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Die Person in der Arbeitswelt - GLE-International

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Mehl o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Flugzeug <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Anzahl von<br />

Arbeitsstunden herzustellen. Erst durch solchen Zeitvergleich<br />

„gesellschaftlicher Arbeit“ (Marx) können x Tierhäute<br />

y Sack Mehl entsprechen, denn als unterschiedliche<br />

Gegenstände <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt haben Tierhaut und Sack Mehl<br />

nichts an<strong>der</strong>es mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geme<strong>in</strong> als ihre Materialität, das<br />

heißt hier: ihre Verwandelbarkeit durch handwerkliche o<strong>der</strong><br />

später masch<strong>in</strong>ell-technische Prozesse. Der Begriff Wirtschaft<br />

ist genau wegen dieser phänomenologischen Unterschiedlichkeit<br />

von subjektiver Arbeit und abstraktem<br />

Äquivalententausch daher grundsätzlich zweideutig o<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

doppelter: Zum e<strong>in</strong>en bezeichnet Wirtschaft als Produzieren<br />

den orig<strong>in</strong>ären Hervorbr<strong>in</strong>gungsakt von „Waren“ durch<br />

konkret lebendige Arbeit. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite me<strong>in</strong>t<br />

Politische Ökonomie o<strong>der</strong> Volkswirtschaftslehre die „wissenschaftliche<br />

Theorie“ jener abstrakten Äquivalente wie<br />

Arbeitszeit, Lohn, Kapital, Mehrwert, Investitionen usw.,<br />

mit denen man die unersetzbar subjektive Arbeit zu messen<br />

und im Marktgeschehen zu verteilen versucht.<br />

Wir können hier nicht <strong>in</strong> die Diskussion e<strong>in</strong>treten, <strong>in</strong>wieweit<br />

sowohl e<strong>in</strong>e kapitalistische wie sozialistisch-planwirtschaftliche<br />

Marktordnung den Versuch darstellt, die<br />

„lebendige Arbeitskraft“ dem rationalen Denken zu unterwerfen,<br />

wie Nietzsche vor Marx erkannte. Aus diesem pr<strong>in</strong>zipiellen<br />

Versuch rationaler Globalisierung von<br />

Lebensverläufen resultieren die krisenhaften Verzerrungen<br />

und politischen Umstürze <strong>in</strong> Ost und West, <strong>der</strong>en Zeugen<br />

wir beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> den letzten Jahren waren und weiterh<strong>in</strong><br />

s<strong>in</strong>d, ohne zu verkennen, daß geschichtliche Verän<strong>der</strong>ungen<br />

immer von wirtschaftlichen Neuerungen begleitet s<strong>in</strong>d, wie<br />

etwa die großen Völkerwan<strong>der</strong>ungen zwischen Asien und<br />

Europa im Mittelalter als Überflutung e<strong>in</strong>er ansässigen<br />

Bauernbevölkerung durch nomadisierende Hirtenstämme.<br />

Phänomenologisch bleibt auf jeden Fall gegen den absoluten<br />

Theorieanspruch e<strong>in</strong>er abstrakten Wirtschaftslehre <strong>der</strong><br />

Produktions- und Profitbed<strong>in</strong>gungen zu sagen, daß es nur<br />

e<strong>in</strong>e Quelle wirtschaftlichen Reichtums gibt, nämlich jene<br />

zuvor genannte subjektive Arbeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Menschen,<br />

<strong>der</strong>en ontologischer Grund im „Mehr“ bzw. im „absoluten<br />

Voraus“ des Lebens ruht. Von diesem Gesichtspunkt aus<br />

(das heißt unter E<strong>in</strong>klammerung <strong>der</strong> sekundär ökonomischen<br />

Theorie- und Ideologiebildung) ist die Wirtschaft e<strong>in</strong><br />

orig<strong>in</strong>ärer Ersche<strong>in</strong>ensmodus <strong>der</strong> Kultur. Denn daß Menschen<br />

ihr Leibkönnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong>vestieren, um das<br />

Lebensnotwendige und Lebenssteigernde zu produzieren,<br />

gehört zum Grundwesen des je konkret <strong>in</strong>dividuellen Lebens,<br />

wie je<strong>der</strong> von uns es ist. Zugleich wird an dieser<br />

Stelle auch sichtbar, daß Geme<strong>in</strong>schaftlichkeit wie Kultur<br />

nicht von diesem Urakt des Produzierens zu trennen s<strong>in</strong>d,<br />

denn <strong>der</strong> Austausch von Produkten mit dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />

bedürfnisstillenden wie existenzbereichernden Konsumtion<br />

umfaßt das gesellschaftliche Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und se<strong>in</strong>e Institutionalisierung<br />

ebenso wie die Sakralität <strong>der</strong> S<strong>in</strong>nlichkeit<br />

als „Ästhetik“ zur Feier des Lebens <strong>in</strong> Tempeln, Riten,<br />

Künsten, Wissenschaften usw. über das Lebensnotwendige<br />

h<strong>in</strong>aus.<br />

Mit diesen Bemerkungen dürfte grundsätzlich ver-<br />

ORIGINALARBEITEN<br />

ständlich gemacht worden se<strong>in</strong>, daß unser Lebens- wie<br />

Weltbezug e<strong>in</strong> zunächst ausschließlich praktischer o<strong>der</strong><br />

genealogisch-ökonomischer ist. Genauer gesagt ist die Welt<br />

das, was wir pro-duzierend durch all unsere Akte her-vorbr<strong>in</strong>gen,<br />

wobei lebensphänomenologisch zu unterstreichen<br />

bleibt, daß die transzendentale Konkretisierung e<strong>in</strong>er solchen<br />

