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Jenseits von Darwin - Christian Blöss

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9. Die Zukunft des Katastrophismus 73<br />

9. DIE ZUKUNFT DES KATASTROPHISMUS<br />

Die Undenkbarkeit des Katastrophismus: Wo wäre denn die schöpferische Kraft, die die aufgerissenen<br />

Lücken wieder flickt? • Das neue Paradigma der Biologie: Die Umorganisierung<br />

der Biosphäre folgt einem Attraktor • »we are now all catastrophists!« • Was Gentechnologen<br />

aus der »Sesamstraße« lernen könnten: Der Turm fällt um, wenn ein Teil herausgegriffen<br />

wird • Warum starben auch die wenigen schon existierenden Säuger am Ende der Kreide? •<br />

Wie kam Marsgestein in die Antarktis? • Wenn es nach <strong>Darwin</strong> gegangen wäre: kein Fossil<br />

nirgendwo<br />

In bezug auf den Katastrophismus herrscht immer noch ein Mißverständnis, das sich seit der<br />

Absetzung des Katastrophisten Cuvier als König der Erdgeschichtler hartnäckig hält. Cuvier<br />

interpretierte die Schichtenfolge mit ihren neu auftauchenden Arten bzw. Artvarietäten so:<br />

Katastrophen vernichteten Flora und Fauna total, damit Gott die belebte Natur neu schaffen<br />

konnte und das etliche Male. Der Ökologe Joachim Illies kommt genau darauf zurück, wenn<br />

er den »totalen Faunenwechsel« zu verschiedenen Zeit»Punkten« der Erdgeschichte diskutiert:<br />

»Entweder wurden die alten Arten radikal vernichtet, und eine Neuschöpfung brachte<br />

die veränderte neue Fauna (das ist die Katastrophentheorie Cuviers!), oder die Arten haben<br />

sich gewandelt. Die Möglichkeit <strong>von</strong> Katastrophen ist zwar keineswegs auszuschließen, wohl<br />

aber die einer spontanen Neuschöpfung, die aus dem Nichts, also ohne verwandtschaftliche<br />

Vorläufer, einen neuen Start des Lebens gebracht hätte.« (Illies 1984, 71)<br />

Der Katastrophismus ist und bleibt innerhalb der Wissenschaften auch deswegen undenkbar,<br />

weil er immer noch mit der »Generatio spontanea« in Zusammenhang gebracht wird. Er wird<br />

als Agent verstanden, der große Lücken in den Bestand der Lebewesen reißt und dann das<br />

Feld einer schöpferischen Kraft zu räumen hätte, die diese Lücken wieder flickt, denn die<br />

mutativen langsamen Variationen wären viel zu träge, um diese Regeneration zu<br />

ermöglichen. Wenn dagegen unterstellt werden kann, daß der Funktionszusammenhang der<br />

Biosphäre vom Genom bis zum Biotop einen »Attraktor« darstellt, auf den hin sich die Moleküle<br />

unter bestimmten Bedingungen zwangsläufig entwickeln mußten, so ist eine katastrophische<br />

Störung dieser Konstellation nur der Ausgangspunkt zur Ansteuerung eines neuen<br />

Attraktors, indem sich die Biosphäre womöglich mit neuen Arten neu organisiert, ohne daß<br />

eine »schöpferische Kraft« <strong>von</strong> außen eingreift. Das Paradigma des <strong>Darwin</strong>ismus ist das ziel<br />

und herrenlose Umherdriften der Struktur der Biosphäre, wo alles offen ist, auch für die Manipulationen<br />

des Menschen. Das neue Paradigma der Biologie wird in dieser Attraktorvorstellung<br />

bestehen, der die begrenzte Variationsfreiheit der Biosphäre und die Tatsache <strong>von</strong><br />

Struktursprüngen zugrunde liegen. Dazu muß man bereit sein, das »missing link« in seiner<br />

Eigenschaft als universalen Klebstoff, der die bekannten Arten bzw. ihre Varietäten zu einer<br />

»great chain of being« <strong>von</strong> der Aminosäure bis zum Menschen vereint, über Bord zu werfen.<br />

Solange man allerdings sicher ist, »missing links« irgendwann doch noch zu entdecken,<br />

bleibt Naturgeschichte das feste Bett für den ununterbrochenen Fluß sich allmählich ablösender<br />

Artvarietäten: sanfte Rundungen des Ufers, hin und wieder eine Stromschnelle, aber<br />

nichts, was den Lauf des Flusses ernsthaft stören könnte. Der Glaube an das »missing link«<br />

bedarf auch des Glaubens an eine sich stetig und nur langsam entwickelnde Natur in Bahnen,<br />

die durch keine plötzliche Störung betroffen werden könne. Allenfalls das Aussterben <strong>von</strong><br />

Arten kann akzeptiert werden, aber nicht die Entwicklung einer neuen Art ohne »Anhang« an

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