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Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH

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Anstaltsleiter Pfarre Lotze war zu <strong>der</strong> Zeit <strong>im</strong> Urlaub. Der Verfasser dieser Zusammenfassung<br />

war gerade nach Wengern gezogen <strong>und</strong> hörte eines Abends, dass Jochen eingewiesen wurde.<br />

Er nahm sofort Kontakt zu Pfarrer Lotze auf <strong>und</strong> sagte ihm, dass er eine Pressekonferenz<br />

einberuft, wenn Jochen nicht binnen drei Tagen wie<strong>der</strong> in Volmarstein ist. Auch Jochen hat<br />

öfter versucht, Lotze anzuklingeln, konnte ihn allerdings nicht erreichen, weil er seine<br />

Urlaubstelefonnummer nicht hatte. Sein Unglück war, dass <strong>der</strong> Untersuchungsrichter wenige<br />

St<strong>und</strong>en vor seiner Einweisung abgefahren war. So dauerte es eine Woche, bis <strong>der</strong> Richter ihn<br />

befragte. Nach dieser Befragung wurde er sofort entlassen. Allerdings wusste die OAV nicht,<br />

wo sie ihn unterbringen sollte, so dass er noch einige Tage in <strong>der</strong> Irrenanstalt bleiben musste.<br />

Dieses Trauma verfolgt ihn bis heute. Jochen war erst zur umfangreichen Mitarbeit an <strong>der</strong><br />

<strong>Aufarbeitung</strong> bereit, als die Präsidentin des Landtags NRW ihm verbindlich zusicherte, dass<br />

sie auf jeden Fall einschreiten würde, wenn er noch einmal eingewiesen würde.<br />

HM:<br />

HM berichtet zunächst, dass er sich nach Einweisung ins <strong>JHH</strong> auch innerhalb <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>gruppe unterordnen musste <strong>und</strong> dass er seitens eines Mitschülers sexuell angefasst<br />

wurde.<br />

HM: „Ich entwickelte meine neue Lebensstrategie: Halte den M<strong>und</strong>, atme ruhig weiter <strong>und</strong><br />

leide von nun an!“<br />

Über den Tagesalltag: „Anweisungen <strong>und</strong> Zurechtweisungen wurden zur selbstverständlichen<br />

Kasernenhof- Kommunikation des Alltags.“<br />

Und weiter: „Auf den zerkratzten Linoleumtischen warteten Marmeladenbrote mit ranziger<br />

Butter auf verbeulten Blechtellern auf uns, ...“<br />

Über die Schule: „Lernfreude <strong>und</strong> Bildungslust beseelten mein kleines Herz. Dennoch, alle<br />

waren ernst <strong>und</strong> ängstlich. Ich erinnere mich nicht, jemals ein Lächeln <strong>im</strong> Gesicht von<br />

Fräulein Sch., unserer Lehrerin, gesehen zu haben.“<br />

Während ihn die Lehrerin Sch. nie schlug, wusste er von <strong>der</strong> Lehrerin St. zu berichten, dass er<br />

von ihr „… beidhändig die kräftigsten Ohrfeigen meines Lebens, die umso kräftiger <strong>und</strong><br />

anhalten<strong>der</strong> erteilt wurden, je mehr es mir gelang, meine Tränen zu unterdrücken“ erhielt.<br />

HM war musikalisch begabt. Deshalb gab man ihm eines Tages eine Geige zum musizieren.<br />

HM: „Jetzt hatte ich ein Spielzeug <strong>im</strong> wahrsten Sinne des Wortes. Bald entwickele ich es zur<br />

Meisterschaft <strong>und</strong> gewann erstmals Anerkennung als Schüler bei dem doch so verhassten<br />

Fräulein St. Wenn ich auch heute die Fähigkeit, einen viertel Ton unterscheiden zu können,<br />

verloren habe, bin ich doch froh, dass mir die Geige über manche bittere St<strong>und</strong>e<br />

hinweggeholfen hat.“<br />

HM bestätigte das schlechte Essen: „Je<strong>der</strong> musste seinen Blechteller leer essen. Es galt das<br />

Sättigungsprinzip. Dabei konnte es schon mal passieren, dass <strong>der</strong> Hering in <strong>der</strong> Milchsuppe<br />

serviert wurde. Die Tellergerichte waren eintönig bis ungenießbar. So gab es jeden Montag<br />

die Wurstreste <strong>der</strong> vergangenen Woche mit Graupen. Mittwochs die dicken Nudeln <strong>und</strong><br />

Möhrenstückchen neben Speckschwartenknubbeln, an denen regelmäßig die Borsten empor<br />

standen. Wer sich getraute, <strong>der</strong> steckte die Speckknubbel in die Hosentasche <strong>und</strong> ließ sie be<strong>im</strong><br />

Freigang verschwinden o<strong>der</strong> versenkte sie in <strong>der</strong> Toilette.“

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