Jenseits von Darwin - Christian Blöss
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90 <strong>Jenseits</strong> <strong>von</strong> <strong>Darwin</strong><br />
konstruiert werden, wenn das so schöne missing link, den die Australopithecinen mit ihrem<br />
aufrechten Gang und ihrer Werkzeugkultur darstellten, zeitgleich mit einer Art existierte, die<br />
zweifellos menschenähnlicher war. Deren Gebiß wies auf Allesfresserei und die Struktur der<br />
Schädelkalotten auf eine hohe Durchblutungsrate hin. Eine Sprachfähigkeit war obendrein<br />
auch noch zu vermuten.<br />
Es waren die Funde in Hadar, die eine Lösungsmöglichkeit anboten. Hier grub man nicht nur<br />
»Lucy«, das besterhaltenste Skelett eines Vorfahren, aus, sondern auch eine ganze Familie,<br />
die später als PräAustralopithecinen oder »Australopithecus afarensis« bezeichnet wurden.<br />
Die Datierung einer beigelagerten Basaltschicht ergab ein Alter <strong>von</strong> knapp vier Millionen<br />
Jahren. Hier nun sei der Verzweigungspunkt der HominidenEntwicklung zu orten. Von dieser<br />
Art hätte sich der Homo habilis abgezweigt und parallel zur Radiation des Australopithecus<br />
in africanus, boisei und robustus zum Homo erectus entwickelt. Fast alle Australopithecinen,<br />
vormals als direkte Ahnen der Menschen gewertet, wären damit inzwischen ausgestorbene<br />
Seitenzweige der HominidenFamilie.<br />
Homo habilis wird <strong>von</strong> einer neuen Art abgelöst, dem Homo erectus, er ist größer und schwerer<br />
mit abgeflachtem, geräumigerem Schädel. Sein Lebensraum erstreckt sich <strong>von</strong> England<br />
bis China und <strong>von</strong> Frankreich bis Südafrika, und seine Erscheinungsform ist entsprechend<br />
vielfältig. Zu der Gattung Homo bemerkt der Paläoanthropologe Yves Coppens: »Was wir<br />
heute als >habiliserectus< und >sapiens< bezeichnen, sind wahrscheinlich gar keine echten<br />
Spezies, sondern morphologische Stadien, Stufen einer einzigen, recht seltenen panmiktischen<br />
Superspezies«, deren abweichende Entwicklung aus ihren verschiedenen technischkulturellen<br />
Erfindungen zu erklären sind. (Coppens 1985, 119)<br />
Diese Bemerkung würde auf einhelligen Widerspruch zahlreicher Paläoanthropologen<br />
stoßen: In dieser Entwicklungsreihe habe es schließlich einen dramatischen Anstieg des Gehirnvolumens<br />
gegeben, was zu so einschneidenden Veränderungen in der technologischen<br />
und kulturellen Organisation geführt habe, daß man die verschiedenen Vertreter unterschiedlicher<br />
Arten (Spezies) zuordnen müsse. Gerade weil dieser »dramatische Anstieg« im Rahmen<br />
einer gradualistischen Evolutionstheorie so unverständlich ist, werden wir uns etwas näher<br />
mit den Eigenschaften des Homo sapiens beschäftigen. Ist er das sichtbarste Indiz einer<br />
»kybernetischen Evolution«?