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Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH

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Die zweite ehemalige Mitschülerin, die Marianne zu versorgen hatte, nutzte sie mal mehr, mal<br />

weniger aus. Lediglich die dritte, auch an Muskelschw<strong>und</strong> erkrankt, war ihr fre<strong>und</strong>lich<br />

zugetan.<br />

Marianne bekam nie Süßigkeiten. Wie sehr sie darunter litt, erzählt sie in einer Episode: Sie<br />

ging gelegentlich an die Pforte des Johanna-Helenen-He<strong>im</strong>s. Dort wurden neben Getränken<br />

<strong>und</strong> Süßigkeiten auch Briefmarken verkauft. Marianne bat die Dame an <strong>der</strong> Pforte <strong>im</strong>mer um<br />

die Randstreifen. „Die schmeckten damals richtig süß. Für mich war es ein Ersatz für<br />

Süßigkeiten.“<br />

Marianne erzählt weiter, dass sie kein Taschengeld bekam, ebensowenig Klei<strong>der</strong>geld. Erst die<br />

Mutter einer an<strong>der</strong>en Behin<strong>der</strong>ten sorgte dafür, dass sie ab dem 13. Lebensjahr endlich<br />

Klei<strong>der</strong>geld vom Sozialamt erhielt. „Ich weiß nicht, wer während <strong>der</strong> ganzen Zeit <strong>im</strong> Johanna-<br />

Helenen-He<strong>im</strong> über mein Taschengeld <strong>und</strong> auch mein Klei<strong>der</strong>geld verfügt hat.“<br />

„Eine weitere Aufgabe bestand für mich darin, einmal in <strong>der</strong> Woche ... alle Schuhe zu putzen.<br />

Wir waren fast 25 Kin<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Station.“ Wenn ihre Arbeit nicht so verlief, wie die<br />

Schwestern sich das vorgestellt hatten, musste sie die ganze Nacht stehend in einer Ecke<br />

verbringen. „Oft habe ich am Fenster gestanden <strong>und</strong> gesehen, wie die Lichter in<br />

Gr<strong>und</strong>schöttel an- <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> ausgingen.“ Wenn sie vor dem Fenster einschlafen war, wurde<br />

sie von Schwester E. mit einer Ohrfeige aufgeweckt <strong>und</strong> sie musste wie<strong>der</strong> stehen. „Das ging<br />

die ganze Nacht so.“<br />

„Schl<strong>im</strong>mer aber waren für mich die Strafen, die mich demütigten. Es gab Anlässe, da steckte<br />

mich Schwester E. in ein altes schwarzes Kleid, sie nannte es Strafkleid.“ In diesem Strafkleid<br />

wurde sie auch in <strong>der</strong> Öffentlichkeit, sprich ihren Mitschülern <strong>und</strong> Mitschülerinnen<br />

präsentiert.<br />

Die elternlose Marianne war beson<strong>der</strong>s traurig, wenn sie sah, wie an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> in die Ferien<br />

abgeholt wurden. Dann weinte sie. Einmal sagte Schwester E. daraufhin zu ihr: „Was?? An<br />

deiner Stelle würde ich mich schämen, dass ich geboren bin. Wer weiß, wie du wohl zustande<br />

gekommen bist!! Hinterm Busch <strong>und</strong> so!!“<br />

Eines Nachts weckte Schwester E. Marianne, um ihr zu zeigen, wie sich ein Paar unten auf<br />

<strong>der</strong> Straße küsst: „Sieh dir nur die Schweine da unten an, wie die sich Küssen! Mit spätestens<br />

15 Jahren hast du ein Kind <strong>und</strong> bist genauso eine Hure wie deine Mutter!!“<br />

„Um 7 Uhr bekamen wir eine Scheibe Brot mit Rübenkraut. Oft war das Brot so alt, dass sich<br />

die Scheiben bogen. Ganz beson<strong>der</strong>s habe ich den sauren Geschmack des Brotes negativ in<br />

Erinnerung.“<br />

Ebenso in negativer Erinnerung ist ihr, das Schwester M., wenn sie morgens die Brote fertig<br />

machte, sie auf ihre flache Hand legte <strong>und</strong> mit Butter bestrich. Wenn dann Butter auf <strong>der</strong><br />

Hand kleben blieb, „Dann nahm sie das Messer, kratzte alle Butter von ihren Händen <strong>und</strong><br />

schmierte diese auf unsere Brote.“<br />

Denjenigen, die nicht schnell genug essen konnten, wurden die Speisen dann in <strong>der</strong><br />

vorgegebenen Reihenfolge in zeitlichen Abständen auf den Teller gegeben, so dass sich alles<br />

miteinan<strong>der</strong> vermischte. „Der Pudding schwamm dann zwischen Gemüse <strong>und</strong> Kartoffeln.“

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