Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International
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zielt auf bereits Be- und Erarbeitetes, er gilt <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit bereits erstellten Produkten und Strukturen.<br />
Gleichwohl bleibt die Beziehung zur Natur die<br />
grundlegende Beziehung - verdeckt von ausgestreckten<br />
und verästelten Reihen von Umwandlungsprozessen, wor<strong>in</strong><br />
materiale Gegebenheiten stets aufs Neue und Weitere<br />
geformt werden, bildet die Natur die unumgängliche Basis,<br />
<strong>in</strong> ihr die Quelle für alle Ausgangsbestände. Mit <strong>der</strong><br />
unaufhebbaren Verwiesenheit aber geht es dieser Arbeit<br />
im Potential ihrer E<strong>in</strong>griffstiefe, ihrer Möglichkeit, zu<br />
elementaren Gegebenheiten und Verhältnissen des Natürlichen<br />
vorzudr<strong>in</strong>gen, nicht länger um Erhaltung gegen die<br />
Natur: <strong>der</strong>en Wi<strong>der</strong>ständigkeit und Fremdheit sche<strong>in</strong>t sich<br />
angesichts <strong>der</strong> Durchdr<strong>in</strong>gungspotenz solchen Arbeitens<br />
aufzulösen.<br />
<strong>Die</strong> angeführten Gesichtspunkte för<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e bezeichnende<br />
Mehrdeutigkeit vor den Blick. <strong>Die</strong> Arbeit <strong>der</strong><br />
Selbsterhaltung richtet sich ke<strong>in</strong>eswegs nur auf bloße Sicherung.<br />
Sie zielt auf mehr: sie strebt nach Maximierung<br />
und Optimierung <strong>der</strong> Möglichkeiten, am Ende auf die Steigerung<br />
humanen Selbstse<strong>in</strong>könnens überhaupt. Gewiß: das<br />
sogenannte “humane Selbst” bildet nur e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Größen<br />
im komplexen Feld arbeitsbewegen<strong>der</strong> Faktoren, dem Feld<br />
ökonomischer, technischer, sozialer und politischer Faktoren<br />
- e<strong>in</strong>e Größe freilich, die <strong>in</strong> aller ihrer Bed<strong>in</strong>gtheit<br />
so lange als mitmobilisierende und mitorientierende Größe<br />
<strong>in</strong> Rechnung zu stellen ist, als von Arbeit als humaner<br />
Arbeit gesprochen werden soll, also im Gedächtnis zu bewahren<br />
ist, daß Arbeit, wie auch immer veranstaltet und<br />
vollzogen, e<strong>in</strong> humanes Unternehmen ist. In Bezug auf<br />
diese Größe aber ist mit dem erörterten Zusammenhang<br />
die Frage zu stellen: For<strong>der</strong>t das humane Selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Auffassung von sich und se<strong>in</strong>er Erfahrung von Welt die<br />
angesprochene Steigerung, weil diese Steigerung erst e<strong>in</strong>e<br />
akzeptable Erhaltung garantiert? Muß demgegenüber die<br />
Verschränkung von Erhaltung und Steigerung angesichts<br />
<strong>der</strong> Dynamik mo<strong>der</strong>nen Arbeitens neu bedacht werden -<br />
<strong>in</strong> kritischer Bes<strong>in</strong>nung auf unser “Selbst”, was es sei und<br />
se<strong>in</strong> könne? <strong>Die</strong> Steigerung führt auf den Weg unablässig<br />
anwachsen<strong>der</strong> Aneignung, am Ende <strong>in</strong> Sucht und Wahn<br />
unbeschränkten Mehr-haben-müssens. Der Pathologie<br />
solchen Selbstse<strong>in</strong>s steht die an<strong>der</strong>e Nachseite <strong>der</strong> Selbsterhaltung<br />
gegenüber. <strong>Die</strong> Arbeit <strong>der</strong> Selbsterhaltung überschreitet<br />
<strong>in</strong> ihren Optimierungsleistungen die Natur, sie<br />
bildet zunehmend verflochtenere Systeme humaner<br />
Lebenssicherung aus. <strong>Die</strong> Komplexität <strong>der</strong> Systeme verlangt<br />
e<strong>in</strong>e zunehmende Differenzierung und Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Erhaltungsleistung und ihrer Arbeit. Was Arbeit jeweils<br />
den E<strong>in</strong>zelnen nunmehr zu erbr<strong>in</strong>gen hat, bed<strong>in</strong>gt<br />
sich aus den Anfor<strong>der</strong>ungen von Energierechnungen, Fernsehgebühren,<br />
Krankenkassen - Anfor<strong>der</strong>ungen, welche für<br />
die E<strong>in</strong>zelnen ihrerseits als pure Lebensnotwendigkeiten<br />
auftreten mögen. Mit diesen Anfor<strong>der</strong>ungen aber geht es<br />
auch um jene Art <strong>der</strong> Lebensführung, wor<strong>in</strong> sich für die<br />
e<strong>in</strong>zelnen soziale Anerkennung f<strong>in</strong>den läßt, wor<strong>in</strong> nicht<br />
ausschließlich, aber doch auch Bed<strong>in</strong>gungen personaler<br />
Identität, <strong>der</strong> Selbstbejahung und Selbstbestätigung gege-<br />
ORIGINALARBEITEN<br />
ben s<strong>in</strong>d: <strong>in</strong> und durch se<strong>in</strong>e Arbeit so leben zu können,<br />
