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Jenseits von Darwin - Christian Blöss

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10. Natürlich: Der Mensch 85<br />

10. NATÜRLICH: DER MENSCH<br />

AUF MENSCHENJAGD<br />

Ein Vorurteil und seine Folgen: eine Jahrhundertsuche nach den 1001 Stufen zwischen Uraffe<br />

und Mensch • Ein Kniefall vor der Sehnsucht des Publikums nach einem missing link beschäftigt<br />

das House of Commons: die PiltdownAfläre • Ein hominider Backenzahn = das langersehnte<br />

missing link • »Wir sind nur der überlebende Zweig eines einst vielfältig wuchernden<br />

Straußes«<br />

In John C. Eccles Buch »Das Rätsel Mensch« (1982, 78) befindet sich ein montiertes Photo<br />

zweier Schädel: einer des Australopithecus boisei und dann der ebenso berühmte wie die<br />

Stammesgeschichte des Menschen verwirrende »ER 1470«. Ersterer wirkt wie ein breitgetretener<br />

Affenschädel, der zweite auf den ersten Blick wie ein Menschenschädel, nur: Der<br />

1470er soll 2.8 Millionen Jahre alt sein, also fast 2 Millionen Jahre älter als der letzte Vertreter<br />

des Australopithecus boisei. Hinter dem Streit über seine Datierung und Einordnung in die<br />

Stammesgeschichte verbergen sich der ganze Ballast und die Problematik einer befriedigenden<br />

Rekonstruktion der Stammesgeschichte des Menschen.<br />

Die Paläoanthropologie begann mit einem Vorurteil: Jeder Vorgänger des Menschen müsse<br />

in der angeblich kontinuierlichen Entwicklungslinie vom Uraffen zum Menschen in seinen<br />

Merkmalen zwischen dem vorausgehenden und dem nachfolgenden Glied in dieser Kette stehen.<br />

Man erwartete einen mit der Zeit zunehmenden Schädelinhalt, steigende Körpergröße,<br />

einen graduellen Übergang <strong>von</strong> der Vier auf die Zweifüßigkeit usw. Diese Erwartungshaltung<br />

war so groß, daß sich heiße Debatten um Funde entwickeln konnten, die einem emotional unbeteiligten<br />

Beobachter eher lächerlich anmuten.<br />

Die ersten hominiden Funde, die mit dein Neandertaler (dessen Zugehörigkeit zur menschlichen<br />

Ahnenreihe eher suspekt erschien) nichts gemeinsam hatten, wurden <strong>von</strong> dem Anatomen<br />

und Amateurpaläontologen Eugene Dubois nach Ausgrabungen im Südosten Javas der<br />

Öffentlichkeit vorgestellt: »Dies war das menschenähnliche Tier, das sicherlich solch eine<br />

Verbindung zwischen dem Menschen und seinem nächsten bekannten säugetierartigen Verwandten<br />

darstellte, wie es die Entwicklungstheorie vorschlägt. ( ... ) die Zwischenform, die in<br />

Übereinstimmung mit den Evolutionslehren zwischen dem Menschen und dem Anthropoiden<br />

existiert haben muß.« (Dubois zit. n. Reader 1982, 51) Wenn man weiß, daß alle Fragmente<br />

zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Orten (zum Teil unter Umständen, die Dubois<br />

gar nicht bekannt waren) entdeckt worden waren, dann ahnt man etwas <strong>von</strong> dem Erwartungsdruck,<br />

der auf der Paläoanthropologie lastete. Mit einer etwas nüchterneren Einstellung<br />

wäre das missing link <strong>von</strong> einem alten menschenähnlicben Affen zu einem jungen menschenähnlichen<br />

Menschen »geschrumpft«, und die Debatte, die sich an den Funden und ihrer Interpretation<br />

entzündete, hätte damit beendet sein können. Nachdem Ende der dreißiger Jahre eine<br />

Anzahl <strong>von</strong> jungen Schädeln bei Peking ausgegraben und ihre Ähnlichkeit mit Dubois' JavaSchädelFragment<br />

festgestellt wurde, schwand die Möglichkeit, in den Fragmenten etwas<br />

anderes als die Überreste einer relativ jungen Form des Menschen zu entdecken.<br />

Das nächste Kapitel auf der Jagd nach dem missing link ist ein dunkles und zugleich ernüchternd.<br />

Es ist mit »Der PiltdownMensch« überschrieben, hat insbesondere die englische Wis-

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