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Jenseits von Darwin - Christian Blöss

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4. Die Epochen der Natur - Vom göttlichen Tranchiermesser zum hustenden Schmetterling 39<br />

Gradualismus war in den Gesteinen nicht zu sehen, er war eine extraordinäre Extrapolation<br />

eines unbestreitbaren, übrigens auch <strong>von</strong> Cuvier nicht bestrittenen Teilaspekts der Dynamik<br />

in der Natur, nämlich die kumulativen Folgen des Klimas, der Erosion, oder der allmählichen<br />

Aufwerfung innerhalb der Erdkruste und dergleichen mehr. Richard H. Benson schreibt über<br />

Cuviers Einstellung zum Aktualismus: »Es war nicht Unkenntnis über die Macht allgegenwärtiger<br />

geologischer Prozesse ( ... ), die Cuvier zur Ablehnung des Huttonschen Uniformitarismus<br />

veranlaßten. Er lehnte den umfassenden Aspekt der einfachen geomorphen Kräfte ab,<br />

weil er sie für völlig unzureichend hielt, die strukturellen Verwerfungen erklären zu können,<br />

die er beobachtet hatte.« (Benson 1984, 42) Cuvier sah die geologischen Formationen eben<br />

ganz »unmittelbar«. So betonte auch N.D. Newell, daß das entscheidende Element in Cuviers<br />

Katastrophismus keineswegs der abrupte Wechsel gewesen sei, sondern die Einsicht, daß die<br />

beobachtbaren Umweltbedingungen unzureichend waren, um die Erdgeschichte zu erklären<br />

(Newell 1967,65).<br />

Die Umwälzungen der Erdrinde seien, so Cuvier, durch Katastrophen bewirkt worden, und<br />

»dieses ist vorzüglich <strong>von</strong> der letzten dieser Catastrophen leicht zu beweisen«. So fände man<br />

in den Nordländern die Leichen ganzer Vierfüßer, »welche vom Eise eingehüllt sich bis auf<br />

unsere Tage mit Haut und Haaren und unversehrtem Fleische erhalten haben«. Cuvier dachte<br />

dem Stand der Dinge entsprechend auch logischerweise an Katastrophen, die diese Tiere in<br />

kürzester Frist in eine Permafrostzone »verlagerten«, so daß Verwesungsprozesse gar nicht<br />

erst einsetzen konnten. Tatsächlich hatte man Mammuts mit unverdauten Pflanzenresten aus<br />

warmen Regionen im Magen ausgegraben, deren Fleisch an die Schlittenhunde verfütterbar<br />

war.<br />

Cuvier stützte sich voller Vehemenz auf Funde, denen <strong>Darwin</strong> später mit einiger Skepsis bezüglich<br />

der eigenen Theorie begegnen mußte. Lesen wir aber noch, was Cuvier über die<br />

Chancen der Artveränderung schrieb: »Warum, wird man mir einwenden, sollten die vorhandenen<br />

Racen nicht Abänderungen <strong>von</strong> jenen alten Racen sein, welche man im fossilen Zustand<br />

findet: Abänderungen, welche durch örtliche Umstände und veränderliches Clima veranlaßt<br />

und durch die lange Folge der Jahre bis zu dieser äußersten Abweichung gelangt sein<br />

könnten? ( ... ) Dieser Einwurf muß besonders denen wichtig scheinen, welche an unbegrenzte<br />

Möglichkeiten der Wandlung der Gestaltung organischer Körper glauben und der Meinung<br />

sind, daß durch Jahrhunderte und Gewöhnungen alle Arten sich ineinander verwandeln oder<br />

einer einzigen abstammen könnten.«<br />

»Aber«, so fuhr Cuvier fort, »man kann ihm, in seinen eigenen Vorstellungs Systemen, antworten,<br />

daß, wenn die Arten sich nach und nach geändert hätten, man Spuren <strong>von</strong> diesen stufenweisen<br />

Umwandlungen finden müßte, daß man zwischen dem Paläotherium48und den<br />

heutigen Arten einige Mittelformen entdecken müßte, wo<strong>von</strong> sich aber bis jetzt nicht ein einziges<br />

Beispiel gezeigt hätte. Warum haben die Eingeweide der Erde uns nicht die Denkmäler<br />

einer so merkwürdigen Genealogie aufbewahrt? Gewiß nicht darum, weil die Arten der früheren<br />

Zeiten ebenso beständig als die unserigen waren, oder wenigstens, weil die Umwälzungen,<br />

welche sie zerstört habt, ihnen nicht die Zeit ließ, sich ihren Abänderungen zu überlassen.«<br />

Niemand würde Cuvier die Stichhaltigkeit seiner Argumente bestreiten. Doch immerhin<br />

wuchs nach Cuvier der Informationsbestand noch einmal so stark an, daß d'Orbigny, Katastrophist<br />

wie Cuvier, die Funde auf eine zeitliche Schiene schieben mußte, die durch 27 Katastrophen<br />

markiert war immerhin 26 mehr, als die Heilige Schrift kannte. Hier wird langsam<br />

das Handikap des bibelgläubigen Katastrophismus deutlich. Eine Katastrophe wurde »wörtlich«<br />

genommen, sie war stets brutal wie die »Sintflut« und wurde veranlaßt, um ganz gezielt

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