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Jenseits von Darwin - Christian Blöss

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7. Die Ordnung der Moleküle - Von der Schablone zum Hyperzyklus 63<br />

allenfalls in der Größe. Obwohl dieses Phänomen zu Recht als Beweis für eine zusammenhängende<br />

Stammesgeschichte gewertet wird, steht es im geraden Widerspruch zu der Annahme,<br />

daß eine Mutation den aktuellen Gensatz betrifft, ihn verändert und damit im allgemeinen<br />

jede »Erinnerung« an den vormaligen Zustand auslöscht. Ferdinand Schmidt hat diesen<br />

Einwand so formuliert: »Wären z.B. Mutationen der letzte entscheidende Faktor für die Entstehung<br />

der Lungenatmung, hätte man eigentlich erwarten müssen, daß entweder die Gene<br />

für die Anlagen der Kiemenbogen und Kiemen zu Lungenanlagen mutiert und gleichzeitig<br />

verschwunden wären oder daß die Mutation der Gene für andere Organe zu Lungengenen<br />

früher oder später zu einem Verschwinden der Gene der Kiemen über eine Organatrophie<br />

durch Nichtgebrauch hätte führen müssen.« (1985, 188) Die richtige Schlußfolgerung muß<br />

also lauten: Die rezenten Arten besitzen zusätzlich zu den zur Reproduktion nötigen Informationen<br />

weitere GenAnlagen, die früheren Entwicklungsstadien zugehören bzw. das wäre allerdings<br />

eine Spekulation zu späteren Zeiten noch nicht dagewesenen Formen zum Ausdruck<br />

verhelfen.<br />

Für diese Interpretation der biogenetischen Grundregel sprechen noch andere Tatsachen und<br />

Phänomene, wie etwa die zahlreichen Metamorphosen. Der Übergang <strong>von</strong> der Kaulquappe<br />

zum Frosch bedeutet die »Evolution« eines echten Fisches zu einem echten Lurch innerhalb<br />

weniger Wochen, der nicht nur die Umstellung <strong>von</strong> Kiemen auf Lungenatmung verlangt, sondern<br />

auch die Degenerierung der Flossen und die Ausbildung <strong>von</strong> Extremitäten, eine grundlegende<br />

Veränderung der Haut und eine Umstellung der Verdauungsund der Ausscheidungsvorgänge.<br />

Solche Metamorphosen kennt man auch bei anderen Tieren, wie dem Schmetterling,<br />

dem Salamander, der Krabbe, dem Kammolch usw. Das berühmteste Beispiel ist allerdings<br />

der mexikanische Axolotl, ein »neotenischer«, im Wasser lebender Molch, dessen<br />

künstliche hormonelle Behandlung einen Entwicklungsschub provoziert, ihn zu einem Lurch<br />

ausreifen läßt, der zur Lebensweise an Land übergeht.<br />

Wie spektakulär oder unscheinbar diese Metamorphosen auch erscheinen mögen, in jedem<br />

Falle treten zwei verschiedene Sätze <strong>von</strong> Genen nacheinander in Aktion, <strong>von</strong> denen jeder<br />

vollständig in sich abgestimmt ist. Die Tatsache, daß das Genom vollständige Batterien <strong>von</strong><br />

Genen enthalte, die völlig verschiedenen strukturellen Zwecken dienen könne, habe noch<br />

nicht, so Gordon R. Taylor, die Aufmerksamkeit erregt, die sie verdiene. »Ist es möglich, daß<br />

der Fisch eine Batterie <strong>von</strong> Genen besaß, die im unterdrückten Zustand >Amphibie< bedeutete<br />

und plötzlich aktiviert wurde? Dasselbe gilt für die anderen großen Schritte der Evolution.<br />

Wenn es so ist, ergeben viele rätselhafte Tatsachen mit einem Mal ein klares Bild. Es ist dann<br />

leicht zu verstehen, warum zwölf Stammlinien <strong>von</strong> Säugetieren (zu Beginn des Eozän, CB)<br />

ähnliche Merkmale zu entwickeln begann. Alle besaßen die gleichen oder ähnliche Sätze <strong>von</strong><br />

maskierten Genen, die ungefähr zur selben Zeit aktiviert wurden vielleicht durch dieselben<br />

Umweltbedingungen.« (1983, 238)<br />

Auch so einschneidend neue Eigenschaften wie die Flugfähigkeit sind mindestens bei sechs<br />

verschiedenen Gelegenheiten »erfunden« worden <strong>von</strong> Flugsaurier, Vogel, Fledermaus, Insekten,<br />

Fröschen und Fischen (Schmidt 1985, 252). Auf der anderen Seite kennt man die atavistischen<br />

Erscheinungen, sogenannte »phylogenetische Rückschläge«, bei denen stammesgeschichtlich<br />

zurückliegende Formen (etwa die gelegentlich auftretende Dreistrahligkeit eines<br />

Pferdefußes), die während der Embryonalphase zwar durchlaufen aber <strong>von</strong> den letztlich<br />

rezenten Formen der Art überdeckt werden, noch bei der Geburt vorliegen und das ganze Leben<br />

beibehalten werden. »Würde man für Atavismen die Möglichkeit einer Entstehung durch<br />

Rückmutationen an Strukturgenen einräumen, müßte man logischerweise auch den umgekehrten<br />

Vorgang die direkte Entstehung eines einstrahligen Pferdefußes aus einem fünfstrahligen<br />

durch zahlreiche gleichzeitige Mutationen der Gene eines Einzelindividuums anerken-

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