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Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH

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Nachfolgend schil<strong>der</strong>t er eine Zwangsfütterung an seinem inzwischen verstorbenen Fre<strong>und</strong><br />

Jochen R.<br />

26<br />

Da er gelegentlich für die Schwestern Hilfs- <strong>und</strong> Einkaufsdienste erledigen durfte, „… bot<br />

sich somit die Möglichkeit, in den Schwesternspeisesaal zu blicken, <strong>und</strong> dabei wurde schnell<br />

entdeckt, welche leckeren Speisen für die Schwestern bereitgehalten wurden. So wussten wir<br />

also, dass die Schwestern ihre Speisen an festlich gedeckter Tafel, mit Porzellan auf weißen<br />

Tischtüchern o<strong>der</strong> Tischläufern einnahmen.“<br />

HM über seine Hofgänge: „Das beson<strong>der</strong>e Ereignis an jedem Mittwoch war <strong>der</strong> Freigang auf<br />

dem Hinterhof zwischen Leichenhalle <strong>und</strong> Dorffriedhof. Hier spürten wir, zwischen den<br />

Leichen, die Wärme <strong>der</strong> Sonne. Auch draußen gab es kein Spielzeug, wir hatten nur uns<br />

selbst. So schoben wir unsere Mitbetroffenen in <strong>der</strong>en Rollstühlen hin <strong>und</strong> her ... Wenn die<br />

Schwestern keine Lust hatten, nach draußen zu gehen, weil es ihnen zu kalt o<strong>der</strong> zu warm<br />

war, fiel <strong>der</strong> Freigang für uns aus.“<br />

Über die Freizeitgestaltung <strong>im</strong> großen Speisesaal, <strong>der</strong> auch Aufenthaltsraum war: „Es gab<br />

kein Spielzeug, keine Bücher, keine Abwechslung. Einige fuhren mit ihren Rollstühlen <strong>und</strong><br />

Laufrä<strong>der</strong>n umher. Wer einen Bindfaden ergattert hatte, konnte mit Fre<strong>und</strong>en<br />

Fingerfadenspiele entwickeln.“<br />

Danach beschreibt HM die Strafaktionen des damaligen Oberarztes Dr. K.: „Welcher Tat<br />

wurde ich bezichtigt? Einen beliebten Zeitvertreib nachahmend hatte auch ich eines Tages<br />

meinem Tischnachbarn den Stuhl unter dem Hintern hinweg gezogen ... Dies trugen die<br />

Schwestern nun triumphierend vor. Mit böser Miene wurde ich vor den Richter zitiert. Nach<br />

bangem Schweigen wurde mein Urteil gefällt. Mit meinem eigenen Krückstock wurde mir <strong>der</strong><br />

Hintern so lange versohlt, bis <strong>der</strong> Gummistopfen am unteren Ende des Stockes sich durch die<br />

Wucht löste.“<br />

Über die <strong>im</strong>mer größer werdende Angst: „Mit <strong>der</strong> Zeit entstand ein Druck <strong>der</strong> Ungewissheit ...<br />

Be<strong>im</strong> Herannahen o<strong>der</strong> bloßer Beobachtung durch unsere Aufsicht, von <strong>der</strong> Putzfrau über die<br />

Schwestern <strong>und</strong> Lehrerinnen bis zum Pastor, än<strong>der</strong>ten sich abrupt unser Verhalten <strong>und</strong> somit<br />

langfristig auch zumindest meine psychische Verfassung.“<br />

Ein kleines Resümee seines Lebens: „Wenn ich heute mit 65 Jahren auf meine Entwicklung<br />

zurückschaue, muss ich mit Bitterkeit <strong>und</strong> Bedauern erkennen, dass mir viele Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten erst sehr spät, wenn überhaupt, zuteil geworden sind. Als alter Mann mit 50<br />

Jahren begann ich erst allmählich mit dem nötigen Selbstbewusstsein ohne innere Angst zu<br />

leben. Ich erlernte die Kraft des positiven Denkens. Jahrzehnte meines früheren<br />

Erwachsenenlebens plagte mich die Demut vor Vorgesetzten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Obrigkeit. Die<br />

gelegentliche Aufmüpfigkeit gegen erlittenes Unrecht konnte ich nicht einordnen <strong>und</strong> in<br />

geordnete Bahnen <strong>der</strong> Entschuldigung o<strong>der</strong> in die Erlangung meines guten Rechts einmünden<br />

lassen. Meine Entscheidungen wurden durch die erzwungenen Verhaltensweisen in jener<br />

Kindheit best<strong>im</strong>mt. Ach hätte ich doch die richtigen Verhaltensweisen erlernt.“<br />

Seine For<strong>der</strong>ung an die heutige ESV, die Rechtnachfolgerin <strong>der</strong> Orthopädischen Anstalten:<br />

„Eine Anerkennung <strong>und</strong> öffentliche Entschuldigung für die erlittene Schmach,<br />

Ehrbeschneidung, körperliche Züchtigung. Anerkennung <strong>und</strong> Entschuldigung für die nicht<br />

kindgerechte <strong>und</strong> nicht behin<strong>der</strong>tengerechte Unterbringung, Versorgung, Beschulung,

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