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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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selben <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g, Beirut, Wien, Tuttl<strong>in</strong>gen und Steyr, son<strong>der</strong>n<br />

die Stereotype und Standardisierung wird <strong>in</strong> allen ehemals<br />

kultivierten Bereichen weiter voranschreiten.<br />

Kultur als Lebenselbstzeugung<br />

Wir haben versucht, Ursprung wie mögliche Zerstörung von<br />

Arbeit und Wirtschaft aus ihrem orig<strong>in</strong>ären Entstehungsakt<br />

als solchem heraus aufzuweisen, denn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er strengen<br />

Phänomenologie kann ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Erklärungspr<strong>in</strong>zip als<br />

das Wie des jeweiligen Ersche<strong>in</strong>ens selbst <strong>in</strong> Anspruch<br />

genommen werden. Zu vertiefen bleibt abschließend noch,<br />

daß <strong>der</strong> absolut phänomenologische Lebensursprung <strong>in</strong> sich<br />

e<strong>in</strong> kultureller ist. <strong>Die</strong>s bedeutet, daß wir vor unserer sichtbaren<br />

Weltgeburt bereits kulturelle Wesen s<strong>in</strong>d, ohne e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten nationalen o<strong>der</strong> europäischen Kultur damit das<br />

Wort reden zu wollen. Damit dürfte zugleich auch an den<br />

Tag treten, was jede Therapie grundsätzlich mit e<strong>in</strong>er solch<br />

orig<strong>in</strong>ären Kultur zu tun hat, denn die Modalisierung des<br />

e<strong>in</strong>gangs schon genannten <strong>in</strong>neren Lebenspathos als Übergang<br />

von Freude und Leid bildet das Grundwesen des kulturellen<br />

Se<strong>in</strong>s selbst. <strong>Die</strong>ser absolute Übergang ist als<br />

wesenhaft notwendige Verwandlung <strong>in</strong> die<br />

phänomenologisch affektive Materialität des Lebens selbst<br />

e<strong>in</strong>geschrieben, <strong>in</strong>sofern subjektives Leben <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em absoluten<br />

Sichgeben Empfangen wie Weiterzeugen eben dieses<br />

Lebens ist. <strong>Die</strong> Höhepunkte je<strong>der</strong> Kultur s<strong>in</strong>d dionysisch<br />

Trunkenheit <strong>der</strong> Freude wie des abgrundtiefen Durchleidens<br />

im Schmerz, um <strong>in</strong> apoll<strong>in</strong>ischer Vollendung des<br />

ästhetischen Sche<strong>in</strong>s unserer E<strong>in</strong>bildung e<strong>in</strong>e Existenz erträglich<br />

zu machen, die <strong>der</strong> Unendlichkeit des lebendigen<br />

Begehrens entspricht, um nochmals auf Nietzsche h<strong>in</strong>zuweisen.<br />

Das kulturelle Schaffen e<strong>in</strong>es Werkes entspricht<br />

dem Stattgeben dieses Begehrens, um dessen zunächst re<strong>in</strong><br />

passiv gegebenes Verlangen <strong>in</strong> Freude zu verwandeln, so<br />

wie Genuß und Befriedigung demselben Begehren auf <strong>der</strong><br />

Seite des Betrachters, Zuhörers o<strong>der</strong> Teilhabers an kulturellen<br />

Werken korrespondieren. <strong>Die</strong>ses Sicherfreuen erklärt,<br />

warum wir von e<strong>in</strong>er afrikanischen Kultmaske ebenso ergriffen<br />

se<strong>in</strong> können wie von e<strong>in</strong>er Bachschen Tonkomposition<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>zeichnung.<br />

Therapie, Wirtschaft und Arbeit liegen <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht<br />

deshalb nicht weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Ist nämlich <strong>der</strong> Übergang<br />

von Schmerz und Freude das urphänomenologische<br />

Lebensgesetz selbst, dann ist diese Notwendigkeit des<br />

umfassenden Lebenspathos als solche Freude und als solcher<br />

Schmerz des Übergangs genau <strong>in</strong> jedes Gefühl wie <strong>in</strong><br />

jede Anstrengung e<strong>in</strong>geschrieben. In je<strong>der</strong> Emotion wie <strong>in</strong><br />

je<strong>der</strong> Arbeit wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat <strong>der</strong> Prozeß des Lebensempfangs<br />

als mit sich identischer Lebensselbstzeugung realisiert,<br />

so daß ke<strong>in</strong> Augenblick unseres Lebens auch im<br />

existentiellen S<strong>in</strong>ne davon ausgenommen ist. Zu jedem<br />

Zeitpunkt vollzieht sich an<strong>der</strong>s gesagt unsere <strong>in</strong>nere<br />

„Inkulturation“ dank <strong>der</strong> unterschiedlichen tonalen Über-<br />

24 EXISTENZANALYSE 2/97<br />

ORIGINALARBEITEN<br />

gänge des affektiven Lebens <strong>in</strong> uns, so daß die bescheidenste<br />

lebensweltliche Geste e<strong>in</strong>er jeden Verrichtung am gesamten<br />

<strong>in</strong>neren Reichtum unserer Möglichkeiten teilhat. <strong>Die</strong><br />