Welt mit <strong>der</strong> affektiven S<strong>in</strong>nlichkeit selbst anhebt.<br />

Je<strong>der</strong> Blick auf die Welt ist bereits e<strong>in</strong> affiziertes Im-Griffhalten<br />

dieser Welt, e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Werte, die wir ihr<br />

dadurch verleihen. <strong>Die</strong> Existenzanalyse weiß dank <strong>der</strong><br />

Schelerschen Phänomenologie beson<strong>der</strong>s um diese Wertimplikationen<br />

als e<strong>in</strong>er ersten Weltschicht, wie sie sich<br />

h<strong>in</strong>ter den Franklschen Werte<strong>in</strong>stellungen verbirgt. Aber<br />

sicher läßt sich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang fundamentaler<br />

betonen, daß dieser Blick immer schon e<strong>in</strong> orig<strong>in</strong>är wirtschaftlicher<br />

ist, falls Wirtschaft re<strong>in</strong> im Zusammenhang mit<br />

dem Urakt subjektiver Arbeit verstanden wird. Auch Therapie,<br />

sofern sie Welt- und Lebensbezüge je <strong>in</strong>dividuell<br />

konkret erhellen will, kann sich daher nicht aus diesem<br />

„ökonomischen Grundpr<strong>in</strong>zip“ herauslösen, so daß die<br />

Beachtung von Arbeits-, Verdienst-, Betriebs- und Marktfaktoren<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Therapie nicht nur e<strong>in</strong>en erweiterten<br />

Realitätsbegriff des „sozialen Umfeldes“ bedeutet (wie er<br />

auch verstärkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychoanalyse diskutiert wird), son<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong> zentrales existentiell- wie lebensphänomenologisches<br />

Aufklärungsgebot impliziert.<br />

Deshalb sei e<strong>in</strong> Wort zur Konsumtion angefügt. Im<br />

Verzehr <strong>der</strong> Waren vollzieht sich sichtbar die empirischfaktische<br />

Reproduktion des Lebens. Jedoch bleibt <strong>der</strong> Verzehr<br />

als solcher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er phänomenologisch betrachteten<br />

Gesellschaft - wie das Produzieren - e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> subjektives<br />

Geschehen, das heißt konkret me<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Essen, Tr<strong>in</strong>ken,<br />

Wohnen, Kleiden, Schmücken, Feiern usw. Waren, die<br />

nicht mehr konsumiert werden können, weil sie für den<br />

„Verbraucher“ zu teuer s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> ausschließlich <strong>der</strong> Selbstregulierung<br />

e<strong>in</strong>er technisch-wissenschaftlich dom<strong>in</strong>ierten<br />

Produktion angehören, s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Waren im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

Gebrauchswertes-für-das-Leben mehr. In dieser H<strong>in</strong>sicht<br />

erstaunt es daher heutzutage nicht, wenn auf <strong>der</strong><br />

Konsumtionsseite des Wirtschaftsprozesses dasselbe wie<br />

auf <strong>der</strong> Produktionsseite geschieht: <strong>Die</strong> eigentlichen, kulturell-traditionell<br />

geprägten Lebensgüter werden tendentiell<br />

aus <strong>der</strong> kapital<strong>in</strong>tensiven Produktion ausgeschaltet, so wie<br />

die lebendige Arbeitskraft <strong>der</strong> Individuen bald nicht mehr<br />

gebraucht werden wird. Ist die Ausbeutung <strong>der</strong> Erde nur<br />

e<strong>in</strong>e erste globale Krise dieser Alchimie radikaler Naturbeherrschung,<br />

so wird <strong>der</strong> <strong>in</strong> sich abgeschlossene automatisierte<br />

Produktionsablauf, <strong>der</strong> nur noch Masch<strong>in</strong>en für Masch<strong>in</strong>en<br />

produziert, die nächste große heraufziehende Krise<br />

se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong>se hat schon begonnen, weil die technische<br />

Anwendung des objektiv Wißbaren <strong>in</strong> sich selbst pr<strong>in</strong>zipiell<br />

ke<strong>in</strong> „ethisches“ Regulativ kennt und alle „humanistischen“<br />

Appelle postmo<strong>der</strong>n dem absoluten Ideologieverdacht<br />

unterliegen. Kurz gesagt: Das Leben als re<strong>in</strong><br />

phänomenologische Subjektivität wird als Produktion und<br />

Konsumtion aus <strong>der</strong> „Ökonomie“ entfernt werden.<br />

McDonald- und Coca-Cola-Stände s<strong>in</strong>d dann nicht nur die-<br />

EXISTENZANALYSE 2/97 23

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