>der</strong> Umgebung<br />
zufügt. <strong>Die</strong>ser Schaden bleibt nicht ohne Folgen. Wie alle<br />
Störungen auf <strong>der</strong> Beziehungs-Ebene (entsprechend <strong>der</strong> 2.<br />
Grundmotivation) mündet auch diese <strong>in</strong> den depressiven<br />
Formenkreis. Das Burnout ist e<strong>in</strong>e Art Depression (Erschöpfungsdepression<br />
nach Kielholz - vgl. Pöld<strong>in</strong>ger 1994),<br />
die ohne Traumatisierung und biologische Schwankungen<br />
ORIGINALARBEITEN<br />
alle<strong>in</strong> durch den langsamen Verlust von Lebens-Werten<br />
entsteht.<br />
These 6: H<strong>in</strong>ter dem Burnout steht e<strong>in</strong>e doppelte<br />
Beziehungsarmut<br />
nach außen<br />
zu an<strong>der</strong>en Menschen<br />
und zur Tätigkeit<br />
nach <strong>in</strong>nen<br />
zu sich selbst und<br />
zu den Emotionen<br />
Leere und Gereiztheit<br />
(Erschöpfungs-Depression)<br />
Burnout entsteht somit über e<strong>in</strong>e Abfolge von mehreren<br />
Schritten, die ihren Ausgang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nicht-existentiellen<br />
Lebenshaltung nehmen - e<strong>in</strong>er Haltung, die zwar auch nach<br />
erfülltem Leben sucht, sich aber nicht an den Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>der</strong> Existenz orientiert. <strong>Die</strong> Kaskade nimmt ihren Verlauf<br />
über das existentielle Vakuum (Erfüllungsdefizit), die<br />
Fremdmotivation, die dadurch entstehende subjektive Bedürftigkeit,<br />
die e<strong>in</strong>e utilitaristische Lebense<strong>in</strong>stellung zur<br />
Folge hat. In ihr fehlt die <strong>in</strong>nere Zustimmung, was die doppelte<br />
Beziehungslosigkeit (zu an<strong>der</strong>en und zu sich selbst)<br />
ausmacht und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Störung <strong>der</strong> zweiten Grundmotivation<br />
mündet. Als tiefsten Grund und Ursprung des Burnouts<br />
wird e<strong>in</strong>e Defizienz personal-existentieller Grundmotivationen<br />
gesehen, wie im folgenden noch gezeigt wird.<br />
These 7: Burnout ist die psychische Rechnung für<br />
e<strong>in</strong> schon lange verfremdetes, beziehungsarmes<br />
Leben.<br />
6. Der Ursprung <strong>der</strong> Bedürftigkeit und die<br />
Frustration personal-existentieller Grundmotivationen<br />
H<strong>in</strong>ter jedem Burnout steht e<strong>in</strong>e Dynamik, <strong>der</strong>en Wurzeln<br />
existenzanalytisch mit <strong>der</strong> Frustration <strong>der</strong> personal-existentiellen<br />
Grundmotivationen <strong>in</strong> Zusammenhang stehen. Dadurch<br />
s<strong>in</strong>d die Voraussetzungen für e<strong>in</strong> existentielles Leben<br />
nicht gegeben, und <strong>der</strong> Mensch kann nicht mit <strong>in</strong>nerer<br />
Zustimmung leben. Der existentielle Mangel hat e<strong>in</strong>e psychische<br />
Bedürftigkeit zur Folge. E<strong>in</strong> Leben mit großem<br />
E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Beziehungsarmut gelebt, führt, wie gesagt, zu<br />
dem e<strong>in</strong>gangs beschriebenen Defizit an Erleben von Werten<br />
und damit zu e<strong>in</strong>er zunehmenden Leere und Unzufriedenheit<br />
(psychische Frustration), die dann als Schutzreaktion<br />
e<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>willen auslöst (psychisches Cop<strong>in</strong>g).<br />
Soweit wurde das Burnout bereits beleuchtet und <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
mit psychischer Bedürftigkeit gebracht.<br />
EXISTENZANALYSE 2/97 17