Forschung und Lehre Jahresbericht 2009 - ZfP Südwürttemberg
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Projekt<br />
Kurzbezeichnung:<br />
SCHU 1<br />
Projekt<br />
Akademische Qualifikationsarbeit. Bearbeiter: Ralf Rosbach. Betreuer: Prof. Dr.<br />
Clemens Wischermann, Universität Konstanz; Prof. Dr. Klaus Hoffmann, ZPR Reichenau<br />
/ Konstanz. Beratung: Dr. Thomas Müller.<br />
‘Inside and outside the walls of the asylum […]’. Die Heilanstalt<br />
Schussenried, ihre Patientinnen <strong>und</strong> Patienten <strong>und</strong> die anti-psychiatrische<br />
Debatte im Deutschen Reich (ca. 1875-1900)<br />
Die Heilanstalt Schussenried ist eine der ältesten Anstaltsgründungen im ehemaligen<br />
Königreich Württemberg <strong>und</strong> nahm im Jahre 1875 ihre Funktion auf. Die zentrale<br />
Anlage der Anstalt fand bei Gründung im Gebäudekomplex des örtlichen Prämonstratenserklosters<br />
Aufnahme, das im Zuge der Mediatisierung in den Besitz<br />
des Landes übergegangen war. Zunächst schien die Großanlage eine ideale Nutzung<br />
als Anstalt des Königreichs zu erlauben. Die Gründung der Anstalt veränderte<br />
das Leben der recht kleinen Gemeinde Schussenried nachhaltig, auch vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> einer gewissen Industrialisierung in den Jahren vor der Eröffnung der<br />
Heilanstalt. Im Rahmen der auswertbaren Quellen steht eine hauseigene Zeitschrift<br />
im Mittelpunkt, die sog. Schallwellen, publiziert von 1897 bis 1936. Diese<br />
Zeitschrift erweist sich als reichhaltige Quelle zur Aufarbeitung der Institutionsgeschichte.<br />
Ursprünglich zur Unterhaltung von Personal <strong>und</strong> Patienten ins Leben<br />
gerufen, diente die Zeitschrift bald auch der durchaus intendierten Übermittlung<br />
eines idealisierten Bilds von der Einrichtung an die Allgemeinbevölkerung der<br />
Region. In dieser Zeitschrift präsentierte sich die Anstalt als ‘modernes’ Krankenhaus,<br />
während der Inhalt deutlich <strong>und</strong> mitunter nicht intendiert die Entwicklung<br />
der Zeit widerspiegelt, von den 1890er Jahren bis in die Ges<strong>und</strong>heitsgesetzgebung<br />
der nationalsozialistischen Behörden hinein. Das lokale ‚Paradox’ einer Anstalts-<br />
‘Bevölkerung’ (bestehend aus Patienten <strong>und</strong> Personal), die die Umgebungskultur<br />
jenseits der Anstaltsmauern mithilfe eines bildungsbürgerlichen Mediums prägt<br />
<strong>und</strong> unterhält, wurde bereichert durch die Beiträge gebildeter <strong>und</strong> kreativer<br />
Patientinnen <strong>und</strong> Patienten. Diese Dynamik spiegelt sich u.a. in den Beiträgen<br />
eines regional sehr bekannten Dichters <strong>und</strong> Schriftstellers wieder, der das Zusammenspiel<br />
von Anstalt <strong>und</strong> Gemeinde bzw. deren Bewohnern zum Genestand seines<br />
bekanntesten Romans machte (W. Schussen, 1908).<br />
<strong>Forschung</strong>sprojekt, freie Publikationen. Bearbeiter: Frank Kuhn, Thomas Müller.<br />
Projektierter Bearbeitungszeitraum: 2007 – <strong>2009</strong>.<br />
<strong>Forschung</strong>sbericht <strong>2009</strong> 41