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Jenseits von Darwin - Christian Blöss

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8. Der Zufall - Von der göttlichen Fügung zum Evolutionstrigger 69<br />

Amplitude das ganze System aus seinem stationären Gleichgewicht heraus und in eine andere<br />

Ordnung hineintreiben, die nicht mehr zufällig, sondern durch die neuen Randbedingungen<br />

determiniert ist.<br />

Die kausale Reichweite der katastrophischen Naturgeschichte ist also kürzer, als man gewohnt<br />

ist. Sie bezieht die Randbedingungen, soweit sie <strong>von</strong> außerhalb der Erde oder auch<br />

vom Erdinnern stammen, nicht mit ein. Die Freiheit des Systems rührt nicht aus der beliebigen<br />

und vielleicht sogar vom Menschen beeinflußbaren Variabilität eines einzigen UrSystems,<br />

sondern aus der Vielzahl realisierbarer Systeme, deren »Epochenfolge« keiner Notwendigkeit<br />

gehorcht, sondern zufällig sein kann.<br />

Man darf also feststellen, daß <strong>Darwin</strong> und mit ihm auch die moderne Biologie es mit der kausalen<br />

Reichweite ihrer Naturgeschichte zu weit getrieben haben. <strong>Darwin</strong> versucht genau da<br />

zu erklären, wo es im strengen kausalen Sinne gar nichts zu erklären gab, nämlich bei den<br />

Ursachen für Epochenübergänge, die er eigentlich ja gar nicht akzeptierte, sondern durch die<br />

Einführung <strong>von</strong> nie dagewesenen Zwischenvarietäten verwischte. <strong>Darwin</strong> ist gewissermaßen<br />

das Opfer der Theorie geworden, die er überbieten bzw. ausbooten wollte: des Katastrophismus<br />

teleologischer Prägung, wie er seit den Anfängen moderner Naturgeschichte bestanden<br />

hat. Dieser Katastrophismus war absolut kausal, er deutete, kurz gesagt, jede stattgehabte Katastrophe<br />

als ein <strong>von</strong> Anfang an geplantes Mittel, um der Erde auf Dauer eine angemessene<br />

Gestalt für die noch zum Leben zu erweckenden Menschen zu geben. Darauf gehe ich ausführlicher<br />

ein, denn <strong>Darwin</strong> sah seine Aufgabe nicht nur darin, diese kausale Erklärung für<br />

nichtig zu erklären, sondern sich am gleichen Gegenstand unter der gleichen Perspektive an<br />

einer bloßen Umbenennung der angeblich erkannten Kausalstränge zu versuchen, die nach<br />

heutigem Forschungsstand unter dem Aspekt innerweltlicher Ursachen für die Naturgeschichte<br />

gerade die unwesentlichen weil am wenigsten erklärbaren sind.<br />

Bis <strong>Darwin</strong> und noch weit über ihn hinaus war Naturgeschichte eine wissenschaftlich angelegte<br />

Interpretation der Heiligen Schrift. Unsere Urgroßeltern wuchsen mit der Gewißheit<br />

auf, daß Gott die Natur und insbesondere den Menschen erschaffen hat. Jede wissenschaftliche<br />

Theorie machte vor diesem Faktum halt, auch <strong>Darwin</strong> sprach <strong>von</strong> der göttlichen Urschöpfung<br />

einiger weniger niederer Organismen. In einer solchen Atmosphäre mußte er also<br />

seine Theorie der innerweltlichen Ursachen für die Evolution der öffentlichen Diskussion<br />

übergeben. Einer Öffentlichkeit also, die sich der Gründe für das »Sosein« der Natur gewiß<br />

war. Sie war für den Menschen eingerichtet. Das folgte einesteils aus den <strong>von</strong> der Kirche vermittelten<br />

Taten und Versprechungen Gottes, anderenteils war es auch ganz offensichtlich. Bis<br />

dato hatte noch jede Theorie der Natur diese Tatsache als Konvergenzpunkt aller Erklärungen<br />

akzeptiert, und alle Fachdisziplinen <strong>von</strong> der Geologie über die Biologie bis zur Paläontologie<br />

waren bei der Interpretation ihrer Objekte damit sehr gut gefahren.<br />

Die Natur war eine <strong>von</strong> Gott geschaffene Ordnung zum Zwecke der Vollführung des Heils<br />

am Menschen, Eine erste Ahnung <strong>von</strong> der Bedeutung dieser Heilsgewißheit bekam ich durch<br />

die Lektüre <strong>von</strong> John Rays »Sonderbares Kleeblätlein. Der Welt Anfang, Veränderung und<br />

Untergang«, das in der deutschen Übersetzung 1698 erschien. (Daß ich in WestBerlin überhaupt<br />

in der Lage bin, derart alte Bücher am Ort lesen zu können, ist der Tatsache zu verdanken,<br />

daß die naturgeschichtliche Abteilung der Staatsbibliothek bei Kriegsende in den Westteil<br />

der Stadt »gerettet« wurde und offenbar fast vollständig erhalten geblieben ist. Nichtsdestotrotz<br />

muß man u.U. nach OstBerlin fahren, um im dortigen Katalog Bücher<br />

herauszusuchen, die es dann wiederum in WestBerlin auszuleihen gilt. Eine sehr eigenartige<br />

Archäologie menschlicher Artefakte ... ) Den entscheidenden Aufschluß gaben mir keineswegs<br />

explizite Formulierungen über die Bildungstendenzen der Natur unter dem Vorzeichen

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