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Jenseits von Darwin - Christian Blöss

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10. Natürlich: Der Mensch 87<br />

Trotz (Oder gerade wegen) seines öffentlichen Ruhmes fielen die wissenschaftlichen Kommentare<br />

eher ernüchternd aus. Insbesondere die Tatsache, ein Kinder-Exemplar<br />

in einem Stadium interpretieren zu müssen, in dem Affen und Menschen sich sehr ähnlich<br />

seien, erregte das Mißfallen der Koryphäen. Diese Ablehnung schwand erst zwanzig Jahre<br />

später mit den Ausgrabungen Robert Brooms in Südafrika, dem es gelang, das bis dahin<br />

vollständigste Skelett eines menschenähnlichen Typus zu präparieren. Darts Kinderschädel<br />

ließ sich diesem Typus zwanglos zuordnen. Damit war die Gattung des Australopithecus africanus<br />

etabliert und bekam einen dauerhaften Platz innerhalb des Stammbaumes, der für den<br />

Menschen in vielen Varianten entworfen wurde.<br />

Festzustellen ist, daß der Australopithecus africanus seinen zeitweiligen Status als missing<br />

link wieder verloren hat, da in der Zeit, in der er gelebt haben muß, noch mindestens zwei andere<br />

Arten existierten: eine deutlich robustere Variante und der sog. Homo habilis, der ein<br />

größeres Schädelvolumen aufweist und zudem noch älter zu sein scheint als die AustralopithecusLinie.<br />

So besteht einige Unsicherheit, welcher Linie man den Staffelstab des missing<br />

link übertragen soll. »Wir wissen <strong>von</strong> drei gleichzeitigen Zweigen des menschlichen Strauches.<br />

Ich würde mich wundern, wenn wir nicht bis zum Ende des Jahrhunderts noch doppelt<br />

so viele entdecken würden. Die Zweige ändern sich während ihrer überlieferten Geschichte<br />

nicht denn die Evolution konzentriert sich in raschen Ereignissen der Artbildung, der Produktion<br />

neuer Zweige. Homo sapiens ist nicht das vorbestimmte Produkt einer Stufenleiter,<br />

die sich <strong>von</strong> Anbeginn auf unseren erhöhten Status ausgerichtet hätte. Wir sind bloß der überlebende<br />

Zweig eines einst vielfältig wuchernden Straußes.« (Gould 1984b, 51)<br />

Solange aber die zeitliche Koexistenz mehrerer hominider Linien nicht akzeptiert werden<br />

konnte, wucherten die Spekulationen, und für eine gewisse Zeit galt die Gleichung »Ein hominider<br />

Backenzahn das missing link«. Den Beginn machte Max Schlosser in seiner Monographie<br />

über die fossilen Säugetiere Chinas (1903). Schlosser konnte aus den Funden Elefanten,<br />

Kamele, Bären, Hyänen, Rhinozerosse, Giraffen und Pferde im Detail rekonstruieren,<br />

verfügte aber nur über einen oberen Backenzahn, <strong>von</strong> dem er nicht wußte, ob er <strong>von</strong> einem<br />

Affen oder <strong>von</strong> einem Menschen stammte. Denoch, so Schlosser, ließe sich China vielleicht<br />

als der Ort ausmachen, an dem man nach den Vorfahren des Menschen suchen könne.<br />

Im Spätsommer 1921 machte Zdansky im chinesischen Chou K´ou Tien, das Ausgrabungsstätte<br />

einer schwedischen Expedition war, einen vergleichbaren Fund, einen eindeutig hominiden<br />

Backenzahn, dem sich später noch ein zweiter hinzugesellte. Fünf Jahre später fünf<br />

Jahre ohne einen weiteren Fund wurden diese Funde im Rahmen einer ExpertenVersammlung<br />

in China vorgestellt und avancierten sogleich zum PekingMensch, zum Ȋltesten<br />

menschlichenTypus, dessen Überreste in den Schichten der Erde gefunden wurde« (Reader<br />

1982, 116). Zdansky selber war weitaus zurückhaltender die späteren Untersuchungen gaben<br />

ihm recht. Der PekingMensch gilt heute als ein unmittelbarer Vorläufer des Menschen, wobei<br />

die später gemachten afrikanischen Funde generell als älter eingestuft werden.<br />

Doch die Zahngeschichte geht weiter, und sie hat teilweise humoreske Züge. Im Rahmen einer<br />

amerikanischen Expedition, die zum112Teil zeitgleich mit der schwedischen in China<br />

Grabungen veranstaltete, gelang es Birger Bohlin, einen hominiden Zahn in der Ecke einer<br />

freigesprengten Höhle bei Chou K´ou Tien zu entdecken. Nicht nur, daß daraufhin die Behauptung<br />

aufgestellt wurde, dieser und einer der zwei <strong>von</strong> Zdansky entdeckten Zähne gehörten<br />

zu demselben Kiefer, Davidson Black sah sich außerdem veranlaßt, diese Zähne zur Prägung<br />

einer neuen hominiden Gattung vorzunehmen, den Sinanthropus pekinensis. Bei späteren<br />

Ausgrabungen wurden ein Kieferfragment und dann ein Schädel freigelegt, der dem Java-

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