Jenseits von Darwin - Christian Blöss
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62 <strong>Jenseits</strong> <strong>von</strong> <strong>Darwin</strong><br />
an sich träges System sich sichtbar mehr oder weniger schlagartig und zudem noch qualitativ<br />
ändern kann. Deswegen auch diese »MehrWelt«Spekulation.<br />
Vermutlich sind nur etwa 1 bis vielleicht 10 % unserer Gene direkt in den proteinerzeugenden<br />
Biosynthesezyklus eingebunden (vgl. Schmidt 1985, 112; Popp 1984, 122), d.h. werden<br />
im Laufe dieses Zyklus abgelesen. Was bedeutet der Rest, was für Funktionen kommen ihm<br />
zu? Ein Teil der gesamten DNS ist indirekt am Biosynthesezyklus beteiligt, er unterbindet<br />
bzw. aktiviert als Satz <strong>von</strong> Regulatorgenen den Ausdruck ganzer GenKomplexe. Die Wirkung<br />
solcher Regulatorgene äußert sich in zahllosen Phänomenen und Grundprinzipien des<br />
Lebens. Die offensichtlichste Aufgabe erfüllen sie beim Entwickeln einer befruchteten Zelle<br />
zum ausgewachsenen Organismus. Angesichts eines fertigen Organismus könnte man<br />
meinen, daß jede Zelle über einen besonderen Satz <strong>von</strong> Genen verfügt, der ihrer spezifischen<br />
Aufgabe entsprechend Stoffwechsel, Reproduktion und letztlich ihr Absterben determiniert.<br />
Die Gesamtinformation hätte sich dann im Laufe des Wachstums über den ganzen Organismus<br />
»verschmieren« müssen, damit jede Zelle an ihrem besonderen Ort auch richtig funktioniert.<br />
Die Molekularbiologen haben sich aber ein ganz anderes Bild <strong>von</strong> dem Wachstums und<br />
Reproduktionsmechanismus eines Organismus gemacht. Während des Wachstums aktivieren<br />
Regulatororgane die für die jeweilige Phase der Zellteilung an jedem Platz gerade benötigten<br />
Genabschnitte, also immer nur ganz bestimmte Teile der den Organismus insgesamt kennzeichnenden<br />
Gesamtinformation. Mit anderen Worten: In jeder Zelle ist zu jeder Zeit ein Regulationsmechanismus<br />
am Werk, der den für den Gesamtzusammenhang passenden GenAbschnitt<br />
zum Ausdruck verhilft bzw. den Rest unterdrückt. Woraus besteht aber dieser Rest?<br />
Sind es nur jene GenAbschnitte, die an anderen Orten des Organismus oder zu anderen<br />
Wachstumsabschnitten zum Ausdruck kommen? Oder gehören dazu auch GenAbschnitte, die<br />
noch nie zum Ausdruck gekommen sind, die gewissermaßen noch des Ausdrucks harren,<br />
oder deren Ausdruck in einer ganz anderen, zurückliegenden Epoche der Stammesgeschichte<br />
stattgefunden hat?<br />
Man weiß, daß sich zum Teil unzählige Kopien aktueller DNSSequenzen im Zellplasma befinden,<br />
die aber »unvollkommen« sind, zum Zerfall neigen und stets wieder erneuert werden.<br />
Zum Teil sind die aktuellen DNSSequenzen durch »Nonsens«DNS in <strong>von</strong>einander unabhängige<br />
Teilsequenzen getrennt, die erst neu sortiert zur Proteinsynthese herangezogen werden.<br />
Auch können Sequenzen innerhalb der Gesamtkette springen und damit den Übersetzungsmechanismus<br />
für die Aminosäuresequenzen nachhaltig abändern. Unter Berücksichtigung der<br />
Regulatorgene, die offenbar den weitaus größeren Teil der Ausdrucksmöglichkeiten inaktiviert<br />
hält, gibt es innerhalb des Genoms also zahlreiche Möglichkeiten zur Variation, ohne<br />
daß Veränderungen an der Zelle selbst, an ihrer Zusammensetzung und ihrem Funktionszusammenhang<br />
sichtbar werden müssen: »Wie es scheint, entsteht Variation nicht durch einzelne<br />
Mutationen, sondern durch die Zusammenraffung großer Mutationskomplexe, die sich<br />
durch viele Generationen hindurch angesammelt haben.« ('Mylor 1983, 225) Was verbirgt<br />
sich hinter solchen »Mutationskomplexen«? Sind es potentielle Antworten auf umschlagende<br />
Lebensbedingungen? Es gibt Anzeichen dafür, daß diese Mutationskomplexe sowohl umfassende<br />
Evolutionsschritte als auch kurzfristige Antworten auf kurzfristig sich einstellende besondere<br />
Bedingungen umfassen können. Das soll nacheinander zur Sprache kommen.<br />
Einen der besten Beweise für die Realität der Evolution faßte Ernst Haeckel in seiner biogenetischen<br />
Grundregel zusammen: Jedes Lebewesen rekapituliere im embryonalen Stadium<br />
die einzelnen Stufen seiner Stammesgeschichte. So »durchwächst« der menschliche Embryo<br />
oft genug beschrieben z.B. ein Stadium, in dem er Kiemenbogen und Kiemen aufweist, die<br />
erst später zu Kiefer und Lunge übergehen. Auch sind sich die ganz jungen Embryonen <strong>von</strong><br />
Säugern, Vögeln, Eidechsen und Schlangen außerordentlich ähnlich und unterscheiden sich