Therapie wirkt darauf h<strong>in</strong>, daß dieses <strong>in</strong>nere Pathos nicht<br />

e<strong>in</strong>seitig mit Blick auf Trauer, Schmerz o<strong>der</strong> Zwang verzerrt<br />

bleibt, während die Wirtschaft - im letzten gesehen -<br />

die Sammlung <strong>der</strong> unzählbar alltäglichen Arbeitsanstrengungen<br />

darstellt, um die Lebensbereicherung zu ermöglichen,<br />

welche als Steigerung des Lebensgefühls immer<br />

nur e<strong>in</strong>e ästhetische Kultivierung als s<strong>in</strong>nliche Verfe<strong>in</strong>erung<br />

se<strong>in</strong> kann.<br />

In diesem „Mehr“ <strong>der</strong> Freude, das von ke<strong>in</strong>er Anstrengung<br />

vorausgeplant werden kann, weil diese Freude sich<br />

<strong>der</strong> Nicht<strong>in</strong>tentionalität <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Lebensselbstmotivation<br />

verdankt, gelangt das Leben zur Feier dieses ihm eigentümlichen<br />

„Mehr“, das uns als absolute Lebensgabe als e<strong>in</strong><br />

nicht er<strong>in</strong>nerbares „Voraus“ gegeben ist. Es ist daher ke<strong>in</strong>e<br />

historische Zufälligkeit, wenn die ältesten religiösen<br />

Bekenntnisse und Symbole auf dem Boden des<br />

Wirtschaftens gerade erwachsen s<strong>in</strong>d, wie etwa die nicht<br />

gefälschte Waage <strong>der</strong> Gerechtigkeitsgottheit Maat <strong>in</strong> Ägypten<br />

o<strong>der</strong> des olympischen Zeus <strong>in</strong> Griechenland, <strong>der</strong> durch<br />

Hermes als Gott <strong>der</strong> Kaufleute vertreten wird. Denn Anbetung<br />

wie Ethik, die hier<strong>in</strong> enthalten s<strong>in</strong>d, besagen <strong>in</strong> ihrer<br />

Sakralität nichts an<strong>der</strong>es, als daß die Gebote unter den<br />

Menschen als Lebendigen dem phänomenologischontologischen<br />

Wesensgesetz des Lebens selbst zu entsprechen<br />

haben: nämlich dessen volle Selbstzeugung überall<br />

dort wie<strong>der</strong> zu ermöglichen, wo diese zum Stillstand gekommen<br />

zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. <strong>Die</strong> abstrakte „Komplexität“ <strong>der</strong><br />

Wirtschaft, die heute oft als „Sachzwang“ erklärend <strong>in</strong><br />

Anspruch genommen wird, darf folglich nicht zum Sche<strong>in</strong>etikett<br />

für den Realprozeß des immanenten Lebens werden,<br />

<strong>in</strong>dem diese Komplexität me<strong>in</strong>t, sich dessen<br />

phänomenologischer Absolutheit irgendwie substituieren zu<br />

können - etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Utopie e<strong>in</strong>er total verwalteten Zukunft<br />

anstelle des sogenannten „irrational-chaotischen“ Lebens.<br />

Wirtschaft als orig<strong>in</strong>äre Kultur zu verstehen, bedeutet<br />

daher nicht, e<strong>in</strong>en neuen theoretischen Diskurs e<strong>in</strong>zuführen,<br />

wie zum Beispiel heute <strong>in</strong> <strong>der</strong> sogenannten Diszipl<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

„Wirtschaftskultur“, um S<strong>in</strong>nmotivationen für Management,<br />

Belegschaft und Verbraucher zu liefern. Streng genommen<br />

ist Wirtschaftskultur im Grunde e<strong>in</strong> Pleonasmus, denn <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> bisherigen Menschheitsentwicklung fiel das „Wirtschaften“<br />

nie aus <strong>der</strong> kulturellen Gesamtentfaltung <strong>der</strong> menschlichen<br />

Möglichkeiten heraus, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>s mit Religion,<br />

Ethik, Wissenschaft und Kunst die Kultur als Leben und<br />

das Leben als Kultur zu verwirklichen. Erst die methodologisch-szientistische<br />

Barbarei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne seit Galilei<br />

führte e<strong>in</strong>e Trennung <strong>in</strong> diesen Bereichen herbei, <strong>in</strong>dem sie<br />

verme<strong>in</strong>te, die Subjektivität von <strong>der</strong> Objektivität abspalten<br />

zu können. Radikal verstandene „Wirtschaftskultur“ bedeutet<br />

demnach e<strong>in</strong>e phänomenologische Bes<strong>in</strong>nung auf die<br />

e<strong>in</strong>zige Quelle allen Reichtums im ökonomischen und historischen<br />

S<strong>in</strong>ne, die nirgendwo an<strong>der</strong>s fließen kann als im<br />

sich selbst gebenden bzw. sich selbst zeugenden Leben.

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