03.10.2013 Aufrufe

Jenseits von Darwin - Christian Blöss

Jenseits von Darwin - Christian Blöss

Jenseits von Darwin - Christian Blöss

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

70 <strong>Jenseits</strong> <strong>von</strong> <strong>Darwin</strong><br />

der Heilsabsicht, sondern vielmehr die Art, wie Ray mit Indizien umging, die diesem Selbstverständnis<br />

entgegenstanden, wie z.B. die sich häufenden Funde <strong>von</strong> Fossilien, denen man<br />

seinerzeit zunehmende Beachtung zu schenken begann.<br />

Schon Leonardo waren die zahlreichen Überreste <strong>von</strong> Meerestieren aufgefallen, die man bei<br />

Wanderungen durch die italienische Hochebene finden konnte. Ray war sich nun darüber im<br />

klaren, daß diese Überreste <strong>von</strong> denen die imposantesten die sogenannten Ammonshörner<br />

waren nicht aus der Zeit der Sintflut stammen konnten, denn, so fragte er sich zu Recht, warum<br />

sollten sie sich dann so begrenzt abgelagert haben, wie man sie seinerzeit auffand. Dann<br />

müßten sie sich vielmehr über alle Gegenden verstreut und nicht in einigen wenigen Lagerstätten<br />

gesammelt haben, wo sie auch noch in einer verblüffenden Dichte aufzufinden waren.<br />

Wenn also diese an sich verlockende Erklärung nicht in Frage kam ein Zugeständnis, dem<br />

man einige Achtung entgegenbringen kann , dann konnte man sich vielleicht mit dem Gedanken<br />

zufriedengeben, daß diese Schalenreste gleich Pflanzen in der Erde gewachsen waren. So<br />

eigenartig das in unseren Ohren klingen mag, zu Rays Zeiten stand diese Theorie hoch im<br />

Kurs. Doch Ray sah sich auch hier gezwungen, den über etliche Seiten geführten Beweis anzutreten,<br />

daß dieses aus natürlichen Gründen überhaupt nicht ginge.<br />

Wie die Wurzeln eines Baumes sich den Hindernissen im Erdreich anpaßten, so müßten auch<br />

die Ammonshörner Zeugnis <strong>von</strong> den Gegebenheiten des Bodens ablegen und könnten nicht<br />

in unbeeinträchtiger Weise und einander auch noch so ähnlich im Boden wachsen. Darüber<br />

hinaus sei dieser Gedanke schon deswegen abwegig, weil er den »Atheisten ein Gewehr in<br />

die Hand« gebe, daß diese beweisen könnten, »daß die Thiere <strong>von</strong> ungefähr hervorgebracht<br />

und keine Dinge <strong>von</strong> einem gewissen AugMerck oder Absehen (seien); das (wäre) dann Wasser<br />

auff seine Mühlen« (Ray 1698, 181). Die Tiere seien schließlich zu einem Ende erschaffen,<br />

und es ginge nicht an, daß da Tierüberreste existierten, die zu nichts anderem nützten, als<br />

die Neugierde der Menschen aufzuzehren. »Weiter, so ist es wahrscheinlich, daß, eben wie<br />

kein neues Geschlecht <strong>von</strong> Thieren hervorgebracht wird, nachdem sie allzumal aus dem im<br />

Anfang geschaffenen Samen erzeugt wurden, also auch gedachte Vorsehung, ohne die nicht<br />

ein einzelner geringer Sperling auf die Erde fällt, sothanig für alle die geschaffen sind, wache<br />

und Achtung gebe, daß kein ganzes Geschlecht durch einigen Zufall da<strong>von</strong> vertilgt und<br />

ausgerottet werde.« (Ray 1698, 187)<br />

Rays Ausweg für die Deutung der Fossilien bestand in dem ihn selber nicht zufriedenstellenden<br />

Gedanken, daß man noch lebende Exemplare dieser eigenartigen Tieren in entlegenen<br />

Bereichen des Meeres wohl finden könnte. Ein Verfahren, das die Gradualisten späterer Jahrhunderte<br />

hemmungslos übernommen haben, um fehlende Zwischenvarietäten zu<br />

»realisieren«. Im schlimmsten Falle müsse man da<strong>von</strong> ausgehen, »daß viele Sorten der Thiere<br />

der Welt verlorengegangen, welches die Weltweisen und GottesGelehrten nicht zugeben<br />

wollen, vermeynent, daß durch die Vertilgung eines Geschlechtes das ganze All zum Krüppel<br />

und unvollkommen gemacht würde«.<br />

Man muß ganz klar sehen, daß alle uns eher modern anmutenden Zugeständnisse an die wahre<br />

Naturtheorie, die zur Not auch mit dem wörtlichen Bericht der Bibel oder doch mit ihrer<br />

Exegese kollidieren dürfen, dem einen Gedanken geschuldet sind: natura nihil facit frustra<br />

die Natur (und damit Gott) tut nichts umsonst. Die Erde, so wie sie ist, ist gebildet worden,<br />

damit die Menschen darin leben können, und eine Enttäuschung in dieser Hinsicht ist unannehmbar.<br />

Der Heliozentrismus war weniger gefährlich für diese Gedanken gewesen, als man zunächst<br />

annehmen würde. Die Newtonsche Mechanik war das gegebene Medium, um die Gewißheit<br />

zu stärken, daß Gott der Natur einen Rechtsvertrag aufgezwungen hatte, laut dem es ausge-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!