Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH
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Geschenke, die die Kin<strong>der</strong> zu Weihnachten - während einer Weihnachtsfeier <strong>im</strong> Speisesaal <strong>im</strong><br />
Beisein von Honoratioren aus <strong>der</strong> OAV - bekamen, wurden ihnen in <strong>der</strong> Regel danach<br />
abgenommen <strong>und</strong> in die DDR gesandt. Zu einem Weihnachtsfest bekam Marianne eine Puppe<br />
geschenkt <strong>und</strong> konnte sogar verhin<strong>der</strong>n, dass man sie ihr direkt wie<strong>der</strong> abnahm.<br />
„Plötzlich, eines nachts, wurde <strong>der</strong> Schlafsaal hell erleuchtet. Beide Schwestern standen an<br />
meinem Bett. Sie befahlen mir, mich an mein Fußende zu stellen. Ich schaffte es nicht schnell<br />
genug, meine Puppe zu verstecken. Schwester E. schrie mich an <strong>und</strong> wollte wissen, woher ich<br />
die Puppe hätte. Als ich ihr von dem Weihnachtspäckchen erzählte, wurde sie noch wüten<strong>der</strong>.<br />
Sie schrie mich an: `Du hast sie gestohlen <strong>und</strong> außerdem bist du viel zu alt für eine Puppe!!`<br />
Ich war ungefähr 10 Jahre alt. Sie nahm die Puppe, riss ihr den Kopf ab <strong>und</strong> schlug ihn so<br />
lange auf den Boden, bis er zerbrach. Es dauerte eine Weile, weil <strong>der</strong> Fußboden aus Holz war.<br />
Mit beiden Händen nahm sie die Beine <strong>und</strong> riss die Puppe in <strong>der</strong> Mitte durch.“<br />
Marianne „schrie, wie eine Verrückte.“ Dafür musste sie auf den Dachboden hinter einen<br />
Bretterverschlag <strong>und</strong> hatte furchtbare Angst. „Als ich dann anfing zu weinen, saß Schwester<br />
E. auf <strong>der</strong> Treppe <strong>und</strong> lachte.“<br />
Über die Schule erzählt Marianne: „Die ersten vier Jahre verbrachte ich dort nur mit<br />
gesenktem Kopf in <strong>der</strong> Ecke stehend. Man hatte mich vier Jahre lang nicht versetzt. Einmal<br />
habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen <strong>und</strong> Frau St. gefragt, warum ich nicht in<br />
eine an<strong>der</strong>e Klasse versetzt werden könnte. Sie sah mir dabei direkt ins Gesicht <strong>und</strong> sagte:<br />
`Du bist nicht dumm, son<strong>der</strong>n asozial <strong>und</strong> Asoziale för<strong>der</strong>e ich nicht!`. Sie hat mir 4 Jahre<br />
lang die Möglichkeit genommen, zu lernen <strong>und</strong> mich entwickeln zu können.“<br />
„Das Vorlesen war für mich das Schl<strong>im</strong>mste. Ab <strong>und</strong> zu holte sie mich aus meiner Ecke. Ich<br />
musste mich an das Pult neben sie setzen. Dann gab sie mir ein Buch in die Hand <strong>und</strong> ich<br />
sollte laut vorlesen. Dabei legte sie <strong>im</strong>mer ihren Gehstock auf mein Pult. Vor lauter Angst<br />
brachte ich kaum ein Wort heraus <strong>und</strong> stotterte fürchterlich. Dann schlug sie mich mit ihrem<br />
Gehstock <strong>und</strong> ich verschwand wie<strong>der</strong> für lange Zeit in meiner Ecke. Auch heute noch fällt es<br />
mir schwer, laut vorzulesen.“<br />
Marianne kommt <strong>im</strong> Laufe ihres Berichtes darauf zu sprechen, dass St. eine hochbegabte Frau<br />
war, die Lie<strong>der</strong> komponieren konnte <strong>und</strong> ein Schulorchester ähnlich einem<br />
Symphonieorchester gegründet hatte, in dem elitäre Schüler mitwirken durften. „Ihre eigene<br />
schwere Behin<strong>der</strong>ung zwang sie, an beiden Beinen eine Schiene zu tragen <strong>und</strong> zwei Stöcke<br />
als Gehilfen zu benutzen. Ihre Stöcke gebrauchte sie aber auch, um uns Kin<strong>der</strong> zu schlagen.<br />
Ich selber habe gesehen, wie sie einmal Friedhelm, <strong>der</strong> ein Korsett trug, so sehr auf den<br />
Rücken schlug, bis <strong>der</strong> Gehstock zerbrach. Weil Wolfgang den Dreisatz nicht verstand, nahm<br />
sie seinen Kopf <strong>und</strong> schlug ihn mehrmals auf sein Pult.“<br />
„Wenn es einen Klecks gab, bekam man mit dem Griffelkasten-Deckel Schläge auf die<br />
Finger. Schönschrift war Frau St. Steckenpferd. Manchmal musste man ganze Hefte nur mit<br />
einem Buchstaben füllen, bis sie zufrieden war.“<br />
„Doch die meiste Zeit verbrachte ich stehend in meiner Ecke. Ab 7.30 Uhr bis um 10.00 Uhr,<br />
dann nach <strong>der</strong> kleinen Pause stand ich wie<strong>der</strong> bis 12.30 Uhr <strong>und</strong> nachmittags von 14.00 Uhr<br />
bis 17.00 Uhr in meiner Ecke.“