wie man gängig lebt. <strong>Die</strong> Gegebenheiten verschärfen den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsdruck <strong>der</strong> Arbeit: In ihr eben s<strong>in</strong>d alle diese<br />
Notwendigkeiten zu leisten. Der Anfor<strong>der</strong>ungsdruck<br />
konfrontiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Problemlage <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne mit e<strong>in</strong>er bezeichnenden<br />
Wendung: die Aufgabe <strong>der</strong> Selbsterhaltung<br />
verb<strong>in</strong>det sich nunmehr mit <strong>der</strong> Notwendigkeit, sich vorab<br />
und vor allem se<strong>in</strong>e Arbeit zu erhalten.<br />
Was die Arbeit <strong>der</strong> Selbsterhaltung bereitstellt, dient<br />
auch <strong>der</strong> Selbstgestaltung und <strong>der</strong> Selbstverwirklichung.<br />
<strong>Die</strong>s gilt freilich alle<strong>in</strong> für die Produkte, nicht für den Prozeß<br />
<strong>der</strong> Arbeit. Eben dies beanspruchen die beiden folgenden<br />
Gesamtbestimmungen: Selbstgestaltung und Selbstverwirklichung<br />
im Vorgang solchen Arbeitens selbst zu<br />
unternehmen. Mit den Zielbestimmungen “Selbstgestaltung”<br />
und “Selbstverwirklichung” wird jene Auffassung<br />
def<strong>in</strong>itiv zurückgelassen, es sei Arbeit e<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong>e<br />
“wirtschaftliche Tätigkeit”. So gilt zunächst für “Arbeit<br />
als Selbstgestaltung”: die Aktionsart <strong>der</strong> Arbeit wird als<br />
die humane Tätigkeit verstanden, wor<strong>in</strong> Menschen ihre<br />
<strong>in</strong>neren Anlagen entfalten, ihre Begabungen ausformen<br />
und zu <strong>der</strong>en optimaler Gestalt beför<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> Entfaltung<br />
und Ausformung gelangt zu sichtbarer Wirksamkeit<br />
und Wirklichkeit, was dem jeweiligen “Selbst” an Möglichkeiten<br />
<strong>in</strong>newohnt. <strong>Die</strong> Ausformung <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Möglichkeiten<br />
gestaltet, was jemand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em “Selbst” ist, für<br />
sich wie für an<strong>der</strong>e se<strong>in</strong> kann. <strong>Die</strong> Leistung läßt kenntlich<br />
werden, <strong>in</strong> welchem Grade die “Arbeit <strong>der</strong> Selbstgestaltung”<br />
von sich aus zur “Arbeit <strong>der</strong> Selbstverwirklichung”<br />
führt. Am Ende nämlich kann es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entfaltung<br />
<strong>in</strong>nerer Möglichkeiten um das gehen, was e<strong>in</strong><br />
“Selbst” im Ganzen ausmacht: Anlagen, Fähigkeiten,<br />
Begabungen, Fähigkeiten zur Wirklichkeit zu beför<strong>der</strong>n,<br />
be<strong>in</strong>haltet daher nichts weniger, denn wirklich werden zu<br />
lassen, was e<strong>in</strong> “Selbst” <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Selbstverständnis und<br />
se<strong>in</strong>er Identität <strong>in</strong>sgesamt ist und se<strong>in</strong> kann.<br />
<strong>Die</strong> Gesamtbestimmungen von Arbeit als “Selbstgestaltung”<br />
und “Selbstverwirklichung” gründen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
gewichtigen anthropologischen Voraussetzung: <strong>der</strong> Annahme,<br />
es sei <strong>der</strong> Mensch im Kern se<strong>in</strong>er Humanität<br />
gestaltungsbedürftig und verwirklichungsverwiesen. <strong>Die</strong><br />
Annahme enthält e<strong>in</strong>e Gesamtdeutung <strong>der</strong> conditio<br />
humana: sie versteht den Menschen als anfänglich gestaltloses<br />
und unwirkliches Wesen, dessen wahrhafte<br />
Wirklichkeit erst zu gew<strong>in</strong>nen ist. Eben dies ist <strong>der</strong> Arbeit<br />
anvertraut - und eben die Aufgabe bezeugt die fundamentale<br />
Bedeutung, welche <strong>der</strong>en Aktivität übertragen<br />
ist. Arbeit gilt als Prozeß, welcher die Leistung solcher<br />
Gestaltung und Verwirklichung am angemessensten zu<br />
erfüllen vermag: Als Prozeß <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />
<strong>der</strong> selbsteigenen Wi<strong>der</strong>ständigkeit von Materialien, von<br />
Natur und Welt. Dem Prozeß solchen Arbeitens ist jedoch<br />
nicht alle<strong>in</strong> zugedacht, das humane Selbst <strong>in</strong> Wirklichkeit<br />
überzuführen. <strong>Die</strong> Arbeit dieser Gestaltung und Verwirklichung<br />
schreibt das verwirklichte Selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren<br />
Möglichkeiten zugleich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Materialien, formt diese<br />
um nach Maßgabe jenes Selbsts <strong>in</strong> Leistungen<br />
EXISTENZANALYSE 2/97 9