Aufarbeitung der Grausamkeiten, Brutalitäten und ... - Gewalt-im-JHH
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seine Tochter sofort mit, direkt zu Anstaltsleiter Pastor Vietor. Er drohte ihm, die Lehrerin<br />
anzuzeigen. Vietor sagte:“Bitte zeigen sie die Lehrerin nicht an, das ist die beste Lehrerin, die<br />
wir haben.“<br />
Nach dem Besuch des Anstaltsleiters ignorierte Lehrerin St. Anne völlig.<br />
Allerdings wurde sie nach diesem Vorfall nie wie<strong>der</strong> versetzt, so dass sie bis 1955 quasi das<br />
gleiche Schuljahr durchgemacht hat.<br />
Auf die nochmalige Nachfrage: „Hast Du nach einer gewissen Zeit nicht irgendeine an<strong>der</strong>e<br />
Klasse besucht?“ sagte Anne: „Nein“. Sie ist bis zum Fortgang aus <strong>der</strong> Schule in ein <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong>selben Klasse geblieben.<br />
Eines Tages fragte ihr Vater Anstaltsleiter Vietor nach Zeugnissen <strong>und</strong> Vietor sagte dem<br />
Vater , Zeugnisse findet er nicht, aber das ist nicht so schl<strong>im</strong>m, Anne bleibt sowieso ihr Leben<br />
lang in Volmarstein.<br />
Nach <strong>der</strong> Brutalität bei St. hat ihr Vater sie auch bei Dr. K. vorgeführt. Dr. K. sagte zum Vater<br />
so o<strong>der</strong> ähnlich: „So habe ich meinen Sohn auch gerade verhauen, weil er auf einen Baum<br />
geklettert ist.“<br />
Ihre Erinnerungen an ihre Pubertät bezeichnet sie als „grauenvoll“. Damals gab es keine<br />
richtigen Binden, son<strong>der</strong>n sogenannte „Strickbinden“. Dieses waren Binden, die man an<br />
einem vorhandenen Gurt, den man während <strong>der</strong> Menstruation um die Hüfte trug, befestigte.<br />
Waren diese Binden verschmutzt, kamen sie in einen großen Bottich <strong>und</strong> wurden dort<br />
ausgekocht. Sie bekam nicht <strong>im</strong>mer richtig saubere Binden zurück. Auf die Frage, ob sie denn<br />
ständig, wenn sie also das Bedürfnis nach einer neuen Binde hatte, Zugriff auf eine solche<br />
hatte, antwortete sie, dass ihr diese Binden zugeteilt wurden. Jeweils eine morgens, eine<br />
mittags <strong>und</strong> eine abends. Und wenn sie sich dann die Hose dreckig machte, gab es etwas. Ich<br />
frage hinterher, was sie damit meint <strong>und</strong> sie erzählt: Dann haute man ihr die Unterhose um die<br />
Ohren.<br />
Als unangenehm empfand sie auch, dass jeweils zwei Mädchen in einer Wanne gebadet<br />
wurden. Auf die Frage, ob sie wohl hintereinan<strong>der</strong> in einer Wannenfüllung gebadet wurden:<br />
Nein, es waren jeweils zwei Mädchen, die gleichzeitig in einer Wanne gebadet wurden. Sehr<br />
unangenehm war ihr auch, dass die Schwestern, obwohl sie sich unter Aufsicht gebadet<br />
haben, <strong>im</strong> Int<strong>im</strong>bereich <strong>im</strong>mer nachgewaschen haben. Außerdem fühlte sie sich während ihrer<br />
Pubertät ständig so unangenehm beobachtet.<br />
Auf die Frage nach <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>opfer pro Tag: „Eindeutig über zehn!“ Ob diese<br />
zehn jeweils täglich <strong>Gewalt</strong> erfuhren? Nein, aber diese vielen Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen aus<br />
ihrer Klasse haben <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> häufig <strong>Gewalt</strong> unter <strong>der</strong> Lehrerin St. erlitten.<br />
Eine beson<strong>der</strong>s schl<strong>im</strong>me Erfahrung hat sie gemacht, die sie bis heute nicht vergessen kann.<br />
1952 kam ihre Mutter auf die Frauenstation, weil sie an Multipler Sklerose erkrankte. Sie,<br />
Anne, also ihre Tochter, die eine Etage höher auf <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>station gelebt hat, durfte ihre<br />
Mutter nur einmal wöchentlich besuchen, aber nur, wenn auch ihr Vater gekommen war. Das<br />
war jeweils sonntags.