Jenseits von Darwin - Christian Blöss
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2. Naturgeschichte - Von Königslisten, Dunklen Zeitaltern und Revolutionen 25<br />
2. NATURGESCHICHTE - VON KÖNIGSLISTEN, DUNKLEN<br />
ZEITALTERN UND REVOLUTIONEN<br />
Das Ordnungsprinzip der Natur: ein riesiges Geflecht <strong>von</strong> Regelkreisen • Die Botschaft der<br />
Fossilien: Lange Zeiträume morphologischer Stabilität werden <strong>von</strong> kurzen Episoden schubweiser<br />
Entwicklung durchbrochen • Die darwinistische Naturgeschichte als Hofgeschichtsschreibung:<br />
Wir tragen das Zepter der Urzelle • Die Bedeutung katastrophischer Evolution:<br />
sprunghafte Entwicklung als Abfolge gekonnter und mißlungener Adaptionen des Ökosystems<br />
an einschneidend neue Randbedingungen<br />
Es ist in der populärwissenschaftlichen Literatur üblich geworden, mit <strong>Darwin</strong> seiner Person<br />
und seinem Werk zu beginnen, dann die Fallstricke seiner Theorie und die Widersprüche<br />
aufzuzeigen, um schlußendlich zu beklagen, daß zwar alles falsch, eine Lösung der Probleme<br />
aber nicht in Aussicht sei. Wir werden hingegen gleich auf das zentrale Problem oder eher:<br />
Phänomen zusteuern, das der modernen Evolutionstheorie so zu schaffen macht. Es ist das<br />
Phänomen der Ordnung sowohl auf der sichtbaren Ebene der Natur als auch auf molekularer<br />
und zellularer Ebene. Die Natur ist nicht geordnet wie ein Kristall, <strong>von</strong> dem eine Ecke abgeschlagen<br />
werden kann, ohne daß der Rest seine Struktur verliert. Das System »Natur« ist<br />
vielmehr ein riesiges und unüberschaubares Geflecht <strong>von</strong> Regelkreisen nimmt man hier etwas<br />
heraus oder fügt dort etwas hinzu, so muß sich das System als Ganzes ein neues dynamisches<br />
Gleichgewicht suchen. Eine Vorstellung über den Zeitraum, in dem sich ein solcher Anpassungsprozeß<br />
abspielt, können wir uns nur schwer machen. Für »explosive Radiationen«, d.h.<br />
die Diversifizierungen einer Art in deutlich unterscheidbare Varietäten, werden entsprechend<br />
dem Auflösungsvermögen der Datierungsmethoden Hunderte bis Tausende <strong>von</strong> Jahren<br />
angesetzt.<br />
Dieses Ordnungsprinzip gilt für jede Organisationsstufe. Wird aus einem DNS Molekül nur<br />
ein Atom entfernt, so gerät der gesamte Reproduktionszyklus ins Stocken, oder er wird in<br />
seltenen Fällen grundlegend verfälscht und kann zum Tod des Individuums führen, in dem<br />
das Molekül aktiv gewesen ist. Das Fehlen der Nervenleiter zwischen den Sinnesorganen und<br />
dem Hirn eines Lebewesens macht die Gesamtorganisation sinnlos. Alle Organe veröden, sie<br />
können nur im Gesamtzusammenhang ihren »Aufgaben« nachkommen. Die Ausrottung nur<br />
einer Art hat lebensbedrohliche Folgen für andere Arten, die gemeinsam einen Nahrungsoder<br />
besser: Reproduktionszyklus aufrechterhalten haben. Mehr und Einzeller sind hochgradig<br />
aufeinander angewiesen. Das Fehlen <strong>von</strong> Bakterien im Darm eines Mehrzellers bringt die<br />
Verdauung zum Erliegen, das Individuum stirbt.<br />
Diese Beispiele mögen vielleicht nur »Verkehrsunfälle« sein und nicht das gesamte Ökosystem<br />
bedrohen. Das aber ist sehr wahrscheinlich <strong>von</strong> der Veränderung globaler Parameter wie<br />
der Durchschnittstemperatur, der Atmosphärenzusammensetzung und dergleichen zu erwarten,<br />
an deren Manipulation sich die Spezies Homo sapiens seit einiger Zeit versucht.<br />
Die Natur erscheint als ein bis in den letzten Winkel durchorganisierte System, das es geschafft<br />
hat, sich bei permanentem Input <strong>von</strong> hochenergetischer Strahlung und einem Output<br />
<strong>von</strong> Infrarotlicht zu einem stationären dynamischen Gleichgewicht zu organisieren. Von derartigen<br />
Systemen im Kleinen wissen wir, daß es unter Variation der Einflüsse <strong>von</strong> außen bis<br />
zu einem gewissen Grade flexibel reagiert, ohne die Art seiner Organisation aufzugeben. Ab<br />
einem bestimmten Punkt bricht es zusammen, entweder völlig, oder es geht in einen neuen