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Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH

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Auf <strong>der</strong> Kleinkindstation wurde auch Son<strong>der</strong>schulunterricht ähnlich wie heute ein Unterricht<br />

für lernbehin<strong>der</strong>te Schüler angeboten. Jochen berichtet, dass er eine Fibel mit Graphiken<br />

bekam <strong>und</strong> die Buchstaben in einzelne Handbewegungen umsetzen musste. „Bei ‚i‟ mußte<br />

man mit dem Finger vor den Kopf tippen, be<strong>im</strong> ‚o‟ ans Ohr packen ... Das ging jahrein,<br />

jahraus so. Ich habe mal gefragt, ob wir ein an<strong>der</strong>es Buch kriegen. Das gab es gar nicht. Wir<br />

haben die ganzen Jahre bis zum zehnten, elften Lebensjahr dieselbe Scheiße gehabt!“<br />

Auf eine entsprechende Nachfrage: „Hattest Du also bis zum zehnten, elften Lebensjahr bei<br />

<strong>der</strong> Frau Hegler <strong>im</strong>mer ein <strong>und</strong> denselben Unterricht?“ sagte Jochen: „Immer, die ganzen<br />

Jahre.“<br />

Über Frau Hegler erzählt Jochen wie folgt: „Die Frau ist selber behin<strong>der</strong>t gewesen, hat auf <strong>der</strong><br />

Frauenstation gelebt, hatte Rheuma. Und wenn <strong>der</strong> was nicht paßte, kriegte man ihre<br />

gekrümmte Pfote ins Gesicht geschlagen. Das hat die bei mir auch öfter gemacht. Die Fibel<br />

war irgendwann mal naß geworden - ich weiß nicht, ob durch Spucke o<strong>der</strong> Gequatsche -, dann<br />

war gleich großes Affentheater. Wenn man dann durch diese komischen Milchscheiben die<br />

Hegler antrotten sah - aber nur als Schatten; man konnte die weiße Schürze etwas erkennen,<br />

aber nicht den Rest -, dann kriegtest du schon Panik <strong>und</strong> fummeltest dauernd an <strong>der</strong><br />

Tischdecke herum, die mit einer Kette beschwert wurde.“<br />

Jochen berichtet, dass er also vor <strong>der</strong> Hegler sehr viel Angst hatte, insbeson<strong>der</strong>e, wenn er auf<br />

dem Flur sitzen musste <strong>und</strong> wenn er dann seine Lehrerin sah. Um ganz sicher zu gehen,<br />

wurde Jochen noch einmal gefragt: „Ich habe also richtig verstanden, daß du bis ca. zum<br />

elften Lebensjahr von <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Lehrerin Frau Hegler unterrichtet wurdest <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer<br />

nur den einen Schulstoff gehabt hast. Woraus konkret hat dieser Schulstoff bestanden?“<br />

Jochen: „Nur aus dieser Fibel. Wir hatten noch nicht mal ein Rechenbuch. Das war auch so<br />

eine Art Fibel, nichts beson<strong>der</strong>es. Man hat <strong>im</strong>mer dieselbe Scheiße gehabt.“<br />

Über die Lehrerinnen Steiniger, Severin <strong>und</strong> Schumann lässt sich Jochen wie folgt aus:<br />

„Diese Lehrerin Steiniger war unter aller Sau, wenn ich das mal so sagen darf. Das war <strong>der</strong><br />

größte Rüpel, den ich kennengelernt habe. Zweitgrößter Rüpel war Frau Severin. Frau<br />

Schumann war auch streng. Aber bei ihr habe ich das nie so mitgekriegt, weil Frau Schumann<br />

bei uns nur einmal Vertretung war. Aber bei Frau Steiniger - die war selber behin<strong>der</strong>t - war<br />

Schlagen wirklich an <strong>der</strong> Tagesordnung. Der einzige, <strong>der</strong> nie geschlagen wurde von ihr -<br />

warum, weiß ich bis zum heutigen Tag nicht -, war ich. Aber dafür hat sie mich in die Ecke<br />

gestellt. Das war für mich genauso schl<strong>im</strong>m. Aber die an<strong>der</strong>en wurden tatsächlich mit ihrem<br />

Krückstock, mit dem sie ging …“<br />

Jochen über den ersten Schulrektor Kaiser: „Der war auch sehr streng; da gab es einen mit<br />

dem Rohrstöckchen. Wenn man drei Mal die Schularbeiten nicht gemacht hatte, wurde man<br />

ganz <strong>der</strong>be bestraft ... Wenn ich irgendwann eine Strafarbeit kriegte, bedeutete das eine ganze<br />

Seite [schreiben]: `Ich muß die Schularbeiten machen.` … Das war für mich eine dicke Strafe,<br />

weil ich so langsam war. Dann kommt noch hinzu: Jedes Mal kamen neue Schularbeiten<br />

hinzu. Hatte man da nicht alles perfekt gemacht, mußte man das am nächsten Tag noch<br />

einmal machen. Dann hieß es zwei Mal. Und be<strong>im</strong> dritten Mal gab es dann mit dem<br />

Rohrstock. Irgendeiner be<strong>im</strong> Kaiser hat dann die Schularbeiten mit Absicht nicht mehr<br />

gemacht. Da ging er dann <strong>der</strong>be zur Sache. Der hat jeden Tag danach Prügel gekriegt. Die<br />

Schularbeiten <strong>und</strong> die Strafarbeiten wurden <strong>im</strong>mer verdoppelt <strong>und</strong> verdreifacht. Dann hat er<br />

[<strong>der</strong> Junge] sich irgendwann ein Holzbrett von einem Spiel in die Hose gesteckt. Der Lehrer

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