Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH
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Bekamen die Mädchen ihre Periode, so bekamen sie groben Zellstoff zugeteilt, den sie sich in<br />
die Unterwäsche legen mussten. Ein beson<strong>der</strong>es traumatisches Erlebnis war <strong>der</strong> Tag, an dem<br />
sie diesen Zellstoff nicht rechtzeitig genug bekam. Sie wurde nämlich aufgefor<strong>der</strong>t, erst ihren<br />
Teller mit Suppe zu essen. Weil sie unter Zeitdruck stand, „schluckte ich die Kartoffelsuppe<br />
mit den ganzen Stücken herunter. Die Schwester war hoch erfreut: `Siehst du, wenn du willst,<br />
kannst du doch schnell essen.` Zur Belohnung bekam ich dann noch einen Teller Suppe.“<br />
Danach raste Marianne vom Speisesaal auf die Mädchenstation <strong>und</strong> übergab sich auf <strong>der</strong><br />
Toilette.<br />
„Schwester M. lief hinter mir her. In <strong>der</strong> Hand hielt sie eine alte, stinkende Gummihose. Nur<br />
Kin<strong>der</strong> mit einer Querschnittslähmung trugen normalerweise diese Hosen. Sie zwang mich,<br />
dieses Teil anzuziehen. Bei je<strong>der</strong> Bewegung, die ich machte, knisterte <strong>und</strong> stank die<br />
Gummihose entsetzlich. Das war eine Sache, <strong>der</strong> ich nicht mehr gewachsen war. Der<br />
Schmerz, <strong>der</strong> mir in dieser Situation zugefügt wurde, war nicht zu beschreiben. Ohne zu<br />
schluchzen o<strong>der</strong> einen Laut von mir zu geben, liefen mir den ganzen Tag die Tränen herunter.<br />
Es war wie ein Schrei nach innen.“<br />
„Immer, wenn ich die Regel bekam, wurde ich morgens vor lauter Schmerzen ohnmächtig.<br />
Die Schwestern fanden mich dann bewusstlos auf dem WC. Die Diakonische Helferin<br />
erzählte mir, wie die Schwestern mich rechts <strong>und</strong> links unter die Arme nahmen <strong>und</strong> mich mit<br />
den Füßen über den Holzfußboden zu meinem Bett zogen. Sie musste alles mit ansehen <strong>und</strong><br />
durfte nicht helfen.“<br />
„Nicht einmal Schmerzmittel gab es. In diesem Zustand wurde ich in die Schule geschickt.<br />
Später erfuhr ich, dass die Schwestern die Tabletten, die für uns Kin<strong>der</strong> best<strong>im</strong>mt waren, oft<br />
in die DDR zu ihren Verwandten geschickt hatten.“<br />
„Wie<strong>der</strong> einmal stand ich <strong>im</strong> Badez<strong>im</strong>mer <strong>und</strong> wusch mich. Im Spiegel sah ich Schwester E.<br />
hereinkommen. Über ihrem Arm hingen viele Büstenhalter in verschiedenen Größen...<br />
Schwester E. meinte: `Jetzt, wo du deine Tage bekommst, musst Du einen BH tragen!` ...<br />
Zum Schluss zog sie mir wie<strong>der</strong> einmal die Hosen herunter. Mir ist bis heute nicht klar, was<br />
sie damit bezwecken wollte. Es machte ihr sichtlich Freude.“ Solche Veranstaltungen wurden<br />
<strong>im</strong> Beisein <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Mädchen durchgeführt.<br />
Im Verlauf ihrer Erinnerungen erzählt Marianne die Geschichte, wie sie einmal von einer<br />
Wespe gestochen wurde <strong>und</strong> vor lauter Schreck alle Teller fallen ließ. Weil es sich hier um<br />
Blechgeschirr handelte, machte dies einen großen Lärm. „Daraufhin gab mir Schwester M.<br />
eine Ohrfeige <strong>und</strong> kündigte mir für den Abend noch eine saftige Strafe an.“ Abends wollte<br />
Marianne sich ins Bett legen: „Das ging aber nicht. Schwester E. <strong>und</strong> Schwester M. standen<br />
an meinem Bett. Sie zwangen mich mit Hilfe eines Rohrstockes, mein Nachthemd<br />
auszuziehen. Als Schwester E. die Bettdecke von meinem Bett zurückschlug, w<strong>im</strong>melte es da<br />
von Insekten. Sie verlangten von mir, dass ich mich nackig in dieses Insektennest legen sollte.<br />
Dabei wurde auch <strong>der</strong> Rohrstock benutzt. Ich bekam einen fürchterlichen Schreck <strong>und</strong> schrie<br />
laut. Die meisten Tiere waren zwar schon tot, aber es war ein grausiges Gefühl, darin zu<br />
liegen. Ich sollte die ganze Nacht so liegenbleiben. Später, als das Licht gelöscht war, zog ich<br />
mir ganz schnell das Nachthemd wie<strong>der</strong> an. Ich versuchte, die Insekten aus meinem Bett zu<br />
schütteln. Für mich war es die reinste Folter!“